Bettlerin soll in Vorarlberg 38.000 Euro Strafe bezahlen

Armut Die "Obergrenze" bzw. die aktuelle Armutsgefährdungsschwelle liegt bei 1.161 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt.
Die Frau hat immer wieder mit Kind gebettelt, was in Vorarlberg verboten ist.

Eine rumänische Bettlerin soll in Vorarlberg 38.000 Euro an Verwaltungsstrafen bezahlen. Die Frau hat immer wieder mit Kind gebettelt, was in Vorarlberg verboten ist. Gemäß einem Bericht von ORF Vorarlberg hält ihr Rechtsanwalt Anton Schaefer die Strafen für rechtswidrig, für Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler (ÖVP) ist es richtig, Grenzen zu ziehen.

Die Rumänin verdient mit Betteln nach eigenen Angaben 20 bis 30 Euro pro Tag. Sie habe fünf Kinder und müsse den Großteil des Geldes in die Heimat schicken, sagte sie gegenüber dem Rundfunk. Allein in einem Monat haben sich Verwaltungsstrafen in Höhe von fast 17.000 Euro angehäuft - sowohl für das Betteln mit ihrem Kleinkind als auch für den Verkauf von Zeitungen (22 Strafen). Die Ersatz-Haftstrafe für die 38.000 Euro würde sich auf drei Jahre belaufen.

Anwalt: "Rechtswidrig"

Schaefer betonte, dass "solche Strafen mit 450 Euro pro Anlassfall rechtswidrig sind", das wisse jeder Beamte und jeder Politiker. Schließlich müssten Verwaltungsstrafen dem Einkommen entsprechen und der Schuld angemessen sein. Es gehe einzig und allein darum, die Notreisenden zu vertreiben. Der Rechtsanwalt geht davon aus, dass die Bettelverbote in den Vorarlberger Städten verfassungswidrig sind und bald aufgehoben werden.

Die Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli (Grüne) unterstrich, dass "dieses Vorgehen die Existenz einer jungen Mutter zerstört und bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand bedeutet, geholfen ist damit niemand", forderte sie eine "Rückkehr zur Vernunft".

Schwärzler hingegen ging von der Richtigkeit der Maßnahme aus. Wenn jemand keine Strafen bezahle und jeden Tag bewusst das Gesetz breche, sei es wichtig und richtig, klare Grenzen zu ziehen. "Organisierte Bettler und Menschen, die in unser Land kommen und sich an keine Gesetze halten, wollen wir eigentlich nicht in unserem Land", sagte der Landesrat.

Bettler in Vorarlberg stammen fast ausschließlich aus vier rumänischen Ballungszentren, gehören der Ethnie der Roma an, sind männlich und weiblich und kamen in der Hoffnung auf Arbeit ins Land. 64 Prozent dieser Notreisenden haben keinen einzigen Tag eine Schule besucht. Dies geht aus einer Studie der Fachhochschule (FH) Vorarlberg hervor, die Ende Juli in Bregenz präsentiert wurde.

"Das Bildungsniveau dieser Menschen ist sehr, sehr weit unten" betonte Studienautorin Erika Geser-Engleiter. Von den 36 Prozent der Befragten, die eine Schule besucht haben, habe wiederum kein einziger die Schulpflicht von acht, neun Jahren beendet. Selbst rechneten sich die in Vorarlberg angetroffenen Bettler der traditionellen Gruppe der Roma zu. Die Frauen fielen auch besonders auf mit ihren bunten langen Röcken, berichtete Engleitner, die die Studie im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung in zwei Erhebungszeiträumen durchgeführt hat.

Geser-Engleitner sprach in guten Tagen von rund 100 Notreisenden, die ihr Geld mit Betteln oder dem Verkaufen von Straßenzeitungen verdienten. Damit scheine auch der Sättigungsgrad erreicht, so die Studienautorin, denn jeder der Befragten habe im Hintergrund noch mindestens einen Angehörigen, der sich um das Gepäck, die Kinder etc. kümmere. "Man kann also in Spitzenzeiten von rund 200 bettelnden Notreisenden in Vorarlberg ausgehen", stellte Geser-Engleitner fest. Viele der Bettler (36 Prozent) seien in einem größeren Familienkontext aus Italien in Österreichs westlichstes Bundesland gekommen, rund ein Drittel mit Partnern und Kindern und nur 19 Prozent alleine. Ein Indiz für organisierte Bettelei habe es in keinem Fall gegeben, versicherte die Studienautorin.

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Ganz unten: Die Wirtschaftskrise setzt vor allem den Ärmsten zu.
Ihre bis zu elf Kinder werden bei der Hälfte der Befragten zum Teil in Vorarlberg, zum Teil von Verwandten in Rumänien oder einem anderen Land betreut. Nach Vorarlberg hat sie die Armut in ihrem Heimatland gebracht. "Über die Hälfte der Befragten haben in Rumänien keinen festen Wohnsitz, sondern nur eine Meldeadresse und demnach auch keine feste Verwurzelung", gab Geser-Engleitner zu bedenken. Durchgängig Arbeit hatte niemand, die Hälfte gab an, vom Sammeln von Müll oder Metall gelebt zu haben, ein geringer Prozentsatz von Gelegenheitsjobs. 75 Prozent der Bettler in Vorarlberg haben keine Krankenversicherung.

Nach Vorarlberg brachte sie die Illusion, hier leichter Arbeit und konkrete Hilfeleistungen zu bekommen sowie "verständnisvollere Menschen anzutreffen". Hoffnungen erweckten laut Studienautorin vor allem "Erfolgsstorys von Bekannten und Verwandten, die angeblich in Vorarlberg Fuß gefasst hätten". Beim Betteln verdienten sie in Vorarlberg im Schnitt zehn bis 30 Euro pro Tag.

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Die Bettler in Österreich müssen viel für ihre Unterkunft bezahlen.
Aufgrund der tristen Verhältnisse in Rumänien müsse man sich daran gewöhnen, dass Bettler auch weiterhin zum Ortsbild in Vorarlberg gehören werden, stellte Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker fest. "Wir müssen das zur Kenntnis nehmen und einen Umgang damit finden", so Wiesflecker, die hier auch bereits deutlich positive Entwicklungsschritte in den Gemeinden wahrgenommen hat. "Die Akzeptanz der Armutsmigration ist gestiegen", es gebe einen breiten Konsens, dass "es hier auch Maßnahmen braucht". Gleichzeitig bedeute das aber nicht, dass man auch das Geschäftsmodell des Bettelns akzeptiere.

Gute Erfolge habe die Einstellung von zwei Sozialarbeiterinnen erzielt, das werde man beibehalten, kündigte Wiesflecker an. Zudem werde es auch in diesem Winter wieder zwei Notschlafstellen mit je 20 bis 30 Plätzen im Land geben. Weiters sei das Land bestrebt, präventiv tätig zu werden, besonders die durchgängige Beschulung der Kinder von bettelnden Notreisenden lagen der Landesrätin am Herzen. Ein entsprechendes Projekt sei in Vorbereitung.

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