Bodybuilder: Spitzensport ohne Doping ist eine Illusion

Solche Muskeln enstehen nicht nur durch Training (Symbolbild)
Franz K. dopt mit Anabolika für den perfekten Körper - positiv getestet wurde noch nie.

Franz K. ist ein Bär von einem Mann. Er ist ein international erfolgreicher Bodybuilder. Und er gibt offen zu, dass hartes Training allein für so einen Körper nicht reicht. Allerdings anonym. Würde sein echter Name in Zusammenhang mit Anabolika veröffentlicht werden, wäre es das Ende seiner Karriere. "Alle tun es. Aber keiner spricht darüber", sagt er.

Mit 15 Jahren hat Franz K. mit dem Sport begonnen. Und irgendwann stand er vor der Entscheidung: "Wenn du Spitzensportler sein willst, bist du in dem System dabei. Oder du pfeifst auf den Sport", sagt er. Er entschied sich dafür, mit diversen Präparaten nachzuhelfen. Und er sagt: Meiner Meinung nach sollte das Zeug im Spitzensport frei gegeben werden, damit endlich diese Heuchelei aufhört. Glaubt wirklich jemand, dass man mit bis zu 140 km/h die Streif runterfahren kann, ohne etwas zu nehmen, das einen stärker macht?" Dass Spitzensport ohne Doping nicht möglich sei, sehen Experten anders (siehe unten).

Oder wie sein Anwalt Werner Tomanek sagt: "Wenn man neue Rekorde haben will, dann soll man entweder nicht so genau hinschauen oder ehrlich sagen: Das ist einmal so." K.’s Vorschlag: Blutproben bei den Profis nehmen. Aber nicht wegen einer Doping-Kontrolle. "Sondern einfach um zu schauen, ob sich die nicht umbringen von den Blutwerten her."

Dosis macht das Gift

Ab einem gewissen Trainingsvolumen würde Doping den Körper schützen, ist K. überzeugt, entgegen der gängigen medizinischen Lehrmeinung. "Wenn du ein gewisses Trainingslevel überschreitest, würdest du sonst schwere gesundheitliche Schäden davontragen. Die Dosis macht das Gift."

Franz K. wurde bei Wettbewerben niemals positiv auf Anabolika getestet. Ins Visier der Doping-Ermittler der Polizei geriet er dennoch. Er wurde verdächtigt, europaweit Anabolika zu verkaufen. "Die haben gegen ihn ermittelt, als wäre er der Pablo Escobar (kolumbianischer Drogenbaron, Anm.)", sagt Tomanek. "Übrig geblieben ist das, was man einstecken kann in zwei Hosensäcke." Konkret: Nach fünf Wochen in Untersuchungshaft wurde Franz K. zu einer Geldstrafe von 1440 Euro verurteilt. An Bewerben nahm er trotz der Verurteilung teil. "Das interessiert doch keinen. Was hat das mit dem Wettkampf zu tun? Dann hätten wir eine leere Bühne."

Hexenjagd

Für Franz K. waren die Ermittlungen blanker Hohn: "Ich betreibe jahrelang Spitzensport, habe wirklich Erfolge eingefahren für unser Land. Und was ich gekriegt habe, war eine Verfolgung wie bei einer Hexenjagd." Als Bodybuilder habe man keine Lobby, beklagt er. "In Osteuropa werden Bodybuilder gefeiert wie Helden. Bei uns hätten die Leute gerne, dass solche Erfolge ausschließlich von Liegestütze kommen."

Was dem Spitzensportler Sorgen bereitet, ist die fehlende Information. "Das passiert durch die Illegalität, die Tabuisierung. Ärzte kennen sich bei den Präparaten gar nicht aus. Das wäre für sie auch unethisch. Die Dosierungen, die Fitness-Sportler teilweise nehmen – da würde ich mich nicht drübertrauen. Ich weiß, wo meine Grenzen sind und wie viel ich brauche, damit ich die maximale Wirkung und die geringste Nebenwirkung erziele." Doch das reiche nicht. "Um im Sport gut zu sein, muss ich mehr trainieren, besser essen und noch besser arbeiten."

Unwissenheit

Junge Männer, die möglichst rasch Muskeln aufbauen wollen, würden ihre Informationen aus fünfter Hand bekommen. "Wenn ich höre, was die Leute da mischen, stellt es mir die Haare auf. Im Breitensport braucht es da deutlich mehr Kontrolle."

Beliebt seien Prohormone oder Testosteron. "Da wird frei heraus durchprobiert." Durch Wissen und offenes Reden könnte man viel bei Jugendlichen bewirken, ist er überzeugt. "Vorbilder müssen offen sagen dürften: ,Burschen, macht’s das so nicht, das macht euch kaputt.‘" Er selbst, sagt er, könnte durch sein Wissen viel Schaden verhindern. "Aber ich bin eine Persona non grata."

Das sieht auch Tomanek so: "Jemanden zu strafen, der das nimmt, ist absurd. Der, der das industriell in Verkehr setzt im großen Stil, in Studios an Pubertierende verkauft, die noch nie im Leben eine Hantel in der Hand hatten – dagegen muss etwas getan werden."

