Die Strahlkraft des "Hass-Predigers" aus dem Gefängnis

Der Prediger Ebu Tejma wurde in Wien verhaftet, gleichzeitig verschwand eine Familie Richtung Syrien.
Obwohl er in Haft sitzt, erfreuen sich Anhänger über 4500 Videos von Ebu Tejma. Es finden sich immer wieder Gefolgsleute, die einen "Gottesstaat" aufbauen wollen.

Einen Tag nach der Großrazzia gegen 14 mutmaßliche Dschihadisten in Graz und Wien steht eines fest: Die Strahlkraft ihres obersten Hass-Predigers Mirsad O. alias Ebu Tejma wirkt auch noch aus der Gefangenschaft.

Obwohl die schillerndste Figur der österreichischen Salafisten-Szene im Juli 2016 in erster Instanz zu 20 Jahren Haft verurteilt und weggesperrt wurde, bilden sich immer neue Gruppierungen, die das radikale Erbe des 36-Jährigen antreten wollen.

Den am Donnerstag festgenommenen 14 Personen wird von den Ermittlern vorgeworfen, am Aufbau eines Gottesstaates gearbeitet und dafür Mitglieder angeworben zu haben. Gegen die elf Männer und drei Frauen wird daher nicht nur wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung (IS) ermittelt, sondern auch wegen staatsfeindlicher Verbindung. Eine unmittelbare Beziehung zwischen der Gruppe und Mirsad O. soll es laut Staatsanwaltschaft nicht gegeben haben.

Muss es auch nicht. Noch immer wird täglich ein neues Video des Hass-Predigers auf Plattformen wie YouTube hochgeladen. Rund 4500 Filme von ihm und über ihn findet man aktuell im Internet.

Hardcore-Crashkurs

Jener Grazer Richter, der im Vorjahr den Prozess gegen Mirsad O. leitete, kommentiert das Videomaterial so: "Das hört sich an wie ein Hardcore-Crashkurs einer Eliteeinheit." Ein Auszug davon: "Damit ihr die Feinde Allahs vertreiben könnt (...) Bereite dich vor, schreib dich ein in einen Schießkurs (...)." Dazu Handlungsanleitungen: Was mache ich mit Gefangenen, wie bete ich im Kampf, wie sammle ich die Stücke eines Bruders ein, den eine Granate auseinanderreißt?

Dass diese bedenklichen Inhalte gerade für junge, leicht zu beeinflussende Menschen immer noch im Netz abrufbar sind, sehen Polizei und Justiz als großes Problem. Die Inhalte im Internet zu löschen ist nur schwer möglich, kritisiert Christian Pilnacek aus dem Justizministerium. Innenminister Wolfgang Sobotka fordert eine Art Selbstkontrolle der Plattformen. Doch das ist gar nicht so einfach: Wo hört die Meinungsfreiheit auf und wo beginnt die Zensur? Wo beginnt der bedenkliche Inhalt genau?

Meinungsfreiheit

Selbst im Prozess war es nicht einfach, Mirsad O. den Aufruf zum Dschihad nachzuweisen. "Es sind nur Passagen seiner Reden", sagt Pilnacek. Diese wurden genauestens seziert und dann angeklagt. Doch was das Gericht hier strafwürdig findet, kann YouTube als Meinungsfreiheit ansehen.

Islamismus-Experte Guido Steinberg hat die Reden und Predigten von Mirsad O. als Gerichtsgutachter untersucht. "Exkommunizierung und Heiliger Krieg durchzieht seine Predigten", bewertet Steinberg. "Es gibt eine deutliche Zustimmung zu El Kaida und den Vorläufern des IS. Er wirbt für den bewaffneten Kampf."

Um zu verhindern, dass der 36-Jährige aus der Haft heraus weiter die Fäden zieht, steht der Häftling laut Josef Schmoll von der Justiz-Generaldirektion unter besonderer Beobachtung. Er befindet sich in Einzelhaft. "Es werden vermehrt Durchsuchungen der Zelle durchgeführt. Auch die Besuche werden überwacht. Wir schauen natürlich, wer kommt und sind diesbezüglich mit dem Verfassungsschutz in Kontakt", sagt Schmoll.

Im Netz predigt Mirsad O. unterdessen weiter.

Auch für den 17-jährigen Terrorverdächtigen Lorenz K. war der Hass-Prediger Mirsad O. eine Art Vorbild. Am Freitag wurden weitere Details der polizeilichen Ermittlungen gegen den in Niederösterreich aufgewachsenen Teenager bekannt.

Lorenz K., der unter den Rufnamen "Abou-Chaker" und "Sabur Ibn Gharib" auftrat, wird nicht nur die Beteiligung an einer terroristischen Organisation, sondern auch die Aufforderung zu terroristischen Straftaten und die Anleitung einer solchen vorgeworfen.

Konkret soll er im Sommer und Herbst 2016 über den Kommunikationsdienst "Telegram" Anleitungen zum Bau einer "Nagelbombe unter Verwendung von Gegenständen des täglichen Lebens" auf sein Mobiltelefon heruntergeladen haben. Ziel sei ein Anschlag auf eine Einrichtung des Militärs oder der Polizei in Deutschland gewesen. Anfang Dezember soll er zusammen mit dem in Nordrhein-Westfalen festgenommenen Kevin T. (21) eine Nagelbombe gebastelt und testweise in Deutschland hochgehen haben lassen.

12-jähriger Bomber

Der Verfassungsschutz hat Beweise, wonach Lorenz K. die Anleitungen zu der "Selfmade-Bombe" via dem Chatprogramm "WhatsApp" und dem Nachrichtendienst "Telegram" an sein bekanntes Netzwerk blutjunger Salafisten weitergeleitet haben soll. Dieser Vorwurf birgt besondere Brisanz, da zu dieser Gruppe auch der 12-jährige "Irhab" gezählt hat. Der halbwüchsige Deutsch-Iraker wollte daraufhin zwei Terroranschläge auf den Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen verüben. Er hatte ein mit Schwarzpulver gefülltes und mit Nägeln präpariertes Konservenglas in einem Rucksack am Adventmarkt deponiert. Der vermeintliche Sprengsatz wurde jedoch rechtzeitig entdeckt.

In Wien soll Lorenz K. mit dem 12-jährigen Erol E., alias "Abu Mujahid al Maqedoni" über einen möglichen Anschlag unter Verwendung von Kalaschnikows kommuniziert haben.

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