Keimbefall bei zwei weiteren Babys in Linzer Spital

Kinderklinik Linz (Archivbild)
Ein Säugling an Lungenentzündung erkrankt. Alle vier betroffenen Kinder in Quarantäne.

Nach dem Tod eines Neugeborenen an der Landesfrauen-und Kinderklinik (LFKK) in Linz ist die Zahl der Babys, bei denen der Acinetobacter-Keim nachgewiesen werden konnte, weiter gestiegen. Aktuell befinden sich vier betroffene Kinder in Quarantäne. Für mehr als zehn potenziell Betroffene konnte am Dienstag Entwarnung geben werden, teilte Spitalsbetreiber gespag in einer Pressekonferenz mit.

Bei jenen Kindern, bei denen der multiresistente Keim nachgewiesen wurde, zeigen zwei keinerlei Symptome, erklärte Jens Meier, Leiter der LFKK-Anästhesiologie. Eines davon ist jenes Mädchen, das vermutlich den Erreger aus einem Spital in Sarajevo in Bosnien nach Linz eingeschleppt haben dürfte. Aufgrund der Schwere seiner Grunderkrankung kämpfe es jedoch ums Überleben. Bei einem weiteren Säugling ist inzwischen eine Lungenentzündung ausgebrochen, allerdings spreche er auf das Antibiotikum gut an.

Verdachtsfall

Bei dem vierten, am Dienstag bekannt gewordenen Fall, sei es erst ein Verdacht. Bei einem Abstrich sei ein Keim aus der Familie der Acinetobacter nachgewiesen worden, informierte Meier. Bis aufweiteres bleiben alle vier in Quarantäne.

Damit waren insgesamt fünf Kinder in der Klinik mit einem multiresistenten Keim befallen. Ein Neugeborenes ist bereits vorigen Donnerstag vermutlich in Folge einer Infektion gestorben. Die von der Staatsanwaltschaft beauftragte gerichtliche Obduktion hat jedenfalls ergeben, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen einer Operation und dem Tod bestehe.

Inzwischen hat das Spital auch Kontakt mit den Eltern von jenen Kindern aufgenommen, die sich in der fraglichen Zeit ebenfalls in der chirurgischen Intensivstation aufgehalten haben. "Zum Teil sind diese Patienten schon daheim, zum Teil noch im Spital", so Meier. Bei allen sei jedenfalls kein Keimbefall festgestellt worden. Auch bei 80 Prozent der 120 getesteten Mitarbeiter ergaben erste Abstriche ein negatives Ergebnis. Bei den restlichen stehen die Ergebnisse noch aus.

Unterdessen wurde auf der chirurgischen Intensivstation auch mit einer speziellen Gasreinigung begonnen. Der Keim gilt als sehr hartnäckig, er kann bis zu drei Tage an der Luft überleben. Im Anschluss daran könnte in zwei bis drei Tagen die Abteilung mit acht Betten wieder ihren Betrieb aufnehmen, erläuterte Gabriele Wiesinger-Eidenberger, stellvertretende ärztliche Leiterin der LFKK. Bis dahin werden keine geplanten Operationen durchgeführt.

Die Infektion eines Babys in einer Kinderklinik in Linz mit einem hochresistenten Keim lässt Ängste rund um die Infektionsgefahr in heimischen Spitälern aufkommen. Aktuelle Untersuchungen in 51 heimischen Spitälern zeigen aber: Österreich liegt hinsichtlich nosokomialer Infektionen, also solcher, die man sich im Krankenhaus zuzieht, im Europa-Vergleich im guten Mittelfeld.

Krankenhausinfektionen haben eine längere Krankheitsdauer, den Verlust von Lebensqualität bis hin zu erhöhter Sterblichkeit zur Folge. Hochrechnungen des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) zeigen, dass jährlich rund drei Millionen Menschen in einer europäischen Krankenanstalt daran erkranken – das sind sechs Prozent aller Patienten. In der aktuellen Untersuchung in Österreich betrug der Anteil 5,3 Prozent. Das ist eine leichte Verbesserung zur letzten derartigen Untersuchung im Jahr 2012, in dem sich 6,2 Prozent aller Patienten in Österreich mit einem Krankenhauskeim infizierten.

Lungenentzündung am häufigsten

Die Verteilung der infizierten Patienten über die einzelnen Fachgebiete entspricht der Verteilung der aufgenommenen Patienten: Chirurgie und Innere Medizin hatten jeweils ein Drittel der Patienten und somit auch der Infektionen. Die häufigsten Erkrankungen waren Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen, postoperative Wundinfektionen und gastrointestinale Infektionen. In rund der Hälfte der Fälle waren Multiresistenzerreger involviert. Der häufigste Erreger waren Enterobakterien.

„Wir sind auf einem guten Weg, aber es kommen laufend neue Herausforderungen in Sachen Krankenhaushygiene auf uns zu. Daher helfen uns diese Zahlen, strategisch zu planen und noch besser zu werden und jene Maßnahmen zu ergreifen, die die Patienten und Patientinnen schützen und zu einer erhöhten Patientensicherheit beitragen“, sagt Elisabeth Presterl, Leiterin der Universitätsklinik für Krankenhaushygiene der Medizinischen Universität Wien.

