Der höchste Arbeitsplatz des Landes
"Das ist ein ganz normaler Arbeitstag", beteuert Peter Luef. Sagt’s, legt den Klettergurt an und lässt sich zu seinem so ganz und gar nicht gewöhnlichen Arbeitsplatz bringen: Der liegt an diesem Tag in 150 Meter Höhe - der 32-Jährige ist einer jener zehn Männer, die den Kamin stillgelegten Ölkraftwerks in Werndorf zerlegen.
2014 hat die Verbundgesellschaft Werndorf in der Nähe von Graz stillgelegt, es war das letzte Ölkraftwerk des Konzerns. Sprengen ist aufgrund der Lage nicht möglich, Autobahn, Stromleitungen, Wohnhäuser wären gefährdet. Der Rückbau kostet rund eine Million Euro, wobei man schätzt, dass die Verwertung der Stahlteile einige hunderttausend Euro zurückbringen wird.
Noch nie in Österreich
Im September will die Weizer Abbruch- und Recycling-Firma FMD den Kamin vollständig abgebaut haben. "Wir filetieren ihn von oben nach unten", beschreibt Projektleiter Philipp Premm. So simpel das klingt, so aufwendig ist das Projekt: Der Kran, mit dem die Arbeiter nach oben gebracht werden, misst 189 Meter. "In dieser Konfiguration war er zuvor noch nie in Österreich im Einsatz, nur einmal in Spanien", beschreibt Premm.
Dieser Kran wiegt 1000 Tonnen, seine einzelnen Teile wurden in 40 Lkw-Ladungen in die Steiermark gebracht. Um ihn überhaupt aufstellen zu können, musste der Boden verdichtet werden. "Die Anforderungen sind höher als bei einer Autobahn", vergleicht Premm.
In einem Korb geht es an die Spitze des Kamins, so einer, wie man ihn von der Fensterreinigung an hohen Gebäuden kennt. Die Fahrt im Krankorb dauert knapp vier Minuten, dann muss Luef auf eine Plattform umsteigen. Doppelt gesichert mit Gurt geht es an die Arbeit: Luef ist Dachdecker und Spengler, mit einem Schneidbrenner wird der Mast durchtrennt. "In der Höhe arbeite ich zum ersten Mal", betont der 32-Jährige, zuvor waren 85 Meter sein Maximum.
Absolut schwindelfrei
Höhenzulage gibt es für die Facharbeiter, die sich diese Tätigkeit zutrauen. "Ums Geld geht’s da aber gar nicht", versichert Luef. "Das Interessante ist einfach der Arbeitsplatz." Um zu testen, ob ein Bewerber geeignet ist, lässt ihn Firmenchef Peter Eibisberger ganz nach oben fahren. "Manche sagen dann gleich, ,Danke, nein, geht nicht’." Absolut schwindelfrei zu sein und keine Angst vor großen Höhen zu haben sind ein Muss bei dem Job.
Ein Muss ist auch die Sicherheit. Ein Industriekletterer steht bereit, um Arbeiter im Ernstfall bergen zu können. Täglich lässt sich Projektleiter Premm Wetterberichte der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik geben. "Diese Arbeit ist witterungsabhängig. Zu starker Wind geht gar nicht." Ab 30 km/h Windgeschwindigkeit ist dieser Job nicht möglich. Sollte Sturm aufkommen, gibt es ein Notfallszenario: Die Fläche ist groß genug, um den Arm des Raupenkrans auf den Boden legen zu können, doch allein das dauert rund vier Stunden.
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