Doping läuft auch bei Hobbysportlern mit

Doping läuft auch bei Hobbysportlern mit
Laut Befragungen nimmt ein Drittel der Freizeitläufer Medikamente, um die Leistung zu steigern. Anti-Doping-Experte: "Die Szene ist krank.".

In Linz beginnt’s. Für die Marathonsaison in Österreich fällt heute der Startschuss. Nur eine Woche später, am 10. April, ist es auch in Wien soweit, und am 1. Mai wird in Salzburg gestartet. An allen drei Schauplätzen werden sich wieder Tausende Hobbyläufer an die Königsdisziplin im Laufsport – den Marathon – wagen. Um die 42,2 Kilometer bewältigen zu können, vertrauen aber, wie Befragungen zeigen, nicht alle nur auf die Kraft ihrer Beine oder Energieschüben von Bananen, Gels oder Riegeln. Denn nicht immer nur Spitzen-, sondern auch Freizeitsportler wollen sich mit Medikamenten zu einer neuen Bestzeit verhelfen.

"Es ist schwierig, eine genaue Zahl zu nennen, aber Tatsache ist, dass sehr viele zu Medikamenten greifen, um sich so eine Leistungssteigerung zu organisieren", sagt Anti-Doping-Experte Hans Holdhaus. Für ihn steht fest: "Wir haben ein Problem, denn wir leben in einer Gesellschaft, die uns suggeriert: Wenn du eine Schwäche hast, dann nimm etwas." Er geht sogar noch weiter und sagt: "Die Szene ist krank." Bei einem Marathon gehe man an die Grenze der Belastungsfähigkeit. "Wenn man dazu, nur um ein paar Sekunden oder Minuten herauszuholen, noch Medikamente nimmt, ist das mehr als höchst gefährlich, um nicht zu sagen fast schon Selbstmord."

Doping läuft auch bei Hobbysportlern mit
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Holdhaus beschäftigt sich in seinem Institut IMSB seit Jahren mit dem Thema Medikamentenmissbrauch im Hobbysport. Der Leistungsdiagnostiker hatte 2005 insgesamt 1371 Teilnehmer von Laufveranstaltungen hinsichtlich der Einnahme von leistungssteigernden Mitteln befragt. 550 (40 Prozent) hatten angegeben, z. B. ein Schmerzmittel genommen zu haben, davon 381 (28 Prozent) eine Substanz, die unter Doping fällt, wie Hydrochlorothiazid, ein Mittel, das zur Blutdrucksenkung eingesetzt wird.

Leichtathletiktrainer und Anti-Doping-Kämpfer Wilhelm Lilge meint: "Bei Antworten von Befragungen muss man vorsichtig sein, aber sie gehen in die Richtung, dass bei Marathons und anderen Ausdauerbewerben in Österreich tatsächlich rund ein Drittel der Läufer nach eigenen Angaben im Vorfeld eines Wettkampfes zu schmerzstillenden Mitteln greift." Lilge betont, dass es sich dabei "nur um Medikamentenmissbrauch, nicht um Doping handelt." Jedoch könne die Hemmschwelle für "echtes" Doping dadurch herabgesetzt werden: "Fast bei allen Dopern zeigt sich, dass sie zuvor Medikamentenmissbrauch betrieben haben und diese Tablettenmentalität ist die Vorstufe zum Dopen."

Um schwarze Schafe unter den Hobbysportlern ausfindig zu machen, hält Anti-Doping-Kämpfer Lilge Doping-Stichproben auch bei Volksläufen für sinnvoll. Probleme würden sich aber durch die hohen Kosten und den Umstand ergeben, dass nur jene Sportler getestet werden dürfen, die einem Verein angehören.

Aufklärung

Michael Cepic, Geschäftsführer der Nationalen Antidoping Agentur (NADA), kann dem nichts abgewinnen. "Dopingtests bei Volksläufen durchzuführen, halte ich nicht für sinnvoll." Denn: "Man kann nicht mit Zahlen herumschleudern, die nicht wissenschaftlich belegbar sind." Cepic schätzt, dass rund zehn Prozent der Top-Hobbysportler, also jene, die sich an der Grenze zum Spitzensport bewegen, zu unerlaubten Mitteln greifen. Konsequenzen gibt es für sie keine, denn strafbar machen sich nur Spitzensportler.

Außerdem würden viele gar nicht wissen, was alles auf der Verbotsliste stehe. "Da kann das schon passieren, dass jemand etwas nimmt, das zum Doping zählt." Im Verdachtsfall werde aber sehr wohl kontrolliert. Viel wichtiger als Tests seien Bewusstseinsbildung und Aufklärung. "Die Leuten sollen sich ja bewegen und nicht durch Angst- und Panikmache abgeschreckt werden."

Die NADA bietet auf ihrer Homepage www.nada.at ein einfaches Service der Medikamentenabfrage. Gibt man den Namen der Arznei ein, bekommt man sofort Auskunft darüber, ob es sich um ein verbotenes Mittel handelt oder nicht.

Zwei Tote beim Wachau-Marathon: Diese Nachricht schockierte im vergangenen Jahr die gesamte Läuferszene. Die beiden Männer waren zusammengebrochen. Herz-Kreislaufstillstand. Obwohl die Rettungskette perfekt funktionierte, kam für die beiden Hobbyläufer jede Hilfe zu spät. Matthäus Ernstbrunner, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, ist seit drei Jahren leitender Notarzt beim Wachau-Marathon. Sein Team musste er in den letzten Jahren aufstocken, denn: "Immer mehr Leute übernehmen sich, vor allem beim Halbmarathon. Ich war selber überrascht, wie viele kollabieren und sogar richtig bewusstlos sind." Dass von Seiten des Veranstalters alles getan wird, sich aber solch dramatische Vorfälle nur durch Eigenverantwortung verhindern lassen, weiß Michael Buchleitner, ehemaliger Leistungssportler und Veranstalter des Wachau-Marathons. "Ich kann nur an die Vernunft jedes einzelnen appellieren. Selbst ein ärztliches Attest, wie es z. B. in Italien von den Läufern verlangt wird, würde nichts bringen, da dies zum Startzeitpunkt bereits wieder veraltet wäre."

Welchen medizinischen Risiken sich Läufer aussetzen, die zu legalen oder illegalen Substanzen greifen, weiß Manfred Wonisch, Kardiologe und ärztlicher Leiter der Internen Abteilung des Hartmannspitals in Wien. "Schmerz hat eine Funktion, ist ein Warnsignal des Körpers. Wird dieses durch ein Medikament unterdrückt, wird es gefährlich." Viele Medikamente hätten Auswirkungen auf die Nierenfunktion und das Herz-Kreislaufsystem und alle würden, auch wenn man zuvor noch nie ein Problem hatte, einen plötzlichen Herztod auslösen können.

Leichtathletiktrainer Wilhelm Lilge appelliert: "Wer ein Schmerzmittel wegen eines gesundheitlichen Problems nehmen muss, sollte sowieso auf keinen Fall bei einer Extrembelastung, wie es ein Marathon immer ist, starten. Er darf nur im absolut gesundem Zustand bestritten werden!"

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