Ein Projekt, das die Polizei spaltet

Die Polizei als Helfer von nebenan: 34 Polizisten kümmern sich hauptamtlich darum
Gewerkschaft übt Kritik. Eine Studie soll nun zeigen, wie sinnvoll die Aktion wirklich ist.

Es ist nicht das Lieblingsprojekt innerhalb der heimischen Polizei: Die Initiative "Gemeinsam.Sicher" läuft seit Kurzem in ganz Österreich. Auf jeder Polizeiinspektion gibt es seither einen "Sicherheitsbeauftragten". Also einen Beamten, der gezielt Kontakt zur Bevölkerung aufbauen soll.

34 zusätzliche Planstellen wurden für das Projekt geschaffen. Ursprünglich sollten es noch deutlich mehr sein. Ziel dahinter: "Vertrauen aufbauen", sagt Reinhard Schnakl, Leiter der Abteilung für Organisation, Dienstbetrieb und Einsatz im Innenministerium. "Am Land sind die Polizisten ja noch persönlich bekannt. Im urbanen Raum ist das anonymer. Da kennt man kaum seinen Nachbarn." Begleitet wird das Projekt vom Institut für Strafrecht und Kriminologie. Christian Grafl und sein Team sollen es mit einer Studie untermauern. Aktuell werden deshalb 14.000 Fragebögen von Polizeischülern verteilt.

Bedenken

Polizei-Gewerkschafter hatten mit dem Projekt von Anfang an wenig Freude. Sie wollten zusätzliche Polizisten lieber im Außendienst sehen als hinter dem Bürotisch. "Wir wollen mit dem Projekt keine Personalressourcen verschleudern. Kontakt zur Bevölkerung zu halten, das muss doch jeder Polizist leben", sagt FSG-Gewerkschafter Hermann Greylinger. Ursprünglich wären Hunderte Sicherheitsbeauftragte geplant gewesen. Geeinigt hat man sich schließlich auf die 34. Und zusätzlich auf eine Verbesserung der Nachtzeit-Gutschrift und eine bessere Bewertung der Kommandanten kleiner Wachzimmer.

Projektleiter Schnakl weiß, dass die größten Projektkritiker in den eigenen Reihen zu finden sind. "Wir hatten auch zu Beginn der Präventionsarbeit eine breite Ablehnung. Es dauert aus Erfahrung bis zu fünf Jahre, bis so etwas verankert ist." Doch Erfahrungen weltweit hätten gezeigt, dass sich das "Community Policing" auszahle.

Sieben-Städte-Studie

"Wir haben uns sieben Städte herausgesucht, anhand derer wir das Sicherheitsgefühl erforschen", erklärt Wissenschaftler Grafl. Erhoben wird unter anderem die Furcht vor Kriminalität oder die Einstellung zur Polizei. Abgefragt wird in den Gemeinden Eisenstadt, Innsbruck, Leoben, Linz, Mödling, Schärding und in Wien-Donaustadt.

Ende des Jahres soll die Auswertung vorliegen. "Im Idealfall wiederholen wir die Befragung in zwei Jahren noch einmal, um zu sehen, ob sich etwas geändert hat", erklärt Grafl. Aus der Praxis weiß er: "Das Sicherheitsempfinden ist dort am höchsten, wo es keine Angst vor sozialem Abstieg gibt." Die meiste Angst verspüren die Österreicher davor, Opfer eines Einbruchs oder Sexualdeliktes zu werden.

Nicht nur Polizisten sollen nun ganz offiziell Kontakt zu den Bürgern suchen. Jede Gemeinde soll einen eigenen Sicherheitsgemeinderat bekommen. Bürger werden als Sicherheitspartner (siehe Zusatzbericht, Anm.) ausgewählt. "Wir wollen keine Bürgerwehren oder Ersatzpolizisten. Aber Bürger als Schnittstelle sind herzlich willkommen", sagt Schnakl. "So haben wir einen größeren Effekt."

ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka argumentiert ähnlich: "Sicherheit ist ein berechtigtes Grundbedürfnis der Menschen in diesem Land. Auch wenn die an Zahlen gemessene objektive Sicherheitslage eine stabile ist, stellt sich das Empfinden der Menschen anders dar."

Hingeschaut hat Hannes Giebl schon immer. „Das hat angefangen, als der Neubau des Krankenhauses begonnen und der Lkw-Verkehr enorm zugenommen hat“, erinnert sich der Pensionist. Auch heute fühlt er sich noch verantwortlich, wenn etwas in Mödling nicht passt – seit rund einem Jahr ganz offiziell als Sicherheitspartner der Polizei.


Er wohnt in der Nähe des Krankenhauses, dort ist er auch Ansprechpartner für die Bewohner. „Das ist kein Radweg!“, ruft er zwei jungen Männern zu, die mit ihren Rädern am Gehsteig fahren. Und marschiert mit Kollegin Sabrina Pöltl schnurstracks zur nächsten Baustelle – auf einem Grundstück wird gerade gebaut, bei Aushubarbeiten ist ein hoher Baum in Schräglage geraten. „Der wird ja immer schiefer“, sagt er zu einem Bauarbeiter. „Den müssen’S abschneiden!“


Auch Pöltl engagiert sich schon länger in der Gemeinde. Als Sicherheitspartnerin sieht sie ihre Aufgabe in der Prävention. „Wir sind das Sprachrohr zwischen Bewohnern und Polizei. Nicht jeder will gleich bei der Polizei anrufen, nur weil ihm etwas verdächtig vorkommt“, sagt die vierfache Mutter. Diese Meldungen landen jetzt unter anderem bei ihr, sie leitet sie an die Polizei weiter. „Einer Bewohnerin ist aufgefallen, dass täglich um 5 Uhr Früh ein weißer Kastenwagen mit ausländischem Kennzeichen in einer Straße steht und die Männer Fotos machen“, erzählt sie. Tatsächlich wurde wenig später eingebrochen. Die Polizei verstärkte ihre Streifen.


Monatlich bekommen die Sicherheitspartner einen Bericht der Polizei – welche Kriminalitätsformen gerade zunehmen, wo eingebrochen wird. „Aktuell nimmt der Geldwechseltrick wieder zu. Wenn ich ältere Damen auf der Straße treffe, die ich kenne, sage ich das natürlich gleich weiter“, erklärt Giebl. Demnächst wird er außerdem einen Polizeivortrag zum Thema Cyberkriminalität besuchen und sein Wissen weitergeben.


Pöltl wiederum hat gerade einen Selbstverteidigungskurs für Frauen organisiert und plant Vorträge – etwa über Dämmerungseinbrüche. „Das ist schon zeitintensiv, macht aber Spaß.“


Geld bekommen die Sicherheitspartner keines. „Nicht einmal Visitenkarten“, wirft Giebl ein. Er lässt sich deshalb auf eigene Kosten welche drucken. „Es wissen zu wenig Leute, dass es uns überhaupt gibt“, sagt Pöltl.

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