Frauenpower in blauer Uniform

Reportage über die Ausbildung von Polizeischülern an der Wiener Polizeiakademie in der Marrokaner Kaserne. Wien, 05.12.2017
Eine KURIER-Redakteurin stellte sich der schriftlichen Aufnahmeprüfung.

8. März – Weltfrauentag. Das merkt man auch beim schriftlichen Aufnahmetest der Polizei, der an diesem Tag stattfindet. Zwölf der 20 Kandidaten sind weiblich. Darunter eine unvorbereitete KURIER-Redakteurin, die vor einem Computer sitzt und mit ihrem Vorstellungsvermögen kämpft.

Die erste Hürde galt es bereits einige Wochen zuvor zu bewältigen: das Bewerbungsverfahren. Neben Lebenslauf, Geburtsurkunde und Reifeprüfungszeugnis muss ein Fragebogen ausgefüllt werden: Ist gegen Sie jemals ein Ermittlungsverfahren geführt worden? Besteht gegen Sie ein Waffenverbot? Haben Sie Kontakt zu gewaltbereiten Organisationen oder ausländischen Geheimdiensten? Sind Sie von Alkohol oder Suchtmitteln abhängig? Nein, nein, nein, und nein.

Die Bewerbung muss persönlich abgegeben werden, ein paar Wochen später folgt die Einladung zum schriftlichen Test in der Aufnahmestelle der Landespolizeidirektion (LPD) Wien in der Marokkanergasse. Treffpunkt: sieben Uhr, Stiege vier. "Eine zeitgerechte Anwesenheit ist unbedingt erforderlich", steht in der Einladung.

Frühstart

Pünktlich um 6.30 Uhr sind bereits mehrere junge Frauen vor Ort. "Ein bisschen Deutsch und Mathe hab’ ich mir angeschaut. Aber ich hab’ den Test vor ein paar Jahren eh schon einmal gemacht", erzählt eine Frau Ende 20. Eine andere ist derzeit beim Berufsheer tätig. "Mein Posten wird abgebaut", erklärt sie ihren Berufswechsel. Eine Dritte macht gerade die Matura.

Insgesamt 20 Kandidaten treten heute an. Die Älteste feierte unlängst ihren 50. Geburtstag. Die Bewerber werden aufgerufen, danach geht es hinauf in den zweiten Stock ins Prüfungszimmer. Das Mobiltelefon kommt ausgeschaltet in ein braunes Kuvert. Nach einer kurzen Erklärung der Aufsichtspersonen geht’s los.

Im ersten Teil werden Rechtschreib- und Grammatikkompetenzen überprüft: Groß- und Kleinschreibung werden abgefragt, verdrehte Buchstabenreihen müssen in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Verben müssen konjugiert, Nomen dekliniert werden. Bisher alles problemlos schaffbar, wenn man Herr – oder Frau – der deutschen Sprache ist.

Das Finden von Synonymen wird etwas kniffliger, bei dem Wort "latent" muss man zweimal nachdenken. Rechtschreibfehler müssen erkannt ("Ich machte einen Spatziergang"), der Plural der Wörter Haus, Zirkus, Auspuff und Glück (Achtung, Falle: keine Mehrzahl!) gebildet werden. Dann gilt es, Wörter wie "Lappalien" und "Strapazen" richtig zu schreiben – gar nicht so einfach, wenn man unter Zeitdruck steht und Doktor Google nicht abrufbar ist. Die einzelnen Übungen müssen in ein bis zwei Minuten erledigt werden. So wird geprüft, wie gut man unter Stress arbeitet.

Geschafft. "Fünf Minuten Pause", sagt die Aufsichtsperson vom Innenministerium. Ein schneller Gang auf die Toilette, dann geht es weiter mit dem zweiten Teil. Dauer: 80 Minuten.

Zahlenspiele

Nun wird die "Psychologische Diagnostik" abgefragt. Zahlenreihen müssen fortgesetzt, gemusterte Würfel im Kopf gedreht und gewendet werden, das Vorstellungsvermögen wird getestet. Für die Autorin dieses Artikels ist diese Aufgabe bisher am schwierigsten. Auch das logische Denken wird geprüft: "Setzen Sie das richtige Wort ein: Jeder Mensch hat Haare/Augen/Hände/Erbanlagen.

Führen Sie den Vergleich fort: Hülse: Erbse = Etui: Leder/Brille/Tasche/Augen."

Bei der Merkaufgabe muss man sich fiktive Firmennamen, Preise, Gegenstände und Länder einprägen. Nach den Rechenbeispielen, die dank AHS-Matura kein Problem darstellen, werden die Wörter abgefragt. Zum Schluss werden Persönlichkeitsfragen gestellt und Daten für die Statistik abgefragt. Dann ist man fertig und darf gehen.

Wer Vorurteile über Polizisten verbreitet, die nicht rechtschreiben oder rechnen können, ist nie schwitzend und mit feuchten Händen beim schriftlichen Aufnahmetest gesessen. Zumindest hier braucht ein Polizist genauso viel Hirn wie Muskeln. Das Prüfungsergebnis der Redakteurin steht übrigens noch aus. Spätestens, wenn in 20 Jahren der nächste Polizeikommandant Ferstl im Nachnamen heißt, wissen Sie es ja.

Wer sich bei der Polizei bewerben möchte, muss österreichischer Staatsbürger sein. Das Mindestalter ist 18 Jahre, das Höchstalter von 30 Jahren wurde mit 1. Jänner 2012 abgeschafft, genauso wie die Mindestgröße von 1,68 Metern bei Männern und 1,63 Metern bei Frauen.

Bärte

Seit 2017 sind Bärte und lange Haare bei Männern sowie Tattoos erlaubt. Künftig sind sogar sichtbare Tattoos möglich. Man darf keine gerichtlichen Vorstrafen und schwere Verwaltungsübertretungen (Delikte im Zusammenhang mit Alkohol, Fahrerflucht) im Strafregister stehen haben.

Body-Mass-Index

Bewerber müssen organisch und funktionell gesund sein, ein Normalgewicht aufweisen sowie eine einwandfreie Sehleistung, einen normalen Farbsinn, eine einwandfreie Hörleistung und ein tadelloses (saniertes) Gebiss haben. Der Body-Mass-Index (BMI) sollte zwischen 18 und 28 liegen.

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