Die Zahnärzte als Selbstdarsteller
Wenn man in Innsbruck einen auf Zahnregulierung spezialisierten Zahnarzt für sein Kind sucht und "Zahnspange" googelt, sticht einem automatisch Dr. S. ins Auge. Auch wer einen Kieferorthopäden braucht und diesen Begriff im Internet eingibt, erhält als ersten Eintrag automatisch Dr. S.
"Kontaktieren Sie uns noch heute", steht dann da, und es erscheint ein Foto von zwei kraftvoll in Äpfel beißenden Menschen.
Oder auch von lachenden Kindern, die gar keine Angst vor dem Zahnarzt haben.
Unterlassungsklage
Das ist einem Mitbewerber, einem anderen Innsbrucker Zahnarzt, sauer aufgestoßen. Er meint, der Kollege grabe ihm mit seinen Äpfeln das Wasser ab. Und er klagte Dr. S. auf Unterlassung dieser Werbemasche. Man solle ihm gerichtlich verbieten, auf marktschreierische Art zu werben und den Eindruck einer medizinischen Exklusivität zu erwecken. Insbesondere die gezielte Suchmaschinenoptimierung, die bezahlte Vorreihung und die gekauften Premium-Einträge auf www.google.at sowie www.herold.at. Der Kollege S. habe sich dadurch ganz gezielt einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gesichert.
Tatsächlich ist es allen Ärzten generell untersagt, Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch marktschreierische Darstellung zu betreiben. Darunter fallen auch Fernseh-, Kino- und Plakatwerbung. Zahnärzte durften nicht einmal im Internet werben, es war ihnen nur erlaubt, eine eigene Homepage zu betreiben und dort ganz harmlos auf ihre Leistungen zu verweisen.
Seit 12. Jänner 2016 ist das allerdings anders. Die Werberichtlinien gemäß Zahnärztegesetz wurden reformiert und bieten nun erweiterte Möglichkeiten der Selbstdarstellung und Werbung. Sofern es nicht in "anziehender oder anreizender Weise" erfolgt, dürfen Zahnärzte in Online-Suchmaschinen ihre Stärken herausstreichen. Im druckfrischen Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) zum Streitfall zwischen dem Google-Spitzenreiter Dr. S. und seinem Konkurrenten wird die neue Werberichtlinie bereits dahingehend ausgelegt, dass auch eine bezahlte Vorreihung gestattet ist.
Dr. S. dürfte zwar keine Werbebanner in fremde Webseiten einblenden lassen, für eine bessere Trefferquote bei der Internetsuche sorgen darf er aber sehr wohl. Damit wurde der Unterlassungsantrag des Mitbewerbers abgeschmettert.
Auch der immer beliebter werdende Zusammenschluss von Gewerbebetrieben wie Optikern (siehe Zusatzbericht rechts) oder zahntechnischen Studios mit Ärzten ist der Konkurrenz (bzw. der Ärztekammer) ein Dorn im Auge. Die Gerichte haben hier aber ebenfalls einen Schwenk in Richtung Lockerung gemacht.
Die Beratung über Heilbehelfe und deren (auch gleich nebenan liegenden) Bezugsquellen wird zur "sinnvollen ärztlichen Tätigkeit" gerechnet.
Botox-Diskonter
Nach wie vor verpönt ist freilich die aufdringliche Anpreisung der medizinischen Kunst. Ein Wiener Schönheitschirurg stellte seine Botoxbehandlung quasi bei einem Diskonter in die Auslage. Zwischen Sonderangeboten für Möbel, Bananen und Paradeiser wurde für die ersten 100 Interessenten ein kosmetischer Eingriff zum Rabattpreis angeboten: "Wer schön sein will, muss laufen."
Antwort des OGH: Damit werde die Gesundheit wie jede andere Ware auch dargestellt, obwohl es doch um die Erfüllung hoher ethischer Pflicht gehe. Der Arzt wurde verurteilt, diese Art von Reklame zu unterlassen.
30 Optikern in NÖ war die Verbindung zwischen einem Augenarzt und einem Optiker unter einem Dach in Zistersdorf ein Dorn im Auge. Die Patienten werden dort von Untersuchung über Diagnose bis zum Verkauf von Brillen komplett versorgt. "Ich habe viele ältere Patienten, sie kommen auf Krücken und sollen keine weiten Wege mehr machen müssen", sagt Augenarzt Dr. Maximilian Fengler, der KURIER berichtete.
Die Mitbewerber klagten Arzt und Optiker als "aggressive Ordinationseinheit" wegen unlauterem Wettbewerb: Die Patienten würden in eine Zwangslage gebracht, könnten keine Preisvergleiche anstellen.
Fenglers Wiener Anwalt Martin Neuwirth konnte die Klage in drei Instanzen abschmettern. Der OGH konnte keinen "moralischen Kaufzwang" erkennen.
Allerdings hatten die Konkurrenten einen Detektiv in die Ordination eingeschleust. Der will gehört haben, dass die Ordinationshilfe die Patienten direkt zum Optiker geschickt habe. Auch damit blitzten die Kläger ab. Das Oberlandesgericht sagt, die Nennung von Bezugsquellen im Zusammenhang mit der eigenen Leistung ist zulässig, sofern keine Beeinflussung vorliegt.
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