"Es kommen immer mehr Flüchtlinge"

Die Ausgaben für das Soziale steigen im Landesbudget heuer 3,7 Prozent. Dennoch übersteigt der Bedarf die vorhandenen Gelder beträchtlich. Gertraud Jahn kämpft um mehr Geld.
Weil die Flüchtlinge immer mehr werden, sei es so schwierig, genügend Quartiere zu finden, erklärt Soziallandesrätin Gertraud Jahn (SPÖ). Sie lobt das Engagement der Bevölkerung.

Gertraud Jahn ist Landesrätin für Soziales. Sie ist mit stark steigenden Flüchtlingszahlen konfrontiert und soll entsprechend Quartiere zur Verfügung stellen. Gleichzeitig steigt die Zahl der körperlich und psychisch Beeinträchtigten, für die sie für die kommenden fünf Jahre zusätzlich 200 Millionen Euro benötigt. Übermorgen, Dienstag, feiert die Sozialdemokratin, die aus der Arbeiterkammer kommt, ihren 57. Geburtstag.

KURIER: Warum erfüllt Oberösterreich noch immer seine Quote für die Asylwerber nicht? Wir sind 500 Plätze unter Plan. Zuerst wurde die Erfüllung für August 2014 angekündigt, zuletzt bis Weihnachten, jetzt reicht es noch immer nicht ...

Gertraud Jahn:
Wir sind momentan 454 Plätze unter Plan. Der Hauptgrund ist, dass immer mehr Flüchtlinge kommen. Obwohl wir so viele Plätze schaffen, haben wir Schwierigkeiten, auf die 100 Prozent zu kommen. Momentan sind wir bei 92 Prozent. Darauf bin ich stolz. Wir haben seit August bis heute für 1240 zusätzliche Plätze gesorgt. Insgesamt beherbergt Oberösterreich derzeit 4830 Personen. Davon versorgt das Land 4330. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Österreich beträgt 31.513. Aus heutiger Sicht kann ich die 454 Plätze bis Ende Jänner schaffen.

Ich bin sehr beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Überall bilden sich Unterstützungsgruppen, um bei der Integration zu helfen.

Die Landes-SPÖ liegt in den Umfragen drei bis vier Prozentpunkte unter den 25 Prozent des Wahlergebnisses von 2009. Was muss Ihre Partei tun, um das aufzuholen?

Sie muss möglichst viele Menschen davon überzeugen, dass die SPÖ die einzig positive Antwort auf die Sorgen der Menschen hat. Es ist wichtig zu investieren, dass wieder Arbeit geschaffen wird. Nicht kaputtsparen, sondern mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt. Schaffen wir eine konzertierte Arbeitsplatzoffensive? Ein weiteres Thema ist leistbares Wohnen. Die Freiheitlichen haben auf Kosten derer gespart, die es sowieso schon am schwersten haben. Nämlich bei der Wohnbeihilfe und bei den Alleinerzieherinnen.

Es gibt manche Stimmen in der SPÖ, die meinen, die Parteispitze müsste mehr Profil und Leadership zeigen.

Es kommt darauf an, was unter Leadership verstanden wird. Manche meinen, man müsste mehr Konfliktbereitschaft zeigen.

Die SPÖ verfolgt derzeit eine konstruktive Politik.

Ich glaube auch, dass man mit sachlicher Politik am meisten für die Menschen tut. Die Menschen haben nichts davon, wenn man ständig streitet. Unsere Linie ist ganz klar. Wir sind konstruktiv, wenn es den Menschen nützt, wir scheuen aber auch den Konflikt nicht. Wir sehen das in der Gesundheitsdebatte, wo sich schon relevante Unterschiede zeigen. Wir sind mit der Evaluierung der Reform in den Spitälern nicht zufrieden. Es rumort im Gesundheitsbereich, zum Beispiel bei den Ärzten.

Sollen die Spitalsärzte die von von Ihnen geforderte Erhöhung von 1200 Euro bekommen?

Wir haben schon im vergangenen Jahr mit zwei Anträgen darauf hingewiesen, dass dieses Thema gelöst werden muss. Erst jetzt wird es angegangen. Wir brauchen für die jungen Ärzte eine gute Grundbasis, aber wir brauchen auch die Hochqualifizierten und gut Bezahlten. Sie müssen entsprechend entlohnt werden.

Wie stark belastet die Lage der Bundes-SPÖ die Chancen der Landespartei?

