Datenchaos in der Causa BUWOG: "Massive Verletzung der Waffengleichheit"

Ex-Finanzminister Grasser steht in zwölf Tagen vor Gericht
Namhafter IT-Experte wirft der Staatsanwaltschaft vor, sichergestellte Datensätze zweier Strafverfahren vermengt zu haben. Grassers Verteidiger üben scharfe Kritik.

Wenige Tage vor Beginn des BUWOG-Prozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser steht die Anklagebehörde im Verdacht des fahrlässigen Umgangs mit beschlagnahmten Datensätzen. Am 20. Juli 2017 hat die Staatsanwaltschaft Wien die Forensikfirma des IT-Experten Andreas Wruhs ersucht, bestimmte, sichergestellte Datensätze und Beschlagnahmeprotokolle (21 Ordnungsnummern) aus dem Ermittlungsverfahren gegen den früheren Immofinanz-Chef Karl Petrikovics zur Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen. Grund ist ein entsprechender Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Wien.

Dazu muss man wissen, dass gegen Petrikovics im Immofinanz-Verfahren ermittelt wird, im BUWOG-Verfahren ist er einer der Angeklagten. Außerdem muss man wissen, dass ein Strafakt vollständig sein muss. "Wenn es einen Datensatz gibt, der für beide Verfahren relevant ist, muss er in beide Akten aufgenommen werden", sagt ein namhafter Wiener Top-Jurist zum KURIER.

300 Terabyte

Mitte Oktober teilte der IT-Forensiker der Staatsanwaltschaft Wien mit, dass die angeforderten Aktenteile zwei getrennten Verfahren betreffen – nämlich Immofinanz und BUWOG. Er habe nur einen Auftrag in der Causa Immofinanz. Die Datenmenge (300 Terabyte) habe er in das "Suchportal Immofinanz" integriert.

"Es wurden immer wieder Daten von der Staatsanwaltschaft, der Polizei und vom Buchsachverständigen zur Verfügung gestellt, die in das Suchportal eingearbeitet wurden – sowohl zur Causa Immofinanz als auch zur BUWOG", schreibt der IT-Experte. Die Ermittler sollen zu beiden Verfahren in diesem Datenwust recherchiert haben. "Die Daten wurden aber nicht nach Verfahren getrennt, was gesetzlich erforderlich gewesen wäre", hält Wruhs fest. Er habe die Anklagebehörde "schon vor Jahren aufmerksam gemacht", dass er im Fall BUWOG von ihr nicht beauftragt wurde.

Thema Transparenz

"Es müssen alle Daten, auf die sich die Staatsanwaltschaft stützt, im Strafakt vorhanden sein. Wir wissen aber nicht, über welche Daten die Staatsanwaltschaft tatsächlich verfügt, weil wir den gesamten sichergestellten Datensatz gar nicht kennen", heißt es dazu aus der Kanzlei Ainedter & Ainedter, die Grasser vertritt. "Das kann auch nicht mehr überprüft werden, weil nach Angaben des IT-Dienstleisters diese Datensätze nicht sauber getrennt wurden." Nachsatz: "Hier fehlt jede Transparenz. Das ist eine massive Verletzung der Waffengleichheit mangels Aktenvollständigkeit zum Nachteil der Beschuldigten und der Verteidigung."

Alles ganz anders

Indes weist die Anklagebehörde laut Aktenlage den Vorwurf zurück. Eine Datentrennung sei gesetzlich nicht erforderlich. Das OLG Wien habe laut Staatsanwaltschaft nur die Zurverfügungstellung bestimmte beschlagnahmter Unterlagen angeordnet, aber "nicht die des Gesamtdatenbestandes".

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