Der junge Mann wollte mehr. Innerhalb kurzer Zeit baute der Wiener Zoran M. viel Muskelmasse auf. "Mein Sohn hat schon seit Jahren Kraftsport betrieben. Ende 2015 hat er das Fitnessstudio gewechselt, seitdem hat er massiv an Muskeln zugelegt", schilderte seine Mutter. Am 12. Juli 2016 starb Zoran M. im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital. Sein Herz war etwa eineinhalb Mal so groß wie üblich, Ärzte stellten außerdem einen Lungeninfarkt und Nierenversagen fest.

In der Wohnung des Mannes wurden mehrere Präparate sichergestellt, "die bei chronischer Einnahme ausreichender Mengen den Tod zur Folge haben", urteilte der toxikologische Gutachter Karl Dobianer. Bei einem gefundenen Präparat könne relativ leicht eine Überdosierung passieren.

Ein Bekannter des jungen Mannes lieferte der Polizei einen Tipp, woher die Präparate stammen könnten. Es handelte sich um einen jungen Bodybuilder, der in einem Geschäft für Fitness-Nahrung arbeitete. Auch bei zwei weiteren mutmaßlichen Abnehmern soll es zu einem Nierenversagen gekommen sein. Doch nach monatelangen Ermittlungen wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt – es konnte nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei ihm um den Anabolika-Lieferanten handelte und es blieb auch unklar, welches Präparat tödlich gewesen sein ist. "Das Ableben des Kraftsportlers hat keinerlei Zusammenhang mit meinem Mandanten. Es freut uns, dass die Staatsanwaltschaft unseren Argumenten gefolgt ist und das Verfahren rechtskräftig eingestellt hat", erklärt sein Anwalt Philipp Wolm.

Rinderzucht-Mittel

Bei den beschlagnahmten Präparaten aus der Wohnung war alles dabei. Unter anderem Steroide wie Metandienon, Metenolon, Nandrolon, Testosteron oder Trenbolon, das früher als Mastmittel in der Rinderzucht eingesetzt wurde. Weiters Präparate aus der Türkei,Griechenland, Japan, Indien oder Bulgarien. Bei Analysen zeigte sich, dass es beim Inhalt der Ampullen, Spritzen und Tabletten zu Abweichungen beim Inhalt kam – kurz: es waren andere Inhaltsstoffe enthalten als angegeben.

Schon vor seinem Tod hatte Zoran M. mit massiven gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Er war mehrfach im Krankenhaus – sein rechtes Bein war sehr angeschwollen, er litt unter starken Atembeschwerden und paranoider Schizophrenie.

50.000 Euro Umsatz wöchentlich: So viel Geld soll ein 32-jähriger Berufssoldat aus dem Burgenland mit Doping-Präparaten verdient haben. Der Vertrieb funktionierte über das Internet: Auf Homepages mit den klingenden Namen wie beststeroids.com konnte man nach Lust und Laune Präparage bestellen. Was auch den örtlichen Postpartner freute: Der hatte dadurch einen treuen Großkunden. 30.000 internationale Abnehmer sollen das Angebot genützt haben. Die Ermittlungen laufen noch und sind durchaus schwierig – denn ermittelt wird auch in der Slowakei.

"Die Gewinnspanne bei Dopingpräparaten ist höher als bei Suchtgift", sagt Chefermittler Franz Schwarzenbacher vom Bundeskriminalamt. Die Nachfrage ist ungebrochen, das Angebot entsprechend hoch. Bei einer Schwerpunkt-Aktion etwa, bei der Nahrungsergänzungsmittelshops überprüft wurden, lag die Trefferquote bei 100 Prozent. "Im Hinterzimmer gab es immer entsprechende Substanzen. Die Präparate wurden in Dosen um 50 bis 60 Euro verkauft."

Nebenwirkungen

Unter anderem wurden auch jede Menge Prohormone sichergestellt. Dabei handelt es sich um Hormon-Vorläufer, die sich erst im Körper zu Hormonen umwandeln. Sie versprechen einen extrem schnellen Muskelaufbau. Über Nebenwirkungen wird in einschlägigen Foren berichtet: Probleme mit der Libido, Leberschäden, Haarausfall, Prostata-Beschwerden.

Bestellt werden die Substanzen zumeist im Internet. "Bei der Produktion ist noch immer Fernost führend", sagt Schwarzenbacher. "Das Zeug ist deshalb so gefährlich, weil du einfach nicht weißt, was drinnen ist. Das wird ja in Hinterhoflaboren hergestellt."

Bei der abgeschlossenen Schwerpunkt-Aktion wurden damals auch 150 Präparate im Forschungszentrum Seibersdorf untersucht. Ergebnis: In jeder zweiten Probe waren nicht deklarierte Doping-Wirkstoffe enthalten.

Dunkelziffer

Todesfälle wie die des Zoran M. kommen immer wieder vor, sagt Schwarzenbacher. "Bodybuilder sterben haufenweise nach jahrelangem Dopingmittel-Missbrauch." Die Dunkelziffer sei beträchtlich, betont er.

Dass Spitzensport ohne Doping nicht möglich sei (siehe Bericht links oben, Anm.), stellt Schwarzenbacher in Abrede. "Aber wenn jemand ausschaut wie der Popeye, ist klar, dass da was eingenommen wurde. So ein Muskelzuwachs funktioniert sonst einfach nicht."

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