"Gesamthaft ist der moderne Diesel der sauberste Antrieb"

Gerhard Wölfel, Geschäftsführer der BMW Motoren GmbH
Der Geschäftsführer des BMW Motorenwerks in Steyr warnt die Politiker davor, für 2030 das Ende der Verbrennungsmotoren auszurufen. Tausende Arbeitsplätze sind dadurch gefährdet.

Gerhard Wölfel (59) ist seit 2009 Geschäftsführer des BMW Motorenwerks in Steyr. 1982 ist der Niederbayer, der in Straubing geboren ist, in die BMW AG eingetreten. 4500 Mitarbeiter produzieren in Steyr 1,3 Millionen Motoren jährlich. Der Umsatz 2016 betrug rund 3,9 Milliarden Euro. Seit dem Start im Jahr 1979 wurden mehr als 6,4 Milliarden Euro investiert. Zjm Tag der offenen am 3. September kamen rund 35.000 Besucher ins Werksgelände.

KURIER: Die FAZ hat am 5. September ihren Wirtschaftsaufmacher getitelt mit "Der Diesel ist ein Ladenhüter. Der Absatz bricht ein." Wie geht es Ihnen dabei, wenn Sie das lesen? Gerhard Wölfel: Wir müssen wieder auf den Boden der Tatsachen kommen. Ohne den Diesel sind die Klimaziele des Jahres 2020 nicht zu erreichen. Wenn man es gesamthaft betrachtet, ist der moderne Diesel, der Euro-6-Diesel die sauberste Antriebsform.

Ist er sauberer als der Benziner?

Man kann den Benziner mit dem Diesel nicht vergleichen. Unsere Abgasnachbehandlungen sind beim Diesel aufwendiger als beim Benziner. Unser BMW 520d ist der letzte Stand der Technik. Die Abgase gehen ständig nach unten. Der Diesel ist mit Sicherheit kein Ladenhüter.

Aber selbst neun von zehn Euro-6-Diesel erfüllen in den Tests nicht die Werte, die vorgeschrieben sind.

Ich kann nur für BMW sprechen. Es ist eine Tatsache, dass unsere Motoren weltweit bei den Tests immer sehr gut abschneiden. Wir setzen auf eine Harnstoffeinspritzung und eine Katalysator-Technik. Wir erfüllen alle nationalen und internationalen Anforderungen.

Werden aufgrund der Diskussion weniger Dieselfahrzeuge gekauft?

Die Verunsicherung beim Kunden ist da. Aber sie bewegt sich immer noch im Rahmen. Wir haben hier in Steyr eine hohe Abtauschflexibilität vom Diesel zum Benziner.

Was heißt das?

Wir haben im vergangenen Jahr knapp 1,3 Millionen Motoren produziert. Davon waren 900.000 Diesel und 400.000 Benziner. Wir werden heuer rund 800.000 Diesel und 500.000 Benziner herstellen. Diese Flexibilität gibt uns die Luft zum Atmen, sodass wir die Beschäftigung sichern können. Wir halten aber eine Renaissance des Diesels für durchaus möglich.

Die Diesel-Debatte wird auch die Mitarbeiter verunsichern. Was antworten Sie ihnen?

Wir sind seit der Gründung in Steyr im Jahr 1979 beständig gewachsen. Wir haben schon viele unsichere Zeiten gut überstanden. Mittlerweile haben wir mit 4500 Mitarbeitern einen Beschäftigungstand auf Rekordniveau. Auch für die Zukunft sind wir mit verschiedensten Reaktionsbausteinen sehr flexibel aufgestellt und bieten unseren Mitarbeitern sichere Arbeitsplätze. Heute und morgen.Der Autokauf leidet interessanterweise unter der Dieseldiskussion nicht. Es werden nun bevorzugt Benziner gekauft.

Individuelle Mobilität wird auch in 20 und 30 Jahren noch von hohem Wert sein. Der Automarkt wächst weltweit jährlich um zwei bis drei Millionen. 2020 werden rund 100 Millionen Fahrzeuge unterwegs sein. 2015 waren es 87 Millionen.

Die Konstante wird für die nächsten Jahre weiterhin der Verbrennungsmotor sein, ob Benziner oder Diesel. Wir verzeichnen sehr gute Erfolge bei der Abgasreduzierung. Bereits heute bieten wir 170 BMW und 51 MINI Modelle mit maximal 130 Gramm CO2 an.

