Therapie statt Strafe weist schwere Mängel auf

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System weist deutliche Mängel auf, wie ein brutaler Überfall vor einigen Tagen zeigt.

Ein skrupelloser Serientäter, der vergangenen Samstag einer Frau in einer Tiefgarage in Wien-Favoriten eine Pistole anhielt und ihren Mercedes raubte, zeigt eine deutliche Schwachstelle im heimischen Justizsystem auf. Obwohl der mehrfach Vorbestrafte erst im vergangenen Jänner nach einem Überfall auf eine Apotheke zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt wurde, hat er das Gefängnis niemals von innen gesehen. Trotz des Gewaltverbrechens kam der 32-jährige Armin D. in den Genuss von "Therapie statt Strafe".

Privileg

Der Gesetzgeber hat dieses Privileg Suchtgiftkranken eingeräumt, die sich statt des Gefängnisaufenthaltes einer Therapie zur Entwöhnung unterziehen. Dass auch süchtige Gewaltverbrecher oder Kriminelle nach Eigentumsdelikten in diesen Genuss kommen, stößt auf Kritik.

673-mal wurde der spezielle Strafaufschub im vergangenen Jahr Kriminellen in Österreich gewährt, im Jahr davor 705-mal. Wie nun einige Fälle zeigen, weist das System allerdings schwere Mängel auf. Armin D., der Räuber von Wien-Favoriten, ist das beste Beispiel. Der Richter billigte ihm zu, dass er den Apotheken-Überfall nur wegen seiner Sucht begangen hat um an Medikamente zu gelangen. Da er einer Therapie zustimmte, musste er nicht ins Gefängnis. Es dauerte jedoch nicht lange und der 32-Jährige brach die Therapie ab und tauchte unter. "Genau das ist problematisch. Selbst wenn er für die Justiz greifbar ist, könnte man ihn nicht gleich einsperren. Auch wenn er zuvor zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt wurde", erklärt der Sprecher des Landesgerichts Wien, Thomas Spreitzer.

Das Gesetz sieht nämlich vor, dass man dem Betroffenen erst "Therapieunwilligkeit" nachweisen muss, bevor die Haftstrafe schlagend wird. Dieser Nachweis hat sich in der Praxis allerdings als nahezu unmöglich heraus gestellt. Selbst wenn jemand die Therapiesitzungen schwänzt, kann man ihn stattdessen nicht so einfach ins Gefängnis stecken. "Der Klient muss die Therapie schon über einen längeren Zeitraum konsequent verweigern, damit dem Gesetz nach eine Therapieunwilligkeit nachgewiesen ist. Das war bisher so gut wie unmöglich", erklärt ein Richter.

Das ist auch der Grund warum "Therapie statt Strafe" gerne von Kriminellen missbraucht wird. "Was die Sache einfacher macht ist, wenn jemand neuerlich straffällig wird. Dann kann der Strafaufschub widerrufen werden", erklärt Spreitzer.

Auch für die Experten des Vereins Neustart für Bewährungshilfe und Integration von Straffälligen sind die geltenden Regelungen von "Therapie statt Strafe" nicht das Gelbe vom Ei. "Es ist bei uns eines der zentralen Themen. Für den klassischen Suchtgiftkranken ist das Modell ideal. Wenn die Sucht allerdings der Anlass für ein Gewaltdelikt ist, dann ist das eine andere Sache", erklärt der Sprecher von Neustart, Andreas Zembaty.

Das Justizministerium hat "Therapie statt Strafe" zuletzt 2010 in Form einer Studie evaluieren und untersuchen lassen. "Damals war die Rückfallquote und die Prognose für die, die eine Therapie gemacht haben, deutlich besser als bei jenen in Haft", sagt Justiz-Sprecherin, Britta Tichy-Martin. Es sei aber normal, dass die Therapie nicht in allen Fällen gelingen kann. Wenn ein Richter sogar im Wiederholungsfall erneut einen Strafaufschub gewährt, müsse man die Kritik dorthin richten, meint die Sprecherin.

Der Fall des Räubers von Favoriten zeigt die Schwachstellen des Modells "Therapie statt Strafe" auf. Armin D. (32) hat trotz zahlreicher Vorstrafen und einer Verurteilung wegen Raubes Strafaufschub bekommen. Vergangenen Samstag überfiel der 32-Jährige zunächst ein Kinderwagen-Geschäft in Wien-Favoriten, bevor er einer Frau in einer Tiefgarage eine Waffe anhielt und ihren Luxuswagen raubte. Anschließend fuhr er mit dem Auto nach Wiener Neudorf, wo er eine McDonald’s-Filiale überfallen haben soll. Nach einer wilden Verfolgungsjagd wurde er schließlich in Polen geschnappt.

Am Wiener Straflandesgericht wurde diese Woche ein weiterer kurioser Fall bekannt. Einem Mann, der im August 2015 zum bereits achten Mal wegen Drogendelikten verurteilt wurde, wurde ebenfalls "Therapie statt Strafe" gewährt. Nur ein paar Wochen später dealte er erneut mit Drogen und wollte einem verdeckten Ermittler ein halbes Kilo Kokain verkaufen.

Obwohl ihn das Gericht erneut zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte (nicht rechtskräftig), kann sich der Mann Hoffnungen machen, dem Gefängnis wieder zu entgehen. Sollte die bestellte Sachverständige dem Mann "Therapiefähigkeit" attestieren und die Justiz keine Einwände haben, ist der stationäre Entzug erneut zu genehmigen.

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