Wer arbeiten darf – und wer nicht

Segun war vier Jahre zur Untätigkeit verurteilt, bis er einen positiven Asylbescheid erhielt.
Nur 200 Asylwerber haben eine Beschäftigungsbewilligung. Experten fordern Abbau der Hürden.

Es ist ein Problem, das angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise an Brisanz gewinnt: Von den 50.000 Flüchtlingen, die heuer nach Österreich kommen, werden wohl die meisten die oft jahrelange Wartezeit bis zur Erledigung ihres Asylantrags in quälender Untätigkeit verbringen müssen.

Aufgrund der strengen Regelungen verfügen derzeit gerade einmal 200 Asylwerber (von rund 35.000 in Grundversorgung) über eine Beschäftigungsbewilligung, wovon 106 Lehrlinge sind. In Wien sind es laut AMS 36 (25 Lehrlinge). Der Großteil ist in der Gastronomie tätig. Auch die Zahl der selbstständig Beschäftigten sei laut AMS wohl nur marginal.

Der überwiegenden Mehrheit bleibt der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt. Wie etwa Hanan Mesleh, die vor vier Jahren mit ihrer Tochter aus Palästina floh.Sie spricht Arabisch, Hebräisch, Englisch und Russisch. Sie hat einen Master-Abschluss und war in ihrer Heimat als Journalistin tätig. In Österreich darf sie trotzdem nicht arbeiten, weil sie noch keinen positiven Asylbescheid hat.

"In Oberösterreich hab ich zwei, drei Mal die Woche ohne Bezahlung für einen Sozialmarkt gearbeitet", erzählt Mesleh. In ihrer jetzigen Bleibe, im Karwan Haus der Caritas in der Wiener Josefstadt, arbeitet sie als Übersetzerin. Geld gibt es auch dafür nicht. Mesleh muss von 200 Euro im Monat leben, die nötige Zahnregulierung für ihre Tochter geht sich dadurch nicht aus. "Ich bin sehr froh, dass ich hier in Österreich in Sicherheit bin, aber dieser Zustand ist sehr ärgerlich."

Am Montag berät die EU über den Militäreinsatz: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Flüchtlingskrise.

Zugang verwehrt

Laut Gesetz ist zwar der Zugang zu selbstständiger und unselbstständiger Arbeit drei Monate nach Zulassung zum Asylverfahren möglich. "Doch faktisch ist er erheblich eingeschränkt", kritisiert Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien.

Seit einer Verschärfung 2004 gibt es nur mehr kurzfristige Beschäftigungsbewilligungen für Saison- und Erntearbeit sowie gemeinnützige Tätigkeiten mit geringer Entschädigung. Und auch das mit hohen Risiken: Wer bei seinem Job mehr als 110 Euro verdient, läuft laut Caritas Gefahr, nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses keine Grundversorgung und damit auch keine Krankenversicherung mehr zu bekommen.

Wie Vertreter vieler Hilfsorganisationen fordert auch Schwertner, dass Asylwerber nach sechs Monaten legalen Aufenthalts auch legal arbeiten dürfen. "Denn es ist weder sozial noch ökonomisch sinnvoll, wenn Menschen zu jahrelangem Nichtstun gezwungen sind." Zudem sei die Möglichkeit zu arbeiten die beste Form von Integration.

Jobmarkt

Für eine vorsichtige Öffnung des Arbeitsmarkts sprach sich zuletzt auch der nö. Landeshauptmann Erwin Pröll aus. Sozialminister Rudolf Hundstorfer verweist auf eine Studie dazu, die "im Finale" sei, eine entsprechende EU-Richtlinie soll noch heuer umgesetzt werden. Priorität hat für ihn aber, die bereits Asylberechtigten so rasch als möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Aber auch das gestaltet sich mehr als schwierig, zeigt ein Blick in die Arbeitsmarktstatistik: Zum Beispiel sind dort 2650 Syrer, 2741 Afghanen oder auch 481 Somalier als arbeitslos gelistet.

Profitiert von einer liberaleren Regelung hätte auch der Schneider Segun, der 2001 aus Nigeria floh. 2005 erhielt er einen positiven Asylbescheid. "Die Zeit davor war schwierig. Weil ich nicht arbeiten konnte, konnte ich mir auch nichts leisten." Mittlerweile arbeitet er wie rund 20 andere Flüchtlinge mit positivem Bescheid bzw. subsidiärem Schutz im neuen Magdas Hotel der Caritas in Wien: "Eines Tages möchte ich aber eine eigene Schneiderei in Wien aufmachen."

