"Keine Toleranz für politischen Islam"

„Viele Vertreter der Muslime stehen für ein rückwärtsgerichtetes Weltbild“: Efgani Dönmez
Eine stärkere Integration der Flüchtlinge, Nein zum politischen Islam und einen innerislamischen Diskurs fordert der Grüne Efgani Dönmez.

Efgani Dönmez ist Bundesrat der Grünen. Er kam mit seiner Familie 1976 nach Österreich. Er ist gelernter Gas-, Wasser-, Heizungstechniker und absolvierte unter anderem die Akademie für Sozialarbeit für Berufstätige. Der 38-Jährige arbeitete unter anderem in der Betreuung von Flüchtlingen und Migranten.

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Efgani Dönmez:Hier prallen zwei Welten aufeinander. In unserem Demokratieverständnis gehört die Satire zur Meinungsfreiheit. Von den Muslimen wurde das als Diffamierung und Beleidigung aufgefasst. Das hat den radikalen islamistischen Kräften genutzt. Einer der Hauptgründe für den Zulauf dieser Gruppen liegt in der instrumentalisierten Theologie, die über Jahrhunderte bis zum heutigen Tag eine Symbiose mit den Herrschenden eingegangen ist. Politik und Religion wurden im politischen Islam vermischt. Hier wurde der Nährboden für politischen Extremismus aufbereitet. Jeglicher Intellekt und jede kritische Stimme wurde an die Ketten gelegt. Das hat zur geistigen Verarmung in der muslimischen Welt geführt. Gleichzeitig ging die Schere immer weiter auseinander zwischen den muslimisch geprägten Ländern und dem Westen.

Insofern wundert es mich überhaupt nicht, dass es so weit gekommen ist. Das Einzige, was jetzt anders ist, ist, dass der Terror und die Gewalt sich nicht mehr in den entfernten Herkunftsländern abspielt, sondern nach Europa getragen worden ist. Dadurch wurde allen vor Augen geführt, was ich schon seit Jahren thematisiere.

Was thematisieren Sie?

Den Einfluss des politischen Islams. Ich versuche ihn aufzuzeigen, seitdem ich in der Politik bin. Hier darf es keine falsch verstandene Toleranz geben.

Das heißt, man muss sich die Leute, die nach Europa kommen, näher anschauen.

Die Zuwanderung erfolgt über drei Schienen. Die eine ist Asyl. Hier kann man es sich nicht aussuchen, wer zu uns kommt. Der Großteil der 160 Dschihadisten, die aus Österreich in den Krieg gezogen sind, sind tschetschenischstämmig, bosnischstämmig und türkischstämmig. Hier hat es die Politik jahrzehntelang verabsäumt, Maßnahmen für die Integration zu setzen. Wir überlassen die Asylwerber dem luftleeren Raum, was der ideale Nährboden für die Seelenfänger ist. Aufgrund der Kriege haben wir in Österreich viele Afghanen, Kosovaren und Tschetschenen. Nun kommen die syrischen Asylwerber. Viele von ihnen werden hierbleiben, aber es gibt keine politischen Konzepte für die Integration dieser Menschen.

Was sollte passieren?

Die Asylverfahren sollten beschleunigt werden. Für jene, die hier bleiben können, sollte es ein Angebot an Deutschkursen, Weiterbildung und Arbeitsmöglichkeiten geben, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren können. Auch jene, die nicht auf Dauer in Österreich bleiben können und herumsitzen, sollten die Möglichkeit haben, einen Beruf oder ein Handwerk zu erlernen, damit sie sich zu Hause am Wiederaufbau beteiligen können, wenn sie zurückkehren. Hier fehlt mir die politische Weitsicht. Wir investieren Gelder in die Entwicklungshilfe, die oft gar nicht bei den direkt Betroffenen ankommt. Es wäre sinnvoller, gewisse Synergien bei der Flüchtlings- und Entwicklungshilfe zu koppeln.

