15-Jährige vergewaltigt: Verurteilter unternahm Fluchtversuch

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Nach seiner Verurteilung zu einer zwölfjährigen Haftstrafe hat der Mann einen Fluchtversuch unternommen.

Ein Zeitungszusteller, der am 22. Dezember 2017 in Wien-Favoriten in seinem Lieferwagen ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigt haben soll, ist am Montag am Landesgericht für Strafsachen zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Darüber hinaus wurde ihm eine finanzielle Wiedergutmachung in Höhe von 13.200 Euro auferlegt. 

Wie von der APA in Erfahrung gebracht wurde, riss sich der 25-Jährige los, als er von drei Polizisten - einem männlichen und zwei weiblichen Beamten - vom Gerichtsgebäude in die unmittelbar daneben befindliche Justizanstalt Josefstadt gebracht werden sollte. Der Sprecher der Wiener Landespolizeidirektion, Paul Eidenberger, bestätigte der APA den Zwischenfall. "Der Mann hat sich plötzlich losgerissen, konnte aber überwältigt werden." Ein Passant soll dabei den Beamten eine tatkräftige Hilfe gewesen sein, indem er dem Flüchtenden auf der Wickenburggasse ein Bein stellte. Der mutmaßliche Vergewaltiger befindet sich mittlerweile in der Justizanstalt. Vermutlich wird die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt einleiten.

Verlauf der Verhandlung

"Hätte sie nicht angefangen mich zu berühren, wäre ich nicht auf diesen Gedanken gekommen", erklärte der 25-Jährige einem Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Apostol). Die Jugendliche habe ihn während seiner Zustelltour mit einem Handzeichen angehalten, sei zu ihm auf der Beifahrerseite in den Wagen gestiegen und habe ihn dann während der Fahrt "öfters berührt". Nach der letzten Adresse und nachdem man sich in einer Tankstelle Bier besorgt hatte, habe das Mädchen im Wagen die Musik aufgedreht und "im Sitzen getanzt", schilderte der indisch-stämmige Mann, der seit 2014 in Österreich lebt. Im weiteren Verlauf habe man sich nach hinten begeben, wo sie ihm die Hose ausgezogen hätte: "Dann haben wir uns hingelegt und es ist zum Geschlechtsverkehr gekommen."

"Ich hatte Angst"

Bisher hatte der verheiratete Mann das geleugnet. Sowohl beim ersten Verhandlungstermin Anfang Mai als auch am 20. Juni, als er zuletzt Kontakt mit dem Gericht hatte, stritt er noch jeglichen sexuellen Kontakt ab. "Ich hatte Angst", bemerkte er nun dazu.

Die Jugendliche war nach einem Besuch des Christkindlmarktes am Rathausplatz in einen Streit mit ihrer Mutter geraten. Sie verließ die Wohnung, irrte im Freien herum und wurde laut Anklage von dem Zeitungszusteller in verweintem Zustand aufgelesen, der ihr versprochen haben soll, sie nach Hause zu bringen. Am Beifahrersitz wurde die 15-Jährige der Staatsanwaltschaft zufolge vaginal vergewaltigt.

Die Verhandlung wurde von enormem medialen Interesse begleitet. Aufgrund des starken Besucherandrangs musste sie kurzfristig sogar in einen Schwurgerichtssaal verlegt werden. Im Vorfeld hatte der Fall justizintern kontroversielle Diskussionen ausgelöst.

Nach dem ersten Verhandlungstermin Anfang Mai war der bis dahin auf freiem Fuß befindliche Angeklagte vom Landesgericht für Strafsachen wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Dagegen legte der 25-Jährige Beschwerde ein, der das Wiener Oberlandesgericht ( OLG) Folge gab. Der Inder wurde auf freien Fuß gesetzt, worauf er wenig später ein Flugzeug nach Indien bestieg - allerdings nur, um seine kranke Mutter zu besuchen, wie sein Verteidiger Nikolaus Rast betonte.

Mädchen erlitt Zusammenbruch

Aufgrund des aufrechten OLG-Beschlusses war am heutigen Verhandlungstermin der mehr als außergewöhnliche Umstand gegeben, dass man in einem Prozess gegen einen mutmaßlichen Vergewaltiger einer Minderjährigen trotz einer Strafdrohung von bis zu 15 Jahren ohne Justizwache auskam. Der Zeitungszusteller ist nach wie vor auf freiem Fuß und stellte sich - wie von seinem Verteidiger versprochen - weiter seinem Verfahren.

Demgegenüber kann die 15-Jährige, deren Befragung beim ersten Termin abgebrochen werden musste, weil das Mädchen einen Zusammenbruch erlitt, nicht mehr vernommen werden. Wie Gerichtspsychiater Peter Hofmann, der das Mädchen Ende Juni untersucht hat, darlegte, ist diese derzeit nicht aussagefähig. "Aktuell ist sie nicht verhandlungsfähig", betonte Hofmann. Der psychische Leidensdruck eines neuerlichen Zeugenauftritts wäre zu groß, meinte der Gutachter.

Der Expertise des Sachverständigen zufolge hat das, was das Mädchen laut Anklage kurz vor Weihnachten erlebt hat, ein "sehr schwerwiegendes Krankheitsereignis" bewirkt, erläuterte Hofmann. Die psychischen Folgen bewertete Hofmann als schwere Beeinträchtigung: "Die Kriterien einer schweren Körperverletzung sind erfüllt. Angesichts des Schweregrades gehe ich davon aus, dass das mit einer großen Wahrscheinlichkeit in einen Dauerzustand übergehen wird."

Das Mädchen wuchs in schwierigen Verhältnissen auf und hat eine ungünstige Kindheit verbracht. Laut Hofmann haben sich bei ihr Züge einer Borderline-Störung entwickelt. Die 15-Jährige hat auch altersuntypische Alkohol- und Drogenerfahrungen hinter sich. Seit dem inkriminierten Vorfall hätte sich zusätzlich eine "ausgeprägte Depression" herausgebildet, stellte Hofmann fest. Bei seiner Untersuchung habe das Mädchen mit "heftigem Weinen" auf Fragen zur mutmaßlichen Vergewaltigung reagiert: "Sie hat zum Ausdruck gebracht, dass sie das derartig anwidert, dass sie nicht drüber sprechen will."

Wie die juristische Prozessbegleiterin der 15-Jährigen ausführte, traut sich das Mädchen nach wie vor nicht das Haus zu verlassen und hat Angst vor dem Einschlafen. Der Gerichtspsychiater riet dringend zu einer konsequenten Verhaltenstherapie und medikamentösen Behandlung. Nur so könne man der "ausgeprägten Symptome" womöglich Herr werden.

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