Brenner-Kontrollen wie zu alten Zeiten: "Wir haben von der Grenze gelebt"
Von vielen Häusern bröckelt die Fassade. Doch einen Schönheitspreis hätte der Grenzort Brenner auf dem gleichnamigen Pass zwischen Österreich und Italien auch in der Vergangenheit nie gewonnen. Vor 18 Jahren haben Süd- und Nordtiroler hier auf 1370 Metern Höhe das Ende der Kontrollen gefeiert. Jene Grenze, die nach dem Ende des ersten Weltkriegs das historische Tirol in zwei Teile zerrissen hat, wurde durch den Schengen-Beitritt Österreichs am 1. April 1998 und den Abbau der Schranken praktisch unsichtbar.
"Wir haben uns alle gefreut, als der Schlagbaum gefallen ist", erinnert sich Franz Kompatscher, Bürgermeister der Südtiroler Gemeinde Brenner, an das historische Ereignis. Dafür, dass Österreich am Pass wieder Grenzkontrollen einführt, hat er Verständnis: "Aber es ist traurig, wenn es so weit kommt", sagt der 59-Jährige.
Gleichzeitig fiel die wichtigste Wirtschaftsgrundlage weg: Die italienische Lira hatte eine Vielzahl von Waren billiger gemacht. Und manche Dinge, die es früher nur in Italien gab, erhält man heute in jedem Einkaufszentrum.
Volkssport Schmuggel
Der Brenner, das war über Jahrzehnte für Tausende Tiroler der Ort, an dem der Adria-Urlaub emotional begonnen hat. Das italienische Lebensgefühl, das am Meer aufgesaugt wurde, konnte man mit einem Ausflug auf den Brenner jederzeit wieder aufleben lassen. Und der Schmuggel war ein kleiner Volkssport.
Jeder Tiroler aus dem nahen Großraum Innsbruck, der die Zeit vor dem Grenzfall kennt, hat Erinnerungen wie diese: Der Onkel sitzt mit seiner nagelneuen italienischen Lederjacke vom Markt am Brenner am Steuer. Darunter trägt er noch zwei eben erstandene Pullover, die ihn noch fülliger erscheinen lassen, als er ohnehin ist. Im Kofferraum sind Weinflaschen und Zigaretten unter anderen Einkäufen versteckt.
1,6 Millionen Kunden besuchen das Outlet jährlich. Jene, die von Norden zum Shoppen kommen, werden künftig wohl mit Wartezeiten bei der Heimfahrt rechnen müssen. Um ihr Geschäft zittern Huter und Wild aber nicht: "Staus sind sicher kein Vorteil. Aber wir gehen davon aus, dass das Grenzmanagement sehr professionell abgewickelt wird."
Das Outlet ist der wichtigste Magnet für den Ort. Außerhalb des Zentrums grassiert das Händlersterben. Leere Geschäftslokale reihen sich entlang der Straße aneinander. Fehlende Nachfolge bei den pensionierten Besitzern nennen die einen als Grund. Andere geben dem Outlet-Center die Schuld, dass die Kunden aufgesaugt habe. In dem führt gerade eine Foto-Ausstellung die bewegte Geschichte des Grenzorts vor Augen, der mit der Wiedereinführung der Kontrollen ein weiteres Kapitel angefügt würde.
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