"Wollte nie über Nazis schreiben"

"Wollte nie über Nazis schreiben"
Ludwig Lahers Roman Verfahren war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Er schrieb auch ein bedrückendes Werk über Sinti in Oberösterreich.

Worüber das österreichische Feuilleton freudig geschrieben hat, nahm Ludwig Laher gelassen zur Kenntnis. Sein aktueller Roman "Verfahren" rangierte im August auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. "Ich habe das schon mit Freude, aber nicht mit Enthusiasmus entgegengenommen", sagt der Schriftsteller. An sich sei er gegen Rankings. Diese würden mehr den Verlagen nutzen, die Autoren seien mehr Staffage. Trotzdem kann er nicht verheimlichen, dass die Nennung auf der Liste nicht schlecht für den Verkauf des Buches war. "Ich selbst und auch das Thema des Buches sind wieder ins Gespräch gekommen."

Asylrecht

Das gefeierte Werk "Verfahren" erzählt die Geschichte von Jelena, einer Kosovo-Serbin, die nach Vergewaltigungen traumatisiert in Österreich um Asyl ansucht und scheitert. "Ich habe versucht, der Frage nachzugehen, ob die immer schärfer werdenden Bedingungen des Asylrechts auch jene Menschen treffen, die wirklich von Leib und Leben bedroht sind", so Laher.

Allerdings möchte er festhalten, dass der Roman weder die Justiz denunziere noch würden Menschen, die um Asyl ansuchen, als Engel dargestellt. Bei seiner Arbeit hat er großen Wert auf Genauigkeit gelegt. Nachdem er mit dem Manuskript fertig war, sah sich ein juristischer Berater sämtliche Fachbegriffe an, ob diese auch wirklich richtig verwendet wurden. "Nichts ist mir mehr zuwider als Ungenauigkeit."

Naziterror

Besonders akribisch recherchiert hat Laher auch für den Roman "Herzfleischentartung" aus dem Jahr 2001, sein bisher erfolgreichstes Werk über den Naziterror in Oberösterreich. Tausende Aktenseiten hat er gesichtet, um die Geschichte eines "Arbeitserziehungslagers" in seinem Wohnort St. Pantaleon zu erzählen, das zu einem "Zigeuneranhaltelager" umfunktioniert wurde. Jene Sinti und Roma, die nicht dort den Tod fanden, wurden nach Polen deportiert, wo sie die Nazis ermordet haben.

"Eigentlich habe ich nie vorgehabt, ein Buch über den Nationalsozialismus zu schreiben. Das Wichtigste schien in wunderbaren und furchtbaren Büchern gesagt." Doch dann haben ältere Frauen aus St. Pantaleon zu ihm gesagt "wir könnten dir Geschichten erzählen, über die du Bücher schreiben könntest.
Seitdem der Autor "Herzfleischentartung" abgeschlossen hat, beschäftigt er sich intensiv mit der Volksgruppe der Sinti in Oberösterreich, setzt sich für die Minderheit ein und analysiert ihre Geschichte.

"Ich hatte nach der Fertigstellung des Buches das Gefühl, damit ist es noch nicht geschehen." Für das Linzer Schlossmuseum hat Laher die Dauerausstellung "Verschütteter Raum" mitkuratiert, die am 3. November ihre Tore öffnet. Er hat sich für die Schau damit auseinandergesetzt, wie die Sinti in Oberösterreich vor dem Völkermord Teil der Gesellschaft waren.

Viel Arbeit

Auch sonst ist Laher sehr beschäftigt. Beinahe jedes Jahr kommt ein neues Buch von ihm heraus. "Derzeit arbeite ich an einer Sammlung von Kurzprosa und Essays, die im August 2012 erscheinen wird."

Ein Gedichtband sei ebenfalls bald wieder fällig. Außerdem arbeitet Laher gerade an seinem neuen Roman. Worüber es genau gehen wird, könne er noch nicht konkretisieren. Nur so viel: "Wie würden Behörden und Menschen mit etwas Fiktionalem umgehen, gäbe es das wirklich?"

Vita

Der gebürtige Linzer Ludwig Laher studierte in Salzburg Germanistik, Anglistik und Klassische Philologie. Der 55-Jährige schrieb seine Doktorarbeit über Grenadas Gegenwartsliteratur. Er arbeitete als Gymnasiallehrer und Universitätslektor. Laher unterrichtet unter anderem am Institut für Sprachkunst an der Uni für Angewandte Kunst Wien und ist Vorstand der IG Autorinnen und Autoren. Seit 1993 lebt er in St. Pantaleon, Bezirk Braunau. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Er schrieb unter anderem die Romane "Herzfleischentartung" (2001), "Und nehmen was kommt" (2007) und "Einleben" (2009).

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