Krankenhaushygiene

Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder, das die Krankenhaushygiene im Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten festgeschrieben hat. Österreich ist auch das erste Land in Europa, das für 2015 diese Zahlen nach einem weiterentwickelten Protokoll der ECDC vorgelegt hat. Die nächste Prävalenz-Untersuchung ist bereits in Planung und soll 2017 abgeschlossen sein. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser unterstützt die Untersuchungen zu Krankenhausinfektionen: „Wir brauchen diese epidemiologischen Daten für die Planung unserer nationalen Maßnahmen. Je besser wir die Situation kennen, umso treffsicherer können wir Qualitätsstandards definieren und umsetzen.“

In der Linzer Landesfrauen- und Kinderklinik ist ein Säugling vermutlich an dem hochresistenten Keim Acinetobacter gestorben, der KURIER berichtete. Der Keim kann Wundinfektionen, Lungenentzündungen und Meningitis auslösen. Für gesunde Menschen sei der Keim harmlos, betonte Spitalsbetreiber gespag in einer Aussendung. Für Geschwächte - wie das bei dem betroffenen Kind der Fall war - allerdings nicht. Hochresistent bedeutet, dass verschiedenste Antibiotika nicht mehr wirken.

Erst im November warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor zunehmenden Bakterien-Resistenzen, die eine Behandlung immer schwieriger machen. Jedes Jahr sterben laut WHO rund 700.00 Menschen, weil Antibiotika gegen bestimmte Bakterien nicht mehr wirken. In der EU sind es rund 25.000 Menschen, die nach einer Infektion mit antibiotikaresistenten Bakterien jährlich versterben.

Globale Krise

In der Warnung der WHO heißt es, dass die Antibiotika-Resistenz eine „globale Gesundheitskrise“ sei. „Sie erreicht in allen Teilen der Welt ein gefährliches Ausmaß“, sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan. Viel zu viele Menschen seien noch immer nicht darüber informiert, wie Resistenzen entstehen und was dagegen getan werden kann. Oft verlangen Patienten beim Arzt direkt nach Antibiotika, obwohl diese gar nicht notwendig seien, etwa bei grippalen Infekten, die zu 80 Prozent durch Viren ausgelöst werden. Drei von vier Patienten wissen aber nicht, dass Antibiotika bei Virusinfektionen völlig wirkungslos sind – sie helfen nur gegen bakterielle Infektionen.

Patienten verlangen Antibiotika

Viele Patienten sind unzufrieden, wenn der Arzt ihnen keine Antibiotika verschreibt. Das zeigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Großbritannien. Allgemeinmediziner, die 25 Prozent weniger Antibiotika verschrieben als der Durchschnitt, hatten weniger zufriedene Patienten als ihre Kollegen. „Allgemeinmediziner fühlen oft einen Druck, ihren Patienten Antibiotika zu verschreiben – und können dem nur schwer widerstehen. Ärzte, die weniger verschreiben, benötigen mehr Unterstützung“, sagte Studienautor Mark Asworth vom King’s College London der BBC.

Tim Ballard, Vizepräsident des „Royal College“ der britischen Hausärzte, brachte es auf den Punkt: „Wir werden verdammt, wenn wir viele Antibiotika verschreiben – und wir werden verdammt, wenn wir das nicht tun. Es ist entmutigend, dass Ärzte, die hart arbeiten, um nicht angebrachte Verschreibungen von Antibiotika zu reduzieren, in den Zufriedenheitswerten bei ihren Patienten fallen.“

Problem in Österreich

Auch in Österreich gibt es dieses Problem: Obwohl der Großteil der Atemwegsinfektionen von Viren verursacht wird, erhalten mehr als 60 Prozent der betroffenen Kinder ein Antibiotikum, ebenfalls oft auf Druck der Eltern, stellte kürzlich ein Kinderarzt fest. Und am häufigsten werden Antibiotika am Freitag verschrieben – um auf Nummer sicher zu gehen. Auch müde Ärzte verschreiben mehr als ausgeschlafene – um sich Diskussionen zu ersparen. Auch bei jüngeren Frauen und älteren Männern seien die Antibiotika-Verschreibungen sehr hoch, meinte Prim. Univ.-Doz. Petra Apfalter Ende 2014, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Antibiotikaresistenz in Österreich. Durch Zuwarten und Schonen könnte man in vielen Fällen Antibiotika einsparen.

Österreich liegt bei der Häufigkeit von Antibiotika-Resistenzen im europäischen Mittelfeld. Experten sagen, es komme auch bei uns zu Infektionen, wo kein Reserveantibiotikum mehr zur Verfügung stehe, aber dies seien noch Einzelfälle. In den allermeisten Fällen könnten die Patienten gut behandelt werden und stünden auch bei Resistenzen eines Medikaments auch andere Präparate zur Behandlung zur Verfügung. Laut Gesundheitsministerium werde die Häufigkeit von Resistenzen genau überwacht.

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