„Die Bawag hat uns gelinkt“

Hans Mayr (58) ist seit 2003 Finanzstadtrat in Linz. Der SPÖ-Fraktion des Gemeinderates hat er seit 1985 angehört. Er war bei der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse beschäftigt, zu deren Direktor er 1995 ernannt worden ist.
KURIER: Der Richter in der Causa
Frankenspekulation hat am ersten Prozesstag gemeint, es liege Verschulden sowohl von der Stadt
Linz als auch von der Bawag vor. Er plädiert für einen Kompromiss. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Hans Mayr: Die Frage ist, was ein Kompromiss ist. Die Bawag hat bis heute nicht erklärt, wie sie auf die Summe kommt. Sie hat weder im Mediationsverfahren noch vor Gericht bisher erklärt, wie sich die 417 Millionen Euro zusammensetzen. Es gibt die Vermutung, dass der Schaden für die Bawag weitaus geringer ist und in der Summe auch ein nicht näher definierter Gewinn enthalten ist. Die Beschlusslage des Gemeinderates ist jetzt so, dass das Zivilverfahren stattfindet. Man kann über Gespräche erst dann reden, wenn die Bawag einmal die Karten auf den Tisch legt. Sie hat offensichtlich ein Problem beim Nachweis ihrer Geschäfte.
Die Richter hat festgestellt, dass die Stadt
Linz Fehler gemacht hat. War das so?
Es ist sicher so, dass man im Nachhinein gescheiter ist als im Vorhinein. Die Frage ist, wer die Verantwortung hat, wenn man so ein Produkt einer Kommune andreht: die Bank oder wir? Ich habe ab und zu in Österreich den Eindruck, dass man Opfer und Täter verwechselt.
Sie sehen sich als Opfer und nicht als Täter?
Wir sind von der Bawag aus Profitgründen schlicht und ergreifend gelinkt worden. Es gibt hier interessante Zusammenhänge. Die Bawag hat sich mit Refco 2006 in New York mit 1,3 Milliarden Dollar verglichen. Dann hat die Bawag Kollegen Werner Penn (der damalige Linzer Finanzdirektor, Anm. d. Red.) toxische Produkte angetragen. Vielleicht war der Finanzierungsbedarf der Bawag damals so groß, dass man versuchen hat müssen, auf bestimmten Wegen zu Geld zu kommen?
Wie konnte Ihnen so etwas passieren, wo Ihnen doch in der Vergangenheit der Ruf vorauseilte, ein Finanzfachmann zu sein?
Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie mit Finanzmarktprodukten beschäftigt.
Aber Sie können doch nicht behaupten, dass das alleine Ihre Leute in der Finanzabteilung gemacht haben und Sie davon nichts gewusst haben? Sie tragen hier doch als Chef eine Verantwortung.
Es hat die Berichte im Finanzausschuss gegeben, wo man von Zinssicherungs- und Zinstauschgeschäften gesprochen hat. In der Darstellung war das Risiko immer begrenzt. Es gibt ja auch das Imo-Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft, das besagt, dass für die Mitglieder des Finanzausschusses das Risiko wirklich nicht erkennbar war.
Die politische Verantwortung geht deutlich darüber hinaus, dass man selbst Schaden verursacht hat. Wie sehen Sie Ihre politische Verantwortung?
Es gibt zwei Begriffe von politischer Verantwortung. Den fundamentalistisch-religiösen Begriff, der rückwärtsgewandt in Strafe, Schuld und Sühne denkt. Nach dem Motto Rübe ab.
Sie könnten ja zur Erkenntnis kommen, es liegt zwar kein direktes schuldhaftes Verhalten vor, aber es ist ein Schaden für die Stadt entstanden, ich ziehe die Konsequenzen.
Es ist kein Schaden entstanden.
Bis jetzt noch nicht. Aber durch die Gerichtsentscheidung könnte das passieren.
Ich gehe davon aus, dass wir das Verfahren gewinnen werden.
Ihr persönliches Verständnis von politischer Verantwortung?
Das ist ein aufklärerischer Begriff, der in die Zukunft gerichtet ist. Ist es nicht auch Verantwortung zeigen, wenn man versucht, den Schaden nicht eintreten zu lassen und dafür zu kämpfen, dass die Stadt unbeschadet herauskommt? Das ist sicherlich nicht meine Erfindung, sondern das Verständnis des deutschen Philosophen Michael Schmidt-Salomon, der ein wunderbares Buch mit dem Titel Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind geschrieben hat.
So ähnlich hat auch die Salzburger Landeshauptfrau
Gabriele Burgstaller argumentiert. Sie hat gemeint, sie wolle die Dinge in Ordnung bringen. Mit dem Resultat, dass sie abgewählt worden ist. Müssen Sie das nicht auch befürchten?
Die Frage ist, ob das vergleichbar ist und wie es die Bevölkerung aufnimmt. In Salzburg sind über Jahre derivative Geschäfte abgeschlossen worden. Das ist eine andere Liga.
Werden Sie bei der Gemeinderatswahl 2015 nochmals antreten?
Das muss ich mir noch überlegen.
Franz Dobusch will im Herbst entscheiden, ob er 2015 nochmals als Bürgermeister kandidiert. Sie gehören zu seinem Team. Verändert sich dadurch für Sie etwas?
Wenn sich personelle Besetzungen ändern, ändert sich für jeden etwas. Grundsätzlich entscheidet es die Partei, wen sie haben will. Ich habe ein sehr gutes Arbeitsverhältnis und eine sehr gute Beziehung zum Kollegen Luger, wenn er Nachfolger werden sollte. Ich bin grundsätzlich kein Sesselkleber. Wenn die Partei sagen sollte, eine andere Besetzung wäre besser, habe ich kein Problem.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie nichts gewusst. Deshalb haben Sie keine direkte Verantwortung und deshalb sind Sie auch Opfer.
Grundsätzlich ist die Stadt Opfer. Auch in Deutschland sind Tausende Kommunen gelinkt worden. Die deutsche Rechtsprechung ist eindeutig.
Gegen die Banken.
Die mediale Situation in Deutschland ist auch etwas anders.
Wir Medien schreiben falsch?
Nein. Es muss einen völlig unabhängigen Journalismus geben. Wenn man subjektiv vergleicht, ist der Zugang zum Bankenverhalten in Deutschland ein anderer als in Österreich. Das kann auch dadurch bedingt sein, dass es in Deutschland schon eine Reihe von Judikaten gibt bis zum Bundesgerichtshof hinauf.
Wo ist für Sie die Schmerzgrenze, wo Sie sagen, wenn die überschritten wird, muss ich die Konsequenzen ziehen?
Ich sage deswegen keinen Betrag, weil ich die Stadt nicht schädigen will. Bei jeder Zahl, die ich nenne, sagt die Bawag, aha, dazu ist die Stadt bereit.
Wie geht es Ihnen persönlich mit dem Swap? Belastet Sie diese Causa?
Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das ist keine Belastung. Denn es geht ja auch bis ins Persönliche und Familiäre. Wenn meine über 80-jährige Mutter Todesanzeigen und Beileidsschreiben wegen mir erhält, dann ist das nicht so locker.
Wie ist die Finanzsituation der Stadt?
Wir haben so wie alle Kommunen eine angespannte Finanzsituation. Die Frage ist, wo die Ursachen liegen.
Bei Ihnen hat immer das Land
Oberösterreich die Schuld.
Das ist nicht die alleinige Ursache, aber wir zahlen viel zu hohe Beiträge ans Land. Das muss sich mit der Steuerreform ändern.
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