Davon könnte auch die Wirtschaft profitieren. Wenn die Leute hier Deutsch und einen Beruf erlernen, könnten wir unsere Waren leichter in diese Länder liefern.

Statt die Menschen auszubilden und arbeiten zu lassen, sind diese in der Grundversorgung. Anerkannte Flüchtlinge dürfen noch drei Monate in der Grundversorgung bleiben. Danach haben sie Anspruch auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung (pro Person rund 800 Euro, pro Paar rund 1250 Euro, Anm. d. Red.). Wenn wir nicht Konzepte anbieten, dass sie auf eigenen Beinen stehen können, werden sie lange Zeit im Sozialsystem bleiben. Warum soll einer, der sowieso 800 Euro bekommt, für 900 oder 1000 Euro arbeiten gehen? Dieses Problem haben wir nicht nur bei Asylwerbern, sondern auch bei Inländern mit geringer Qualifikation. Diese Leute verdienen mit Schwarzarbeit noch ein paar Hunderter dazu und es passt für sie.

Man muss dort ansetzen, wo die Probleme sind. Wir haben viele Kulturvereine und NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die der verlängerte Arm der Politbüros der Herkunftsländer sind. Dazu gehören die Gruppierungen der Milli Görüs (laut dt. Bundesamt für Verfassungsschutz antidemokratisches Staatsverständnis, lehnt westliche Demokratien ab), islamisch-nationalistische Gruppierungen wie die Bewegung der Moslembruderschaft. Wir haben sie alle da. Sie agieren unter dem Titel Kulturvereine und betreiben Gebetsstätten. Das wissen die Verantwortlichen, aber alle schauen weg und keiner thematisiert es.

Im neuen Islamgesetz will Minister Sebastian Kurz, dass die Finanzierung der Religionslehrer durch das Ausland verboten wird.

Das, was ich schon vor vielen Jahren gefordert habe, wird jetzt langsam aufgegriffen. Die ATIB (Union islamisch-türkischer Kulturvereine in Europa) ist ein Verein, der der türkischen Religionsbehörde untersteht. Sie finanziert die Imame, die hier in den Schulen und Moscheen tätig sind.

Wer hat die Pro-Erdogan-Demonstrationen (für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Anm.d.Red.) im vergangenen Jahr organisiert und finanziert? Derartige Vereine gehören aufgelöst. Ihr Führungskader gehört unter Druck gesetzt, nicht die Leute, die dorthingehen, um zu beten. Der Verfassungsschutz weiß genau, welche Gruppierungen bedenklich sind.

Neben den Asylwerbern gibt es die Zuwanderung aus den Ländern der EU, die wegen der Personenfreiheit auch nicht steuerbar ist.

Dann gibt es noch als dritte Kategorie die Zuwanderung aus Drittstaaten, für die es Kriterien gibt und die immer geringer wird. Früher gab es Quoten. Stattdessen gibt es jetzt die kriteriengeleitete Zuwanderung: Sprache, Bildung, Alter. Wenn man die entsprechenden Punkte erreicht, erhält man den Aufenthaltstitel. Dieses Kontingent wird nicht ausgeschöpft, denn Österreich steht hier in einem internationalen Wettbewerb. Die besten Köpfe bevorzugen andere Länder, weil Österreich nicht attraktiv genug ist.

Die politische Aufgabe besteht darin, hier ein eigenes Ministerium für Migration, Asylwesen und Integration zu installieren, losgelöst vom Außenamt. Wir sollten weg vom parteipolitischen Hickhack. Es fehlt uns hier an einer offenen und ehrlichen Diskussionskultur. Wichtig ist, genau hinzuschauen und den Hebel anzusetzen.

Innerhalb der Muslime tun sich auch Konflikte auf.

