Bergrettung als "Ski-Taxi für Betrunkene"

Bergrettung als "Ski-Taxi für Betrunkene"
In Österreichs Ski-Hütten wird wieder kräftig ausgeschenkt. Wer zu viel erwischt hat, fährt ins Tal – ganz legal. Denn es gibt kein Gesetz gegen Alkolenker.

Die verschwitzte Ski-Unterwäsche klebt am Leib, im Glas schwimmt eine Williams-Birne, während die Skischuhe zu DJ Ötzis „Hey Baby“ stampfen. Hüttengaudi in der Edelweissalm in Obertauern. Après-Ski-Stimmung auf 1850 Meter Höhe.

Doch Zirbenschnaps und Flying Hirsch verleihen nur scheinbar Flügel.

Erst vor zwei Wochen mussten Pistenretter am Fanningberg im Salzburger Lungau eine 13-Jährige mit dem Akja ins Tal bringen, weil sie selbst dazu nicht mehr in der Lage war. Im Spital wurde ein Blutalkoholwert von 1,9 Promille gemessen.

„Immer öfter müssen wir das Ski-Taxi für Betrunkene spielen“, sagt Estolf Müller, Leiter der Bergrettung in Salzburg. Er gibt den Hüttenwirten die Schuld an der Situation: „Die schenken Alkohol bis zum Abwinken aus.“

Gesperrte Pisten

Vielerorts würden die Betreiber von Hütten und Bars auch die Sperrstunde nicht einhalten. Da die Wirte oft die Grundeigentümer der Pisten seien, würden es sich die Gemeinden mit ihnen nicht verscherzen wollen. „Viele Hüttenwirte halten sich daher an keine Regeln und unterwerfen sich keinen Kontrollen“, sagt Müller.

Das sei nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich. Denn ab 17 Uhr beginnen meist die Präparierungsarbeiten – und dann sind die Pisten für Skifahrer gesperrt. Skilifte fahren dann aber schon lange keine mehr. In Bad Hofgastein kam erst Mitte Jänner ein Snowboarder um 18 Uhr unter eine Pistenraupe und wurde schwer verletzt. „Leider sind Pistensperren nur schwer zu exekutieren“, sagt Verena Umlauft, Geschäftsführerin der Fachgruppe Seilbahnen in der Wirtschaftskammer. „Ich kenne Hütten auf 2000 Meter Höhe, die bis 22 Uhr offen halten dürfen. Das ist eine Gefahr, selbst wenn nicht präpariert wird.“ Estolf Müller von der Bergrettung appelliert an die Hüttenwirte, die Skifahrer rechtzeitig zum Abfahren zu bewegen.

Auf der Edelweissalm auf 1850 Meter endet die Aprés-Ski-Party täglich um 18.30 Uhr, dann erst fahren die Pistengeräte aus. Für Hütten-Betreiberin Sabine Lürzer tragen ihre Gäste selbst die Verantwortung. „Jeder weiß, dass er noch ins Tal fahren muss. Bei uns saufen sie auch nicht bis zur Bewusstlosigkeit.“

Wer beim Auto fahren mit mehr als 0,8 Promille erwischt wird, ist seinen Schein los. Eine klare Regel, die kontrolliert und geahndet wird.

Beim Skifahren gibt es auch Regeln, insgesamt zehn FIS-Regeln – die kennt aber kaum jemand, und kontrolliert wird gleich gar nicht.

Warum eigentlich nicht?

„Dafür haben wir nicht das Personal“, sagt Hans Wallinger, Ausbildungsleiter der Salzburger Alpinpolizei. Aufgabe seiner Truppe sei es, Unfälle aufzunehmen, nicht Unfälle zu verhindern. „Wir rücken dann aus, wenn Fremdverschulden vorliegt oder Alpinunfälle tödlich enden.“

Oft ist bei den Unfällen Alkohol im Spiel. Wallinger: „Wir wissen, dass die Betrunkenen zwischen 15 und 18 Uhr ins Tal fahren.“ Soferne sie dann noch fahren können. Rechtliche Handhabe hat die Alpinpolizei gegen die Alkoholisierten aber keine. „Es gibt kein Gesetz, in dem steht, mit wie viel Promille man noch fahren darf.“ Selbst wenn ein Alkoholisierter einen Unfall verursacht, darf die Alpinpolizei keinen Alkotest durchführen – außer der Fahrer willigt freiwillig ein (oder ein Gericht ordnet eine Blutabnahme im Spital an).

Viele Wintersportler hätten überhaupt keine Ahnung, dass es zehn Pistenregeln gebe, an die man sich halten müsse, kritisiert Martin Pfanner vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. „Was viele nicht wissen: Auch die Gerichte urteilen auf Basis dieser FIS-Regeln.“ So wurde der Ex-Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, nach einem Skiunfall in Österreich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er gegen die fünfte FIS-Regel (Einfahren in eine andere Piste) verstoßen hatte.

Die Pistenregeln der FIS wurden 1967 beschlossen und gelten für Skifahrer und Snowboarder. Wer gegen sie verstößt und einen Unfall verursacht, kann zivil- und strafrechtlich verantwortlich gemacht werden.

Rücksichtnahme auf die anderen Skifahrer und Snowboarder Jeder Skifahrer muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt oder ihn in der Ausübung seiner Tätigkeit einschränkt.

Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise Jeder Skifahrer muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.

Wahl der Fahrspur Der von hinten kommende Skifahrer muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet.

Überholen Überholt werden darf von oben oder unten, von rechts oder links, aber immer nur mit einem Abstand, der dem überholten Skifahrer für alle seine Bewegungen genügend Raum lässt.

Einfahren, Anfahren und hangaufwärts Fahren Jeder, der in eine Skiabfahrt einfahren, nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann.

Anhalten Jeder Skifahrer muss es vermeiden, sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrt aufzuhalten. Ein gestürzter Skifahrer muss eine solche Stelle so schnell wie möglich freimachen.

Aufstieg und Abstieg Ein Skifahrer, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Pistenrand benutzen.

Beachten der Zeichen Jeder Skifahrer muss die Markierung und die Signalisierung beachten.

Hilfeleistung Bei Unfällen ist jeder Skifahrer zu Hilfeleistung verpflichtet.

Ausweispflicht Jeder Skifahrer, ob Zeuge oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss im Falle eines Unfalles seine Personalien angeben.

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