"Gegen ein Unglück hilft kein Helm"

"Gegen ein Unglück hilft kein Helm"
Die Zahl der Toten auf Skipisten ist rückläufig – dennoch sind sie derzeit an der Tagesordnung

Sie kommen von der Piste ab und prallen gegen Bäume, bleiben kopfüber im Schnee stecken oder werden von Lawinen überrollt. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr sind auch andere Skifahrer, die einem den Weg kreuzen – wie im Fall der 44-Jährigen aus Liechtenstein, die am Mittwoch in Lech am Arlberg tödlich verunglückt ist. Derzeit scheint kein Tag ohne Schockmeldungen von Österreichs Skigebieten zu vergehen. „Wenn ich in der Saison die Zeitung aufschlage, bin ich als Arzt und auch als Privatperson entsetzt“, sagt Heinrich Thöni, Unfallchirurg im Krankenhaus Zell am See. Zu den Unglücken selbst will er keinen Kommentar abgeben – „zu heikel“ sei das Thema, um über die Details zu spekulieren.

Kopfverletzungen

Deutlicher wird man in der Abteilung für Unfallchirurgie an der Universitätsklinik Innsbruck. Als Ursache für die zum Teil tödlichen Unfälle nennt Sprecher Johannes Schwamberger mangelndes Gefahrenbewusstsein, zu hohe Geschwindigkeit oder schlicht: Pech. Im Vorjahr sei eine Häufung von Rückenmarksverletzungen mit Querschnittslähmungen als Folge verzeichnet worden.

Auffällig sei – da sind sich Mediziner und Bergretter einig – dass die Zahl der Kopfverletzungen seit der Einführung der Helmpflicht für Kinder und Jugendliche stark zurückgegangen ist. Fünf Prozent der Kinder bis 14 Jahre erleiden nach Skiunfällen Kopfverletzungen, bei Snowboardern sind es sieben Prozent. Vor vier Jahren waren es laut Kinderchirurg Michael Höllwarth aus Graz noch doppelt so viele.

„Nur“, sagt Bergretter Sepp Mitterer aus Saalbach-Hinterglemm, wo am Dienstag ein Zwölfjähriger trotz Sturzhelm ums Leben gekommen ist, „gegen Unglück schützt einen auch der beste Helm nicht.“ Der Bub aus Deutschland ist am Pistenrand tot bei einem Baum gefunden worden – über den Unfallhergang herrscht Rätselraten. Eine Obduktion soll nun die Todesursache klären. Am vergangenen Sonntag starb eine zehnjährige Britin im Zillertal auf ähnliche Weise. Sie war von der Piste abgekommen und gegen einen Baum gerast. Trotz Helm erlitt sie tödliche Verletzungen.

25 Todesfälle

Laut Statistik der Alpinpolizei sind in der Saison 2010/’11 auf Österreichs Skipisten 50 Menschen ums Leben gekommen. Zum Vergleich: Beim Wandern und Bergsteigen waren es mehr als doppelt so viele. 2011/’12 ist die Zahl drastisch gesunken: Nur 32 Tote – davon zwei im Zusammenhang mit Liftunfällen – gab es im schneearmen Winter. In der laufenden Skisaison waren es laut Sprecher Karl-Heinz Grundböck bisher 25 Todesfälle.

Dass die gefühlte Zahl der Unfälle höher ist als die tatsächliche, betont Bergretter Mitterer: „Wo viel los ist, passiert auch viel. Dafür, dass immer mehr Hobbysportler auf der Piste unterwegs sind, halten sich die Tragödien in Grenzen.“ Der 53-jährige, der täglich auf den Skiern steht, kann nur raten: „Regelmäßig Sport treiben – und auf der Piste aufpassen.“

„Ein brutales Erlebnis, zu sehen, dass das Kind da runterfällt“, schildert die Skifahrerin, die noch versucht hatte, den Buben an der Jacke festzuhalten: Im Vorarlberger Skigebiet Heuberg-Arena stürzte ein Achtjähriger Mittwochnachmittag von einem Sessellift. Er fiel aus gut acht Meter Höhe auf die Piste und brach sich die Beine.

Die Polizei untersucht, was zu dem Unglück geführt hat. „Angeblich hat der Bub schon beim Einsteigen in den Lift Probleme gehabt“, schildert eine Beamtin. Er dürfte unter dem Sicherheitsbügel durchgerutscht sein: Über eine Strecke von einem Kilometer klammerte sich der Achtjährige am Fußteil fest, die Frau und ein zweites Kind neben ihm versuchten, ihn festhalten. 400 Meter vor der Bergstation verließen den Buben jedoch die Kräfte.

Die Polizei fragt sich nun: „Warum wurde der Lift nicht gestoppt?“

Manfred Köglerer, Betriebsleiter der „Heuberg-Arena“, relativiert. Der Sicherheitsbügel des Vierer-Sessellifts sei geschlossen gewesen. „Sobald der zu ist, ist der Sessel auf der Strecke, die wird nicht dauernd kontrolliert. Es ist aus unserer Sicht absolut nicht klar, was passiert ist.“ Das Urlauberkind aus Deutschland sei groß genug gewesen, um den Sessellift zu benützen. „Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen“, beteuert Köglerer.

Der Bub wurde in einem Spital in Kempten (Deutschland) operiert. „Erstaunlich, aber es geht ihm schon wieder ganz gut“, sagt die Polizistin.


Kommentare