Die innerislamische Diskussion ist zu führen. Neben den Glaubensinhalten ist die Exegese, die Theologie eines der höchsten Güter. Hier muss ein innerislamischer Diskurs in Gang gesetzt werden, der sich mit den problematischen Stellen, die es gibt, kritisch auseinandersetzt. In Europa haben die Muslime die Möglichkeit, diesen kritischen Diskurs zu führen, weil wir hier die Freiheit haben. Diese Freiheit gibt es in keinem einzigen muslimischen Land. Leider sehe ich keinen Lichtblick am Horizont, dass es in nächster Zeit zu einer Änderung kommen wird. Wir sehen lediglich einen Hilfeschrei, weil allen islamischen Verbänden das Wasser bis zum Hals steht.

Es ist viel leichter, Mahnwachen und Demonstrationen zu organisieren als sich kritisch mit der eigenen Position auseinanderzusetzen. Hier wird die Gutgläubigkeit und Unwissenheit vieler Politiker strapaziert,indem man zum gemeinsamen Marsch gegen die Islamisten aufruft. Aber gleichzeitig ist man nicht bereit, nicht willig und nicht fähig, die eigene Position zu hinterfragen, warum es überhaupt so weit gekommen ist.

Haben die Terroranschläge mit dem Islam zu tun? Maßgebliche Vertreter wie Murat Baser von der oberösterreichischen islamischen Glaubensgemeinschaft bestreiten das.

Natürlich haben sie mit dem Islam zu tun. Genau solche Argumente bereiten den Weg dafür vor. Der Präsident der österreichischen Glaubensgemeinschaft ist türkischstämmig und steht der Milli Görüs sehr nahe. Murat Baser, den ich an sich sehr schätze, ist auch in der islamischen Föderation aktiv, die ein Dachverband der Milli Görüs ist.

Milli Görüs ist eine islamistisch-nationalistische Gruppierung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mit religiösen Werten Politik zu betreiben. Sie hat in der Türkei Parteien betrieben, die drei Mal geschlossen worden sind. Sie sind eine Symbiose von Politik und Religion eingegangen. Hier gibt es ganz enge Kontakte mit anderen islamisch-nationalistischen Gruppierungen. Diese Gruppen haben auch die Demonstration am Samstag vor einer Woche in Linz organisiert. Hier wurde die Naivität und Gutgläubigkeit der einheimischen Politiker strapaziert. Diese wissen das nicht, aber ich weiß es, weil ich die Szene genau beobachte und kenne.

Sind diese Leute eine Gefahr für die offene Gesellschaft?

Sie sind keine Gefahr, aber sie sind Vertreter eines sehr konservativen Islams, der jeglichen Fortschritt im Keim erstickt. Selbstkritisches Denken ist ein Fremdwort. Sie nutzten die Unwissenheit und Dummheit der Menschen aus, um ihre Ansichten hier salonfähig zu machen. Die Aussagen von Herrn Baser bestätigten das, wenn er behauptet, der Theologe Mouhanad Khorchide sei gekauft. Khorchide hat hier seine Existenz verloren, denn die Islamische Glaubensgemeinschaft hat ihm die Lehrberechtigung entzogen und er durfte nicht mehr unterrichten. Er war gezwungen, nach Deutschland zu gehen und hat in Münster eine Hochschule für Islamwissenschaften eingerichtet. Er ist nun Berater der deutschen Regierung, ein gefragter Vortragender und einer der wenigen Lichtblicke in der islamischen Welt, die ein komplett anderes Bild des Islam zeichnen. Er sagt, der Islam gehört für die heutig e Zeit interpretiert. Er tritt für einen Islam der Barmherzigkeit ein. All die vorher genannten Vertreter stehen für ein erzkonservatives und rückwärtsgerichtetes Weltbild. Das ist auch der Grund, warum wir in Österreich und der Welt diese Probleme haben. Solche Menschen wie Khorchide wurden ausgegrenzt und diffamiert. Der Intellekt wurde an die Ketten gelegt, was den Nährboden für die radikalen Gruppierungen aufbereitet hat.

Sind Sie gläubig?

Ich bin Moslem. Aber Staat und Religion gehören streng getrennt.

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