Steyr: "Pfundskerl, der nie aggressiv war"

Steyr: "Pfundskerl, der nie aggressiv war"
Der Schütze in Steyr hatte Nachbarn ver­sichert, sie unbehelligt zu lassen. Er könnte es auf eine Erschießung angelegt haben.

 

Im Haus Schlüsselhofgasse 56 in Steyr (OÖ) ist es Dienstagvormittag ungewöhnlich ruhig. Kein Autoverkehr, keine Leute auf der Straße. Nur Erich Herburger schaut aus seinem Fenster im Erdgeschoß. „Ich hab’ gut geschlafen. Der Joschi hat ja gesagt, dass er uns nichts tut“, behauptet er. Gemeint ist der mutmaßliche Heckenschütze Josef N., der am Montag von zwei Balkonen aus dem 3. Stock wahllos mit einem Schnellfeuergewehr („Kalaschnikow“, Typ AK-47) auf Passanten und Polizisten gefeuert haben soll. Das Tatmotiv liegt noch im Dunkeln, erfahrene Kriminalisten schließen aber nicht aus, dass sich der Verdächtige von der Polizei möglicherweise erschießen lassen wollte („suicide by cops“).

„Der Joschi war immer ein Pfundskerl, den ich nie aggressiv erlebt habe“, beschreibt der 64-Jährige den langjährigen Nachbarn. Im Sommer sei er meist monatelang nicht in Steyr gewesen und dann plötzlich wieder aufgetaucht – manchmal mit einem weißen Husky, ein Mal sogar mit einem Sport-Cabrio. „Er hat auch in Wien eine Wohnung gehabt und soll regelmäßig zu seiner Schwester nach Sizilien gefahren sein.“ N. sei ein leidenschaftlicher Spieler gewesen, der aus gesundheitlichen Gründen keiner Arbeit nachgegangen sei. „Er hat von anderen Sachen gelebt“, meint Herburger kryptisch. Er will nicht ausschließen, dass der 51-jährige Geschäfte mit sizilianischen Freunden gemacht habe. „Das würde auch die Herkunft der Kalaschnikow erklären.“ Drei Tage vor dem Amoklauf sei N. mit einer ungewöhnlichen Bitte an ihn herangetreten. „Der Joschi hat gefragt, ob ich nicht eine Schlafgelegenheit für drei Leute habe.“ Er habe aber verneint und die Unbekannten dann nie gesehen.

Während der Tat habe N. von oben herabgerufen. „Er hat gesagt: Ich will ja niemandem weh tun, nur mit zwei Leuten reden – aber die Polizei lässt mich nicht.“

 

Medikamente

Manuel Blumenschein ist seit vier Jahren N.s bester Freund. „Wir haben uns zwischenmenschlich immer gut verstanden, es hat nie Streit gegeben.“ Er möchte ihn deshalb auch in der Justizanstalt besuchen. Warum sein Kumpel durchgedreht habe, könne er sich einfach nicht erklären. „Ich weiß nur, dass er Medikamente genommen hat.“ Als er die Schüsse hörte, sei er hinauf zu ihm. „Ein kribbeliges Gefühl hatte ich dabei schon, aber es war dann nicht so gefährlich, er wollte nur einen Kaffee.“ Den anderen Nachbarn habe er aber gesagt, dass sie sich lieber einschließen sollen.

Robert Brandstätter, 66, hörte einen Knall und dachte an einen Schweizerkracher. „Als ich im Stiegenhaus aber die kaputte Scheibe und die Patronenhülsen gesehen hab’, wusste ich was los ist.“

Bei Margarete Toros, 80, läutete N. zwischen den Schussabgaben. „Er hat gemeint, dass er mir eh nichts tut und er nur eine Zigarette und ein Feuerzeug braucht, und das hat er auch gekriegt. “

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