Flüchtlinge dürfen Wohnort nicht mehr frei wählen

Gemeinde Gries am Brenner
Das neue Tiroler Mindestsicherungsmodell sieht einen Lenkungsinstrument vor, das einer "Residenzpflicht" nahe kommt.

Die Tiroler Landesregierung hat am Dienstag ihr neues Mindestsicherungsmodell präsentiert. Die wesentlichen Eckpunkte waren bereits im Vorfeld durchgesickert. Wie berichtet, wird für Bezieher, die in einer Wohngemeinschaft leben – das sind vor allem Flüchtlinge – der für Lebenshaltungskosten ausbezahlte Richtsatz um 150 Euro auf 473 Euro gesenkt. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach von einem Modell der "Westachse", das in Gleichklang mit Vorarlberg und in enger Abstimmung mit Salzburg ausgearbeitet wurde.

In den schwarz-grün regierten Bundesländern wurden somit politische Kompromisse in einer Frage gefunden, die Sprengkraft geboten hat. In Tirol hatte der VP-Wirtschaftsbund etwa auf Einschnitte nach dem Vorbild Nieder- und Oberösterreichs gedrängt und sieht in dem neuen Modell seine Handschrift verewigt, wie Obmann Franz Hörl erklärt. Er sieht "einen großen Schritt in die richtige Richtung".

Für VP-Klubobmann Jakob Wolf ging es dabei auch um ein Signal: „Ziel war es, die Mindestsicherung so zu gestalten, dass die Bevölkerung nicht den Eindruck hat, dass es sich lohnt in der sozialen Hängematte zu liegen.“ Die Grünen können mit den vereinbarten Kompromiss trotz Kürzungen leben. "Es wird keinen generellen und undifferenzierten Deckel geben", sagte LH-Stellvertreterin Ingrid Felipe.

Tirols Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne) hatte Wartefristen oder einen Mindestsicherungsdeckel für Haushalte, wie von Niederösterreich eingeführt, vor einigen Monaten als "Ende der grünen Fahnenstange" bezeichnet. Gestern zeigte auch sie sich zufrieden. Landeshauptmann Platter wiederum hält die Diskussionen innerhalb seiner Partei ebenfalls für beendet: "Das Thema ist abgehakt."

Wohnungen zuweisen

In dem Modell, das Einsparungen von jährlich fünf Millionen Euro bringen soll, steckt neben den Kürzungen noch ein brisantes Detail. Das Land Tirol hat künftig die Möglichkeit, Wohnungen an Mindestsicherungsbezieher zuzuweisen. Lehnt der das Angebot ab, kann das zum Entfall der Wohnkosten-Übernahme führen, die neben den Lebenshaltungkosten ebenfalls Teil der Mindestsicherung ist. Mit diesem Instrument können Flüchtlinge, die es vielfach in Ballungszentren zieht, auch in ländlichen Regionen angesiedelt werden und haben somit keine freie Wohnortwahl.

Das könnte etwa eine Entlastung der ohnehin ständig wachsenden Stadt Innsbruck bringen. Darauf hofft auch Flüchtlingsstadtrat Franz Gruber (ÖVP): "Das kann sicher zu einem Lenkungseffekt führen."

Tatsächlich kommt das Instrument einer Residenzpflicht - also der Bindung der Mindestsicherung an den Wohnort - nahe. Die wurde rund um die Suche nach einer bundesweiten Lösung für die Mindestsicherung immer wieder diskutiert. Mit der Residenzpflicht sollte verhindert werden, dass Flüchtlinge nach dem Ausscheiden aus der Grundversorgung nicht ohne weiteres in ein Bundesland ihrer Wahl übersiedeln können.

Bestehende Quartiere nutzen

Das Zuteilen von Wohnungen werde aber auch Rücksicht auf Zumutbarkeiten nehmen, versprach die Landesregierung. So sollen Kinder etwa nicht aus Schulen oder Kindergärten gerissen werden. Gleichzeitig soll es auch möglich sein, dass anerkannte Flüchtlinge jene Quartiere zugeteilt bekommen, die ihnen im Rahmen der Grundversorgung während des Asylverfahrens zur Verfügung gestellt wurden. Die Tiroler Sozialen Dienste, die in Tirol die Landesquartiere betreuten, werden mit dieser Aufgabe betraut. Derzeit gibt es mehr Unterkünfte als Bedarf.

Was die abgegoltenen Wohnkosten für Mindestsicherungsempfänger betrifft, sollen diese künftig gesetzlich gedeckelt werden. Die Höhe wird anhand der jeweiligen Immobilienpreise nach Bezirken unterschiedlich festgelegt. Das von der Tiroler Landesregierung beschlossene Paket soll nun in Begutachtung gehen und im Mai im Landtag beschlossen werden.

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