"Fahrerflucht ist nicht zu verzeihen"

Nach der Erstversorgung wurde Laurin ins Spital nach Lienz geflogen.
Siebenjähriger Kärntner im Gesicht verletzt /Liftkarte als heiße Spur ins Ausland.

Fahrerflucht auf Skiern halten viele Wintersportler für ein Kavaliersdelikt. Alleine am vergangenen Wochenende haben sich Pistenrowdys in Kärnten, Salzburg, Tirol und Oberösterreich nach schweren Skiunfällen aus dem Staub gemacht. Äußerst selten gelingt es, die Schuldigen zu ermitteln. Im Fall jenes siebenjährigen Buben aus Kärnten, dem eine Skifahrerin in Heiligenblut in der Lifttrasse über das Gesicht gefahren ist, existiert jedoch eine heiße Spur.

"Ich bin mit meinem Freund Marius mit dem Hakllift (Schlepplift, Anm.) auf den Berg gefahren. An einer steilen Stelle haben sich unsere Ski gekreuzt, wir sind hingefallen und die Liftspur runtergerutscht. Marius’ Vater, der direkt hinter uns fuhr, wollte uns aufhelfen, aber da kam schon die Frau am Schlepplift daher. Sie versuchte nicht auszuweichen, sondern fuhr mir übers Gesicht. Es hat so wehgetan", erzählt Laurin Fortschegger aus Großkirchheim beim KURIER-Besuch im Klinikum Klagenfurt.

Das Kind erlitt tiefe Schnittwunden von der Lippe bis zum Hals und muss stationär behandelt werden. "Laurin hatte Glück, dass die Skier nicht die Halsschlagader erwischt haben. Dass man ohne Hilfeleistung weiterfährt, ist nicht zu verzeihen", sagt Papa Helmut, der Laurin im Spital Gesellschaft leistet.

Zur Fahrerflüchtigen gibt es inzwischen eine Spur: Sie sollte aufgrund der Liftkarte und einer Zeugenbeschreibung (weißer Anorak mit schwarzen Flecken) ausgeforscht werden können. "Die Buben und der Vater haben personalisierte Saisonkarten. Die Frau, die danach den Lift benutzte, gehört einer ausländischen Skigruppe an, die Tageskarten gelöst hat", berichtet der ermittelnde Beamte der Polizeistation Heiligenblut, Harald Rader. Er sucht jetzt um Amtshilfe im betreffenden Staat an.

Doch Fahrerflucht auf den Pisten war am Wochenende kein Einzelfall: Am Pistenrand stand am Sonntag eine 58-jährige Linzerin im Lungauer Skigebiet Aineck, als sie von einem Snowboarder am Knie gerammt wurde. Der acht bis neun Jahre alte Bursche – vermutlich ein Niederländer – sprach kurz mit der Frau. Dann fuhr er weiter.

Zusammenstoß

Das tat auch ein Unbekannter, nachdem er am Sonntag im Ötztaler Skigebiet Obergurgl in Tirol mit einem elfjährigen Kind zusammengestoßen war. Der Bub aus Großbritannien erlitt leichte Verletzungen, vom Fahrerflüchtigen fehlt jede Spur.

Im oberösterreichischen Skigebiet Dachstein West kam es am Sonntag ebenfalls zu einem Skiunfall mit Fahrerflucht. Mit voller Wucht rammte ein Unbekannter einen 51-jährigen Belgier, der auf der Zwieselalm schwer verletzt liegen blieb. Der Unbekannte fuhr weiter.

Bei rund einem Viertel aller Pistenunfälle in Österreich ist Fahrerflucht im Spiel. Doch Andreas Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit relativiert. „Echte Fahrerflucht ist das nur in den seltensten Fällen.“

Bei den meisten Zusammenstößen würden sich die Wintersportler versichern, das alles passt, und dann erst weiterfahren. „Später geht oft doch einer in die Klinik und kennt den Namen des anderen nicht“, erklärt Würtele. Damit wird es in der Statistik zu Fahrerflucht. In nur elf Prozent der Fälle, lassen Beteiligte den anderen wirklich mutmaßlich im Stich.

Immer wieder werden mögliche Maßnahmen gegen die Fahrerflucht diskutiert. Von einer Videoüberwachung ganzer Skigebiete hält man etwa in Heiligenblut, wo ein Siebenjähriger schwere Schnittverletzungen erlitten hat, wenig. „Das ist nicht angedacht, so ein großes Skigebiet kann man auch nicht überwachen“, ist Peter Schmidl, Geschäftsführer von Heiligenblut, überzeugt.

„Das scheint mir vom Aufwand her nicht machbar“, sagt auch Franz Hörl, Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen Österreichs, angesichts der riesigen Pistenflächen in heimischen Skigebieten. Denkbar wäre für Hörl, selbst Geschäftsführer des 100 Hektar großen Skigebiets Gerlos im Zillertal, aber „die Überwachung von Stellen, die eklatant unfallgefährdet sind.“ Aber das auch erst, nachdem man versucht habe, solche auffälligen Passagen zu entschärfen. „Und dann ist das natürlich auch noch eine rechtliche Frage“, gibt der Seilbahnsprecher zu bedenken.

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