"Bei mir daheim gilt mein Gesetz"

Hass im Netz
Verhetzung: Ein Facebook-Hass-Poster über seine Motive, und welche Rezepte der Verein Neustart dagegen hat.

Was treibt die Hetzer im Netz an? Und wie kann man sie davon abhalten, mit Hass-Postings ganze Volksgruppen verächtlich zu machen? Das neue Modell des Bewährungshilfe-Vereins Neustart – "Dialog statt Hass" – bietet neben oder an Stelle von Geld- und Haftstrafen (im Rahmen der Diversion) eine Deliktverarbeitung, die Täter für die Auswirkungen ihrer tausendfach geteilten Hass-Botschaften auf die Opfer sensibilisiert. Wird das Programm erfolgreich abgeschlossen, bleibt dem Täter der Strafprozess erspart.

Schädelbruch

Der Oberösterreicher Peter Geiseder wurde 2016 wegen Verhetzung verurteilt (2017 stieg die Zahl der Anzeigen von 380 auf über 600 an). Das Landesgericht Linz verhängte neun Monate Haft bedingt und 1500 Euro Geldstrafe (inklusive Gebühren). Damit hadert der 59-Jährige noch heute. Das Motiv für seine ausländerfeindlichen Postings auf Facebook ist in der vor zehn Jahren erlebten Attacke durch einen tschetschenischen Arbeitskollegen begründet. Geiseder war Schichtführer in einem Logistikzentrum, der Asylwerber produzierte einen Paketstau am Förderband. Als Geiseder den Mann rügte, fiel dieser hinterrücks über ihn her und fügte ihm mit Faustschlägen Schädel- und Jochbeinbruch zu. Geiseder erholte sich nicht mehr, musste in die Invaliditätspension gehen und wartet bis heute auf die zuerkannten 30.000 Euro Schmerzensgeld.

"Bei mir daheim gilt mein Gesetz"
hass-postings

"Und das ist der Grund, warum ich auf Facebook nicht nette Postings schreibe", sagt der 59-Jährige im Gespräch mit dem KURIER. Er kommentierte etwa ein Foto von Kampfhunden mit der Bildunterschrift: "Keine Angst, wir essen nur Achmed, Mohamed und so weiter." Oder das Foto von einem Gewehr mit dem Hinweis: "Das brauche ich für das Kanaken-Gesindel." Hunderte solche Botschaften hatte er geteilt "und mei blöde Papp’n dazugeben", dann wurde er von der Polizei "wie ein Schwerverbrecher" einvernommen.

Der tschetschenische Schläger wurde übrigens zu acht Monaten bedingt plus 300 Euro Geldstrafe und damit milder bestraft, als Geiseder wegen Verhetzung. Das nährt neuen Zorn in seiner Brust: "Dieses asoziale Subjekt, mehr lass’ ich mich gar nicht aus. Die Täter werden mit Glacéhandschuhen angefasst, und Opfer sind Dreck."

Seit über einem Jahr wird Geiseder von einem Bewährungshelfer betreut. Der versuche, ihn zu bessern, was zu einer Änderung seines Verhaltens auf Facebbook geführt habe. In ein "Verbrecherklischee" lässt er sich jedoch nicht einordnen, und er lässt sich nicht unterstellen, ausländerfeindlich zu sein. Seine vor zwei Jahren verstorbene Frau stammte von den Philippinen. "Aber wenn welche glauben, sie müssen uns hier den Islam diktieren, da hab’ ich was dagegen. Und bei mir daheim gilt mein Gesetz, da lass’ ich mir nicht in die Suppe spucken."

Das Ziel der Bewährungshelfer ist es nicht, aus solchen Tätern "lupenreine Demokraten zu machen", sagt Andreas Zembaty von Neustart: "Nicht die Meinung wird bestraft, das wäre Gesinnungsstrafrecht, sondern das öffentliche Herabwürdigen muss eingestellt werden."

Im Rahmen des Projekts "Dialog statt Hass" wird die Medienkompetenz geschult, weil bei diesen Klienten das Bedürfnis vorhanden ist, wahrgenommen zu werden. Man versucht, ihnen andere Möglichkeiten der Kommunikation und des Austausches aufzuzeigen, bringt sie mit den bisher "verhassten" Fremden zusammen, lässt sie die Wirkung ihrer Hass-Botschaften verspüren. 60 Fälle werden unter Mithilfe von Richtern und Staatsanwälten seit Jahresbeginn auf diese Weise zur Rückfallvermeidung betreut.

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