Die große Schnee(un)sicherheit

Seit dem 4. Dezember 2015 ist die neue, länderübergreifende 10-Personen-Einseilumlaufbahn "TirolS" in Betrieb und verbindet damit den Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang und das benachbarte Fieberbrunn zum größten zusammenhängenden Skigebiet Österreichs. Mit einem "Big White Bang" auf dem Reiterkogel wurde die neue Bahn am 19. Dezember offiziell eröffnet. Mehr als 1000 Gäste waren der exklusiven Einladung zu Österreichs höchstgelegener Polsterschlacht gefolgt.
Unter den heimischen Skigebieten läuft ein schleichender Verdrängungswettbewerb. Klimawandel und Kostenspirale setzen vor allem den kleinen zu.

Es sind gewaltige Summen, die von der österreichischen Seilbahnwirtschaft Jahr für Jahr in die heimischen Skigebiete gepumpt werden. Allein vor dem heurigen Winter beliefen sich die Investitionen auf 570 Millionen Euro. Nach den Ausgaben für Bahnen und Lifte sind jene für die Beschneiung der größte Brocken: 154 Millionen Euro 2015 und 800 Millionen Euro seit dem Jahr 2008 ließen sich die heimischen Bergbahnen die vermeintliche Schneesicherheit kosten.

Die rund 20.000 über das Land verteilten Schneekanonen und -lanzen waren heuer besonders gefordert. Und nach dem bisher extrem warmen und schneearmen Winter geht der Innsbrucker Tourismusforscher Robert Steiger von der Universität Innsbruck davon aus, dass "wir wieder eine Welle von Investitionen in die Beschneiung sehen werden. Das war ein Testwinter, der gezeigt hat, wer gut aufgestellt ist und wer nicht."

Doch der Wissenschaftler ist überzeugt: "Die enormen Investitionen in Lifte und Beschneiungen zahlen sich zum Teil nicht mehr aus." Die Zahl der Skifahrer in den Alpen ist stagnierend bis rückläufig, der Markt umkämpft – auch zwischen den heimischen Skigebieten. "Der Verdrängungswettbewerb findet bereits statt. Er ist nur noch nicht gut sichtbar", sagt Steiger. Denn noch werden Skigebiete, die in wirtschaftliche Turbulenzen geraten, oft von der öffentlichen Hand aufgefangen.

Knappe Kassen

"Aber wir werden eine Verkleinerung des Angebots sehen", erklärt der Forscher. Denn nicht zuletzt das Aufbäumen gegen den Klimawandel mit immer noch leistungsstärkeren Beschneiungsanlagen ist nicht für alle Skigebiete zu stemmen, selbst wenn sie von Gemeinden gestützt werden. Auch bei denen wird das Geld nämlich immer knapper, das Halten von sogenannten Bürgermeister-Liften schwieriger.

Rund 40 Millionen Euro will nichtsdestotrotz die Stadt Innsbruck in die Hand nehmen, um den Liftbetrieb am Hausberg Patscherkofel aufrecht zu erhalten. ÖSV-Präsident und Unternehmer Peter Schröcksnadel wollte das unrentable Skigebiet nicht mehr betreiben.

Derartige Investitionen sind nicht zuletzt wegen der noch nicht absehbaren Folgen des Klimawandels (siehe unten) kritisch zu hinterfragen. "In 30 Jahren wird in Österreich noch Ski gefahren. Die Frage ist nur, wo es noch möglich sein wird und zu welchem Preis" sagt Steiger zu diesem Thema.

Der Versuch, das Beschneiungsnetz immer dichter zu knüpfen, treibt indes zunehmend bizarre Blüten. "Die Speicherteiche für Beschneiungsanlage wandern immer weiter nach oben. Inzwischen werden Pisten schon bis auf über 3000 Metern beschneit", sagt Tirols Landesumweltanwalt Johannes Kostenzer.

