Die Schwachstellen beim Gewaltschutz für Frauen

Die Schwachstellen beim Gewaltschutz für Frauen
Männer werden nach Gewalttaten alleingelassen – aus Datenschutzgründen. Frauen müssen nach Anzeigen um ihre Existenz bangen

Jede fünfte Frau wird Opfer von Gewalt – die Zahl ist nicht neu. Doch die fünf Morde an Frauen seit Jahresbeginn in Österreich lassen auch die Politik tätig werden. Gestern lud die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) zum parlamentarischen Dialog. Und hierbei wurden konkrete Schwachstellen angesprochen.

- Datenschutz vs. Täterarbeit: Spricht die Polizei eine Wegweisung aus, werden die Daten des Opfers sofort an eine Hilfseinrichtung weitergereicht. Der Täter bekommt einen Zettel mit seinen Rechten und Pflichten und einer Telefonnummer, wo er sich selbst Hilfe suchen kann. „Mit den Männern beschäftigt sich danach keiner“, sagt Alexander Haydn von der Männerberatung. Dabei wäre es wichtig, den Täter sofort zu kontaktieren – das scheitert aber am Datenschutz. „Dadurch könnten wir auch eine rasche Risikoeinschätzung vornehmen“, sagt Haydn.

Im jüngsten Mordfall in Tulln sollte der mutmaßliche Täter nach einer Wegweisung ein Anti-Gewalt-Training absolvieren – das scheiterte aber an den Sprachkenntnissen. Derartige Therapien werden nur in Deutsch angeboten. Eine psychologische Betreuung nach allen Fällen häuslicher Gewalt ist aber nicht nur eine Geldfrage – es fehlen auch Psychologen.

Spürbare Sanktionen seien für Täter extrem wichtig. „Täter gehen lachend aus dem Gericht“, sagt Kerstin Schinnerl von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Behördlich bekannte Täter würden oft nur auf freiem Fuß angezeigt. „Betretungsverbote reichen nicht aus. In extremen Fällen muss auch U-Haft möglich sein.“

Die Schwachstellen beim Gewaltschutz für Frauen

Bures lud zum parlamentarischen Dialog

- Verurteilungsquote zehn Prozent: „Staatsanwälte und Richter brauchen für die Beurteilung häuslicher Gewalt entsprechende Schulungen“, sagt die juristische Prozessbegleiterin Sonja Aziz. So gebe es aktuell für Richter gar keine entsprechende Fortbildungsmöglichkeit, und zu wenige Staatsanwälte seien darauf spezialisiert. Nicht immer werden die Opfer von der Staatsanwaltschaft befragt, selten das soziale Umfeld – also zum Beispiel Nachbarn. „So kommt es schnell zur Einstellung von Verfahren“, sagt Aziz. Die Richter sehen ein anderes Problem: Oft verweigern Opfer die Aussage – weil der Täter ein naher Angehöriger ist. „Wir nutzen jetzt vermehrt kontradiktorische Vernehmungen. Das hat den Vorteil, dass das Opfer bei einer Verhandlung nicht mehr aussagen muss und das Gesagte auch dann verwendet werden kann, wenn sich das Opfer später einer Aussage entschlägt“, sagt Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts für Strafsachen in Wien.

- Existenzangst: Eine Anzeige gegen den Partner hat für Frauen oft auch finanzielle Folgen. „Frauen haben Angst, die Wohnung zu verlieren, keine Unterhaltszahlungen mehr zu bekommen. Wie soll eine Alleinerzieherin bei einem 12-Stunden-Tag ohne Kinderbetreuung den Alltag meistern?“, fragt sich Kriminologin Katharina Beclin. Auch Doris Bures drängt darauf, dass in solchen Fällen der Staat für Unterhaltszahlungen einspringt.

- Länderkompetenzen: Wenn Frauen akut bedroht sind und Unterschlupf im Frauenhaus suchen, ist eine Unterbringung in einem anderen Bundesland oft problematisch. Manche Bundesländer wollen nicht für Frauen aus anderen Bundesländern zahlen.

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