Das vergessene Tagebuch im Kriminalfall Dr. L.

Dr. L. vor Gericht
Berufung: Staatsanwalt bekämpft Freispruch für steirischen Arzt, der Kinder gequält haben soll.

Auf 42 Seiten Berufung zerpflückt die Staatsanwaltschaft Graz jetzt den im Herbst 2017 gefällten Freispruch des Grazer Richters Andreas Rom für den steirischen Arzt Dr. Eduard L. Darin ist von "durchwegs überspitzten, unsachlich tendenziösen, teils sogar beleidigenden Formulieren in Bezug auf das Erscheinungsbild und Auftreten der Opfer und Zeugen" die Rede. Das erwecke den Eindruck, der Richter habe die Beweiswürdigung bewusst nur in eine "vordefinierte Richtung lenken wollen."

Der Allgemeinmediziner Eduard L. soll seine vier (inzwischen erwachsenen) Kinder jahrelang gequält, zum Teil drogenabhängig gemacht und sie dadurch psychisch schwer geschädigt haben. Richter Rom befand die mutmaßlichen Opfer als unglaubwürdig ("eiskalt kalkulierend", "theaterreif"), erkannte den Aussagen des Angeklagten aber Beweiskraft zu. Dabei hatte dieser selbst einige Punkte der Anklage zugegeben.

Entscheidende Bedeutung wird im Berufungsverfahren dem im Prozess nicht beachteten Tagebuch der Tochter Madlen zukommen. Staatsanwalt Christian Kroschl fordert die Beischaffung. Die Aufzeichnungen wurden handschriftlich im Tatzeitraum während der aufrechten (mittlerweile geschiedenen) Ehe der Eltern erstellt und könnten daher nicht Ausfluss der vom Richter als "verspäteter Rosenkrieg" titulierten angeblichen Abrechnung der Familie mit dem Angeklagten sein. Madlen L. beschreibt in dem Tagebuch die Selbstverstümmelungen und Suizidversuche des Vaters sowie seinen Umgang mit Drogen.

"Volldicht"

Auch verschriftete Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen zwischen dem Ehepaar L. blieben im Prozess unberücksichtigt. Der Arzt gibt darin zu, sich Morphium zu spritzen, "voll dicht" bzw. "eingespritzt" in die Ordination zu gehen und von zwei Kindern verlangt zu haben, ihm Injektionen zu verabreichen. Für Richter Rom nur Erfindungen, Übertreibungen, "eine Seifenoper".

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