Fußball unter dem Hakenkreuz: "Erst Verein, dann die Partei"

Sturm-Spieler Josef Meszaros lief mit Reichsadler am Trikot ein.
Historiker durchleuchtete die Geschichte des SK Sturm zur Zeit des Nationalsozialismus.

Im Prinzip sei es relativ simpel, überlegt Walter Iber. "Die Nazis haben das Massenpotenzial des Fußball erkannt. Die Vereine wollten ein Stück vom Kuchen und haben sich für Propaganda einspannen lassen."

Der Grazer SK Sturm agierte da nicht anders. Der Historiker hat die Archive durchforstet und eine Expertise über den Klub unter dem Hakenkreuz erstellt. Dabei hat er viele Opportunisten gefunden, die den Verein über alles stellten und das Regime nicht hinterfragten oder hinterfragen wollten.

"Man hat sich arrangiert. Sturm stellt sich ja gerne als unpolitisch dar, aber unpolitisch gibt’s nicht", betont Iber. "Man hat Sportpolitik gemacht, um das Beste für den Verein herauszuholen. Wenn man sich dafür mit den Machthabern arrangieren musste, hat man’s getan." Wurden die eigenen Kicker zum Fronteinsatz eingezogen, behalf man sich mit Legionären. "Man hat sich unter in Graz stationierten Soldaten umgeschaut", schildert Iber.

Waffen-SS kickte mit

So kam es, dass Angehörige der Waffen-SS Sturm-Trikots überstreiften. "Es war nur wichtig, kann der spielen oder nicht? Zu welcher Einheit der gehört hat, war egal." Der Historiker fasst das in einem Satz zusammen, der auch der Titel seines Buches zum Thema wurde: "Zuerst der Verein, dann die Partei. Es ist darum gegangen, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten."

Immerhin war aber der SK Sturm im Gegensatz zu anderen Grazer Fußballklubs kaum ideologisch vorbelastet. Hatte man im Gründungsstatut zwar noch den "Arierparagrafen" aufgenommen, wurde er 1918 nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gestrichen. Auch an den antisemitischen Auswüchsen der 1920er-Jahre habe sich Sturm nicht aktiv beteiligt, fand Iber heraus.

Fußball unter dem Hakenkreuz: "Erst Verein, dann die Partei"
Deutsche Spieler in Graz
Doch dann kam 1938 und damit dem Jahr der Opportunismus: Regimetreue "Vereinsführer" wurden eingesetzt, auch wenn sie in der lokalen NS-Hierarchie kaum eine Rolle spielten. Wie bei anderen Vereinen auch wurde die Nachwuchspflege durch Kooperation mit der Hitlerjugend aufrecht erhalten. Nach 1946 bildete der Kern der zuvor unter "HJ-Sturm" kickenden Generation den Stamm der ersten Meistermannschaft von Sturm. Unter den Kickern selbst gab es aber nur wenige deklarierte Mitglieder der NSDAP; einer dieser wenigen war ein Spieler aus Berlin.

Die Schwarz-Weißen haben sich im Nationalsozialismus demnach "weniger exponiert" als etwa der Grazer Sportclub oder der GAK, beschreibt Iber. "Sturm musste sich deshalb nach 1945 nicht so sehr rechtfertigen."

Buchtipp: "Erst der Verein, dann die Partei" erscheint im Herbst und kostet 22 Euro.

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