Die Legislaturperiode dauert bis 2018. Bis dahin gibt es viele Auf und Abs. Entscheidend ist, dass wir das zentrale Thema, nämlich die ungerechte Verteilung von Einkommen, Vermögen und Steuern auf allen Ebenen diskutieren. Ohne gerechtere Verteilung gibt es keinen Ausweg aus der Krise. Das sagt die OECD, das Wirtschaftsforum in Davos, nur die ÖVP und die FPÖ schützen immer noch die Millionäre. Es ist nicht unsere Linie, auf Kosten der Kleinen zu sparen und die Großen zu schützen. Das muss die SPÖ sichtbar machen, dann mache ich mir um die Umfragen keine Sorgen.

Ihr Sozialbudget steigt heuer um 3,7 Prozent. Dennoch möchten Sie noch zusätzlich 200 Millionen Euro für psychisch und physisch beeinträchtigte Menschen: für 3000 Wohnplätze und 2200 Arbeitsplätze in geschützten Tagesheimstätten.

Wir haben im Sozialressort schon in den vergangenen Jahren einige Optimierungsmaßnahmen gesetzt. Wir haben zum Beispiel die Kollektivvertragserhöhungen nicht zur Gänze abgegolten. Die Trägerorganisationen wie Caritas Diakonie, Volkshilfe und Lebenshilfe haben das übernommen. Sie sind jetzt aber an den Grenzen der Leistungsfähigkeit angelangt. Heuer werden wir durch Optimierungen noch 50 Wohnplätze und 100 Arbeitsplätze schaffen können. Der Bedarf steigt enorm. Behinderte werden älter, ihre Eltern, die sie oft betreut haben, werden älter, die psychischen Beeinträchtigungen steigen. Dafür braucht es zusätzliches Geld. Ich schlage deshalb einen Behindertenfonds, einen Inklusionsfonds vor.

Gibt es Signale von der Bundesregierung, hier zusätzliche Kosten zu übernehmen?

Das wird Thema der Finanzausgleichsverhandlungen sein. Beim Pflegefonds war es auch so. Es gibt einen Beschluss aller Landessozialreferenten, dass wir so etwas auf Bundesebene wollen. In Oberösterreich sprechen sich alle vier Parteien für so einen Fonds aus.

Laut Aussage von Josef Pühringer haben Sie Verschiebungen im Sozialressort vorgenommen, die erhöhte Sozialausgaben der Gemeinden zur Folge haben.

Ich habe keine Verschiebungen vorgenommen, sondern die gestiegenen Kosten durch Einsparungen in anderen Bereichen zu einem beträchtlichen Teil abgedeckt. Bei der Kinder- und Altenhilfe haben wir gespart bzw. manche Projekte nicht umgesetzt. Die Mehrkosten für die Gemeinden sind entstanden, weil die Hilfe für die Behinderten ausgebaut worden ist. Es gibt nun Gespräche mit dem Landeshauptmann als Landesfinanzreferenten, wie wir mit der Situation umgehen. Wir werden einen Weg finden.

Die Sozialkosten steigen massiv, gleichzeitig haben wir geringere Steuereinnahmen aufgrund des niedrigen Wachstums. Wie kann man das auf Dauer finanzieren?

Es muss die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden. Es braucht eine Arbeitsplatzoffensive. Deshalb bin ich auch so stolz darauf, dass der Sozialminister angekündigt hat, dass es ein großes Wohnbauförderungsprogramm geben wird. In den nächsten fünf Jahren sollen damit 30.000 Wohnungen finanziert werden. In Oberösterreich haben wir uns bisher nicht durchgesetzt. Wir verlangen auch hier ein Sonderwohnbauprogramm und eine Offensive für Schulbauten, um die lahmende Wirtschaft in Schwung zu bringen. Ein Prozentpunkt mehr Wachstum sind eineinhalb Milliarden mehr Steuereinnahmen. Damit kann man sehr viel finanzieren.

ÖVP und FPÖ argumentieren dagegen, dass man nicht dauernd neue Schulden machen kann.

Bei jenen Ländern, die am meisten gespart haben, sind die Schulden am stärksten gestiegen. Grundsätzlich ist Sparen etwas Gutes, aber wenn alle gleichzeitig sparen, entsteht das sogenannte Sparparadoxon. Europa wird derzeit kaputtgespart. Für langfristige Investitionen soll man Kredite aufnehmen dürfen.

Als Gegenbeispiel steht Japan, das sich jahrelang schwer verschuldet hat, um das Wachstum anzukurbeln. Nun liegt die Schuldenquote bei 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Trotzdem ist das Land nicht wirklich auf die Beine gekommen.

Sie haben nichts für das Wachstum gemacht, deshalb steigen automatisch die Schulden. Die Situation wird für alle immer schlechter.

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