Ab 2030 soll es keine Verbrennungsmotoren mehr geben. Das fordern die deutschen Grünen und Österreichs Bundeskanzler Christian Kern. Ist das ein realistischer Zeitrahmen?

Mit den modernen Motoren werden wir immer besser werden. Politik, Sozialpartnerschaft und Industrie sollten in gemeinsamer Verantwortung einen Weg beschreiten und einen geordneten Plan entwickeln, damit die Transformation in neue Antriebsformen stattfinden kann. Andernfalls reden wir von einem Verlust von Arbeitsplätzen. Dann hätten wir in Österreich das eine oder andere Problem, wenn Werke wie BMW in Steyr nur noch halb so groß wären.

Welche Rolle spielen die Hybridmodelle, die sowohl über einen Elektro- als auch einen Verbrennungsmotor verfügen?

Das ist eine Brückentechnologie. Sie wird von uns forciert. Wir bringen bis 2025 25 elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt, zwölf davon werden rein batteriegetrieben sein, der Rest sind Hybridfahrzeuge.

In dieser Zeit muss man sich mit der Batterietechnologie noch intensiver beschäftigen. Sie hat derzeit zwei große Nachteile: die Reichweite und den Preis. Da rede ich noch gar nicht von der Ladeinfrastruktur, von der Energiedichte usw. Wir brauchen Zeit für die Entwicklung der Speichermöglichkeiten. Deshalb ist die vorläufige Antwort die Hybridtechnologie. Damit kann mit in den Städten abgasfrei fahren und mit dem Verbrennungsmotor die Überlandstrecken absolvieren.

Die Hybridautos sind aberteurer als reine Diesel-Antriebe.

Klar, denn es ist mehr Inhalt aufgrund der Kombination der Antriebstechnologien enthalten. Auch wenn die Kosten nicht voll weitergegeben werden.

BMW hat von allen Autokonzernen am stärksten in die Elektromobilität investiert. Ist der Standort Steyr bereits in die Produktionskette der Elektrofahrzeuge eingebunden?

Wir haben drei Standbeine: die Dieselmotoren-Entwicklung-Entwicklung, die Mechanische Fertigung und die Motorenmontage. Alle drei können an der Elektromobilität partizipieren. Wir werden sicher überlegen, wie wir unser Entwicklungs-Know-how hier nutzen können. Zum Beispiel, um Kühlkreisläufe zu entwickeln. Die Kühlung einer Batterie ist eine wesentliche Komponente. Wir werden uns sicher Gedanken machen, wie wir die Mechanische Fertigung nutzen können, um zum Beispiel in die Komponentenfertigung für den Elektromotor einzusteigen. Wir können hier auf bestehende Fertigungslinien zurückgreifen und diese adaptieren. Das ist weniger arbeitsintensiv als woanders neue Anlagen aufzubauen. Außerdem ist am Standort jahrelanges Know-how vorhanden. Es ist heute verfrüht zu sagen, ob wir jemals Elektromotoren zur Gänze bauen werden. Das hängt sicherlich auch davon ab, wie sich der Markt entwickelt.

Ist die Zukunft von BMW in Steyr gesichert?

Ein klares Ja, ohne Wenn und Aber. Es ist mir wichtig, dass wir den Mitarbeitern das Gefühl geben, dass auch ihre Kinder bei BMW in Steyr einen guten Arbeitsplatz haben werden. Der Wandel muss sich langsam gestalten. Abrupt wird gar nichts gehen. Deshalb auch mein Appell, dass Politik, Sozialpartner und Industrie hier gemeinsam arbeiten.

Digital geschaltet wird sich die Welt nicht ändern. Das wird nicht disruptiv sein, sondern sich über einen langen Zeitraum gestalten.

Wie wirkt sich die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen aus?

Sie ist für uns nichts Neues. Die Automatisierung und damit die Digitalisierung waren immer schon Baustein des Produktionskonzeptes von BMW. Sie werden weiter entwickelt. Das geht bereits so weit, dass Roboter einem Mitarbeiter zuarbeiten. In der Logistik gibt es selbstfahrende Versorgungssysteme. Eigentlich ist es eine Evolution, eine Weiterentwicklung und keine Revolution.

