Das Geschäft mit dem Risiko
Heute vor genau einem Jahr wurde der niederländische Prinz Friso, 44, von einer Lawine verschüttet. Er liegt seither im Koma. Sein Begleiter hatte im Gegensatz zum Prinzen einen Lawinen-Rucksack mit – und blieb heil. Freilich, auf diese Werbung hätte die Sportartikel-Branche gerne verzichtet.
Patrick Nairz vom Tiroler Lawinenwarndienst will die Kirche im Dorf lassen: „Das ist wie in allen Lebensbereichen“, sagt er. Je sicherer etwa ein Auto sei, desto schneller werde damit gefahren. Psychologen nennen das Risikokompensation. Nairz regt an, das Thema differenzierter zu sehen: Obwohl fast zehn Mal so viele Personen als vor 20 Jahren im freien Gelände unterwegs seien, blieben die Unfallzahlen „relativ konstant“.
Müsli-Effekt
Die Idee hinter den mehrere Hundert Euro teuren Airbags: Die aufgeblasenen Pölster erhöhen das Volumen des Skifahrers. Dann setzt eine inverse Segregation, auch Müsli-Effekt genannt, ein. Wie in einer Müsli-Packung rutschen kleine Bestandteile nach unten, die großen bleiben oben (siehe Grafik). Im Ernstfall kann das Leben retten. Im Jahr 1985 hat die deutsche Firma ABS das erste Modell vorgestellt: „Wir sind heuer so gut wie ausverkauft“, sagt Katja Töbelmann von ABS. In Zahlen: 20.000 Stück sind weg. Der Schweizer Konkurrent Mammut mischt derzeit den Markt auf. Die Rucksack-Produktion wurde verdoppelt. Die Airbags sind aber keine Lebensversicherung. Wer in einer Mulde von einer Lawine erwischt oder vom Schnee gegen einen Felsen geschleudert wird, hat vom Airbag nichts. Und für alle Geräte gilt: Der richtige Umgang ist der Schlüssel.
Für Würtele und Nairz ist die Ausrüstung eine Seite der Medaille: Das richtige Verhalten, um erst gar keine Lawine auszulösen, hat für sie Vorrang. Der Zauberbegriff dazu lautet „Risikomanagement“. Nairz sagt: „Es gibt eine große Bereitschaft, sich zu informieren.“ Die Zugriffe auf die Website des Lawinenwarndienstes seien gestiegen. Schulungen und Apps finden Anklang.
Nicht zuletzt denken auch Touristiker um. In den Stubaier Gletschern wurde das „Powder Department“ (siehe rechts) eröffnet. Infos erleichtern es Freeridern, das Risiko einzuschätzen. Würtele lobt die Initiative. Jeder entscheide selbst, ob er fahren könne. „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie.“
Die Stubaier Gletscher-Bahnen haben ihr Skigebiet ganz auf die wachsende Zielgruppe „Freerider“ ausgerichtet. Nicht nur Lifestyle ist damit verbunden, sondern auch „das Sicherheitsthema“, sagt Alexandra Reinisch von den Bergbahnen. Treffpunkt der „Powder-Fans“ ist der Freeride-Checkpoint am Eisgrat. Vor dem Anschnallen der Skier gibt es geballte Information: Auf einer Tafel wird über die Routen, die Wetter-, Schnee und Lawinen-Situation informiert. LVS-Geräte (Lawinenverschüttetensuchgeräte), können gecheckt werden. Zu den elf Routen kann man sich Tipps, Bilder, Skizzen herunterladen und über Gefahrenquellen informieren. Überdies gibt es GPS-Tracks fürs Handy: Sie funktionieren wie ein elektronischer Kompass. Damit lässt sich kontrollieren, ob man noch auf der Route ist. Außerdem werden LVS-Trainings und Lawinencamps angeboten.
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