Er ist immer wieder mit den Auswirkungen eines zweiten Trends konfrontiert, der aus dem verschärften Wettbewerb resultiert: dem Zusammenschluss von Skigebieten. "Sie können funktionieren, ohne dass die Natur auf der Strecke bleibt", sagt der Umweltanwalt und nennt dabei das Andocken der Bergbahnen Fieberbrunn in Tirol an den Salzburger Skicircus Saalbach-Hinterglemm als positives Beispiel. Gegen eine weitere geplante Fusion zwischen Kappl im Paznauntal und St. Anton am Arlberg hat Kostenzer zuletzt Einspruch erhoben, weil ein unberührtes Tal erschlossen würde.

Kilometer sammeln

Immer mehr Zwerge suchen ihr Heil in Fusionen. Die Zahl der Pistenkilometer ist das Hauptkriterium bei der Destinationswahl der Urlauber, wird Franz Hörl, Sprecher der österreichischen Seilbahner, nicht müde zu betonen. Angesichts der immer wieder aufkeimenden Diskussionen um die Zukunft des Wintertourismus und der Mittel, um ihn am Laufen zu halten, meint Hörl drastisch: "Ja, sollen wir uns umbringen, nur weil ein paar Grüne wollen, dass wir zusperren?" Zu wichtig sei der Skitourismus für die österreichische Wirtschaft. 900 Millionen Euro würde allein ein Saisonstart ohne Schnee an Umsatzausfall bedeuten (siehe Info unten).

Mit dem Beginn der Semesterferien in Wien und Niederösterreich an diesem Wochenende ist auch der Startschuss für eine Aufholjagd gefallen. Die über weite Strecken alles andere als winterlichen Bedingungen im Dezember und Jänner haben dem Wintertourismus Einbußen beschwert. Zu lange prägten weiße Kunstschneestreifen auf grünen Hängen das Bild.

Doch pünktlich zu den Semesterferien sind die heimischen Berge angezuckert. Heute soll eine Kaltfront sogar noch mehr Schnee bringen. Die nächste Warmfront steht aber bereits vor der Tür und wird frühlingshafte Temperaturen, bis zu 16 Grad am Montag und bis zu 15 Grad am Dienstag, bescheren.Am Mittwoch ist dann wieder mit Schneefällen zu rechnen. Skifahrer bekommen also erneut Nachschub. Die Woche ist allerdings insgesamt von sehr wechselhaften Bedingungen geprägt. Einen täglichen aktualisierten Überblick über regionale Schneehöhen bietet seit Neuem die ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) in Form einer eingefärbten Österreich-Karte.

Klimawandel

Dennoch ist nicht alles eitel Wonne. Die laufende Wintersaison ist bereits die dritte in Folge, in der die Branche mit warmen Temperaturen und verspäteten Schneefällen zu kämpfen hat. Ubimet-Meteorologe Josef Lukas hat dazu kürzlich im KURIER gemeint: „Die Winter beginnen später und enden früher. Das hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt.“ Das sei letztlich die Fortsetzung eines Trends, „der schon in den 1980er-Jahren begonnen hat: Die langsame Temperaturerhöhung in den Alpen“.

Doch welche Auswirkungen das letztlich auf die Zukunft der heimischen Skigebiete haben wird, ist umstritten. Nicht zuletzt, weil die Schneesicherheit eines Wintersportzentrums nicht alleine von der Höhe bestimmt wird, sondern auch von einer Reihe weiterer Faktoren.

Der Österreichische Skiverband (ÖSV) und die heimische Seilbahnbranche haben sich zuletzt mit zwei Studien Mut zugesprochen. In der von steiner+partner für den ÖSV erstellten Untersuchung heißt es etwas: „Nach neueren Berechnungen ist mit gegebenen Stand und üblichem Einsatz technologischer Möglichkeiten die derzeitige Situation in der Periode von 2011 bis 2040 weitgehend gesichert.“

Die Liftunternehmer ziehen ihren Optimismus hingegen aus einer Studie des Tourismusforschers Günther Aigner. Der wertete Temperatur-Messreihen von zehn Bergstationen seit 1970 aus und kam zum Schluss, dass „die Winter auf Österreichs Bergen in den letzten 30 Jahren kälter geworden sind.“ Allerdings nur am Gipfel.