Unterschiedlich zu den anderen industriellen Revolutionen ist, das diese viel breiter kommen und alle Bereiche im Unternehmen erfassen wird. Bildung und Wissen werden alleine nicht mehr ausreichen, denn sie haben eine Halbwärtszeit. Wir müssen die künstliche Intelligenz beherrschen, die hier heranwächst. Das ist für mich der Knackpunkt. Es werden Arbeitsplätze wegfallen, aber es werden auch neue entstehen.

Es wird kein großes Verschwinden von Arbeitsplätzen geben?

Überhaupt nicht. Denn der Mensch ist mit seinen Fähigkeiten der Maschine überlegen. Die Mechanische Fertigung ist heute bereits zu 98 Prozent automatisiert.

Wie ist der aktuelle Stand beim autonomen Fahren?

In Steyr ist der Stand jener, den das Gesamtunternehmen hat. Denn zum autonomen Fahren tragen wir nichts bei. Autonomes Fahren spielt sich überwiegend in der Sensorik ab. In Form von Infrarotsensoren, Kamerasystemen etc. Wir sind am Stand der Technik und haben im BMW 5er entsprechende Systeme eingebaut. Der Fahrer kann auf der Autobahn das Lenkrad bis zu 30 Sekunden loslassen. Das Auto lenkt und fährt von selbst. Das ist das sogenannte Hands off und Feet off. Es kommt irgendwann das Eyes off und das Brain off, aber davon sind wir noch weit entfernt. Wir haben den Weg des automatisierten Fahrens begonnen. Es wird aber noch ein langer Weg sein, um das auf die Straße zu bringen. Inklusive der Rahmenbedingungen. Die Technik wird früh bereit sein, es geht aber ganz wesentlich um die Rechtsprechung und um ethische Fragen. Diese Diskussionen sind noch nicht geführt.

Ich bin kürzlich von Gmunden nach Wien gefahren und habe das Lenkrad nicht mehr wirklich in der Hand gehabt. Ich habe es nur alle 30 Sekunden in die Hand genommen. Es gab nur fünf Situationen, zum Beispiel Baustellen, wo ich eingreifen musste. Es ist ungewohnt, wenn das Auto das Kommando übernimmt. Aber der Mensch wächst in das alles hin ein. Das autonome Fahren trägt zur Sicherheit und zur Entlastung der Verkehrssituationen bei. Man kann die Verkehrsdichte erhöhen. Autonomes Fahren hilft bei der Vermeidung von Staus.

Zum Bau von Elektrofahrzeuge braucht man wesentlich weniger Teile als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Das gefährdet doch die mitteleuropäische Autoindustrie.

Es stimmt, dass man wesentlich weniger Teile benötigt. Man braucht zum Beispiel keinen Auspuff mehr, Ölwechsel ist keiner mehr notwendig, was wiederum den Handel betrifft. Aber auch bei den Elektrofahrzeugen wird es um Emotionen gehen, wenn es beispielsweise um die Innenausstattung geht. Es wird da genauso eine Differenzierung und Premiumhersteller wie heutzutage geben.

Wird die deutsche Autoindustrie ihren weltweiten Spitzenplatz halten können?

Der Wettbewerb wird mit Sicherheit intensiver, vor allem mit Asien. Trotzdem glaube ich, dass Ingenieurskunst und das Zusammenarbeiten mit der gesamten Zulieferindustrie nicht so einfach zu kopieren sind. In Verbindung mit der Weiterentwicklung, die sich nicht jeder wird leisten können, hat Europa die Nase vorne. Wir müssen daran arbeiten, dass wir immer den Schritt vorne sind, was Technologien, Patente und Weiterentwicklung anlangt. Allein ein Drittel der Diesel-Patente in Österreich kommt von BMW. Wenn man so einen Zweig wie den Diesel abdreht, geht auch Innovationskraft verloren. Wir haben in der Fahrzeugtechnik tolle Universitäten und Hochschulen. Wenn der Verbrennungsmotor weg wäre, würde das auch alles wegbrechen. Österreich ist hier weltweit führend. Das Wiener Motorensymposium, das jedes Jahr Ende April stattfindet, findet weltweite Anerkennung. Das ist der Opernball der Motorenbauer. Es gibt weltweit nichts Vergleichbares.

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