Amokfahrt: "Urteil war ein emotionaler Abschluss"

In Graz herrschte nach der Amokfahrt tiefe Trauer
Die Entscheidung der Geschworenen löst in Graz Erleichterung aus.

Erleichterung. Das ist das Wort, nach dem Bernhard Lehofer sucht. Er vertrat im Prozess gegen Alen R. die Eltern des jüngsten Todesopfers, Valentin. "So ein Urteil kann zwar niemals echten Frieden geben", beschreibt der Anwalt. "Aber für die Eltern wäre es unerträglich gewesen, wenn R. nur in eine Anstalt eingewiesen worden wäre."

Valentin war erst vier Jahre alt, vor ein paar Wochen wäre er sechs geworden. Er starb in der Herrengasse, als ihn Alen R. mit seinem Auto von hinten erfasste.

Für die Opfer der Amokfahrt habe der (nicht rechtskräftige) Schuldspruch eine große Bedeutung. "Es war wichtig, dass R. nicht durchgekommen ist mit seiner Verantwortung, er sei nicht schuld", führt Lehofer aus. "Das hätte vielen eine Kränkung zugeführt, die sie nicht verdient haben."

Ähnlich sieht das auch sein Kollege Gunther Ledolter. Er vertrat rund 50 Opfer der Amokfahrt vor Gericht. "Für meine Mandanten war das Urteil wichtig. Das ist ein emotionaler Abschluss." Außerdem sei sollte das Urteil rechtskräftig werden "größtmögliche Sicherheit" gegeben: So könnte R. nicht nach wenigen Jahren wieder nach einem neuen Gutachten aus der Psychiatrie entlassen werden.

Das Urteil beschäftigt die Grazer offensichtlich. "Ich halte es für gerechtfertigt", meint Dietmar Brandstetter. "Reue war keine da. Wer anderen Menschen so etwas zufügt, der gehört weggesperrt. Wer fährt denn bitte mit einem Auto auf Fußgänger los?"

Gutachter verwirrten

TU-Studentin Katrin M. hat den Prozess über Online-Ticker verfolgt. "Hingehen wollte ich nicht, ich wollt’ den Mann nicht sehen", schildert sie. "Das Urteil passt. Ich hätt’ es nicht verstanden, wenn er nur als krank gesehen worden wäre." Den Gutachter-Streit fand M. allerdings verwirrend, wie auch ihr Freund Markus. "Ich habe nicht mehr gewusst, wem ich glauben soll."

Doch es gibt andere Stimmen, die zweifeln. "Wenn es zwei zu zwei steht in den Gutachten, dann müsste es eigentlich im Zweifel für den Angeklagten heißen", sinniert Ursula, sie studiert selbst Psychologie in Graz.

Auch Stadtchef Siegfried Nagl verstand nie so recht, weshalb Psychiater die Linie der Staatsanwaltschaft vorgeben konnten. "Alle, die das miterlebt haben am 20. Juni, wissen, dass er schuldig ist", betont Nagl. Er war selbst Zeuge und beinahe Opfer der Amokfahrt. "Durch das Urteil wurde der Gerechtigkeit Genüge getan, auch wenn wir wissen, dass die Wunde trotzdem nie ganz heilen wird", betont Nagl.

Ein ausführliches Interview mit dem Bürgermeister lesen Sie im Sonntag-KURIER.

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