Wenn Frau Holle indisponiert ist, springt Michael Bacher ein. So könnte man das Geschäftsmodell des 40-jährigen Wissenschaftlers wohl zusammenfassen. Denn Bacher stellt Schnee her. Keine Eiskörnchen, wie sie aus konventionellen Schneekanonen geblasen werden, sondern feinen Pulverschnee, der jenem aus der Natur erstaunlich nahekommt.

Seit Winter 2014 läuft in Obergurgl, Tirol, der Testbetrieb. 2017 könnte der erste Schnee tatsächlich auf den Pisten landen – und ganz nebenbei den Wintersport revolutionieren.

Die Idee dahinter ist so genial wie logisch. In einer künstlichen Wolke entstehen Schneekristalle – genauso, wie sie in der Atmosphäre wachsen. „Im Inneren unserer Wolkenkammer wird ein Zyklon erzeugt, in den mittels Düsen Druckluft und Wassertröpfchen gesprüht werden“, erklärt Bacher, der seit 2009 zum Thema Schnee-Erzeugung forscht und 2014 mit drei Kollegen die Firma Neuschnee gegründet hat.

Die Druckluft expandiert und kühlt ab, die Wassertröpfchen gefrieren zu kleinen Eisplättchen. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit in der Kammer lagern sich weitere Wassermoleküle an den Eiskeimen an und das Kristallwachstum beginnt. „Die Schneekristalle sinken nach unten und lagern sich am Behälterboden ab.“

Die Vorteile sind beachtlich. „Mit unserem Testgerät verbrauchen wir in zwei Tagen nur drei Kilowattstunden Strom“, sagt der Wintermacher. „Eine normale Schneekanone braucht diese Menge in zehn Minuten.“ Auch der Wasserverbrauch fällt geringer aus. Statt 20 Kubikmeter Wasser pro Stunde wie herkömmliche Kanonen brauche die Wolkenkammer lediglich einen. Der Nachteil: Es braucht Minusgrade und es wird (noch) weniger Schnee hergestellt. „Mit der Anlage werden wir fünf Kubikmeter Schnee pro Stunde produzieren, wir wollen aber auf zehn bis 12 kommen.“

Spaß auf der Piste

Sein Ziel hat sich der Neuschnee-Chef hoch gesteckt: „Wir wollen den natürlichen Schnee zurück ins Skigebiet bringen.“ Und damit auch den Spaß. Denn statt harten „technischen Schnee“ könnte Powder auf den Pisten Einzug halten und den Sportlern das bieten, was sie derzeit abseits präparierter Hänge suchen: Tiefschnee.

Die Wintertouristiker verfolgen das Projekt jedenfalls genau, können sie mit der Technik doch Ressourcen schonen und Betriebskosten sparen. Bis zum Sommer sollen Forschung und Entwicklung weiterlaufen. Bis dahin will Bacher mit Investoren ins Geschäft kommen. „Nächsten Winter wollen wir das Gerät in den laufenden Betrieb einbinden.“ Nun muss noch eine mobile Wolkenkammer entwickelt werden, die die Hänge in der Nacht beschneien kann.

Pisten: Österreichs Skigebiete umfassen 23.000 Hektar Pistenfläche. 60 Prozent davon sind beschneibar.

Beschneiung: Aus 420 Speicherteichen werden inzwischen rund 20.000 Schneekanonen gespeist.

Lifte: 1098 Seilbahnen und 1850 Schlepplifte werden heute betrieben.

Gäste: Im vergangenen Winter wurden 595 Millionen Personen auf den Berg befördert.

Auswahl: Laut Umfragen ist für Gäste die Größe des Skigebiets das wichtigste Kriterium bei der Wahl des Skigebiets. Es folgen Pistenqualität und die Schneesicherheit.

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