Beschränkte Jobmöglichkeiten

Lehrlinge: Seit 2013 dürfen Asylwerber unter 25 Jahren eine Lehre machen. Zuvor lag die Altersgrenze bei 18 Jahren. Bewilligungen werden aber nur für Lehrberufe erteilt, in denen Lehrlingsmangel herrscht. Derzeit nutzen rund 106 Asylwerber diese Möglichkeit.

Prostitution: Als „freies Gewerbe“ ist Prostitution eine der wenigen Möglichkeiten für Asylwerber, einer Arbeit nachzugehen. Von den Ende 2013 knapp 3400 in Wien registrierten Prostituierten waren 1,6 Prozent Asylwerberinnen, geht aus Polizei-Daten hervor.

Auch wenn Gemeinden Willen zeigen, Asylwerber in den Alltag zu integrieren, ist der Weg dorthin mühsam. Das müssen derzeit die Verantwortlichen in Litschau, Bezirk Gmünd, erfahren. Damit die 15 Syrer und Iraker arbeiten und Geld dazu verdienen können, sind bürokratische Hürden zu überwinden. Danach winken nur Mini-Jobs.

Dass die Möglichkeiten begrenzt sind, muss Gerhard Holzweber, Stadtrat für Integration, einsehen. „Wir können die Flüchtlinge nicht einfach anstellen und sie mit Werkzeugen rausschicken. Für jede Aufgabe ist eine eigene Vereinbarung nötig, um die Tätigkeiten auch zu dokumentieren“, sagt Holzweber, der dafür schon ein Musterformular erstellt hat. Eine Blumenschmuck-Aktion ist nun sein Referenzprojekt, um Erfahrungen zu sammeln. „Jeden Tag werden wir die Syrer und Iraker nicht beschäftigen können“, so der Asyl-Stadtrat.

Das hat auch finanzielle Gründe. „Sie dürfen nur 110 Euro pro Monat dazuverdienen. Umgerechnet sind das 22 Arbeitsstunden. Wenn wir sie länger beschäftigen, verlieren sie Geld bei der Grundversorgung“, rechnet Holzweber vor. Diese Regelung soll Einheimische am Arbeitsmarkt schützen. „Asylwerber sollen ja keinem Österreich einen Job wegnehmen können“, erklärt Holzweber. Damit seine Schützlinge im Fall des Falles geschützt sind, ließ er eine Sammel-Pauschal-Unfallversicherung abschließen.

Insgesamt drei Kriterien müssen erfüllt sein, um Asylwerber beschäftigen zu können, wissen Mitarbeiter beim Diakonie Flüchtlingsdienst: Die Tätigkeit darf nur dem Gemeinwohl dienen. Es muss eine Unfallversicherung abgeschlossen sein. Und das Einkommen darf nicht höher als 110 Euro pro Monat sein. „Bei Familien

Die wegen des großen Flüchtlingsstromes eingerichteten Zeltlager in Linz, Salzburg und Thalham mussten am Sonntag nicht für weitere Unterbringungen in Anspruch genommen werden. Im Zeltlager Thalham sind derzeit 74 Personen, in Linz 53 und in Salzburg 37 untergebracht.

Mehr als 100 Personen aus dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen wurden in das Quartier in Wien-Erdberg gebracht. Daraufhin stellte Peter Hacker vom Fonds Soziales Wien klar, die Stadt lehne eine – theoretisch mögliche – Unterbringung von 600 Flüchtlingen in dem Quartier ab.

Für Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist die Unterbringung in Zelten „überhaupt nicht o. k.“ Er gestand in der ORF-Pressestunde aber zu, dass dies als „Notmaßnahme“ nötig sei. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) drängt auf Öffnung von Kasernen für Flüchtlinge. Die oö. Soziallandesrätin Gertraud Jahn (SPÖ) wehrt sich gegen Aussagen von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wonach Bundesländer ihre Aufgaben bei der Unterbringung nicht wahrnehmen. Mikl-Leitner stellte klar, sie verstehe, „dass die Bundesländer diesem Anstieg nicht mehr nachkommen. Daher muss ich aber, solange die Bundesländer das nicht aus eigener Kraft schaffen, zu Notmaßnahmen greifen.“

Kommentare