Freude verdoppeln, Leid halbieren

Schulexperte und Autor Andreas Salcher
Der Erfolgsautor Andreas Salcher hat mit "Ich bin für Dich da" ein Buch über die Kunst der Freundschaft veröffentlicht.

Andreas Salcher war 12 Jahre Landtagsabgeordneter der ÖVP Wien. Er gründete mit der Karl Popper Schule eine Schule für Hochbegabte. 2004 initiierte er das Waldzell Meeting, das viele Nobelpreisträger und den Dalai Lama nach Österreich brachte. 2008 ging er mit dem Titel Der talentierte Schüler und seine Feinde unter die Autoren. Dienstagabend war Salcher, der am kommenden Sonntag seinen 55. Geburtstag feiert, auf Einladung von Academia Superior im Linzer Schloss zu Gast.

KURIER: Sie waren einmal Politiker und haben die Nutzenfreundschaft kennengelernt. Am Ende mit einem sehr nüchternen Ergebnis.

Andreas Salcher: Das hat nicht nur mit Politik zu tun, das würde einem Manager genauso ergehen. Wenn man seinen gesamten Freundeskreis aus dem beruflichen Umfeld rekrutiert und dieses Umfeld weg ist, sind auch die Freunde weg. Die Botschaft ist, man braucht Freunde, zu denen man so starke persönliche Beziehungen hat, die über das Berufliche hinausgehen.

Ich werte die Nutzenfreundschaften nicht ab, weil dadurch auch tiefe persönliche Freundschaften werden können. Auch aus einer Freizeitfreundschaft kann sich eine tiefe Freundschaft ergeben.

Sie zitieren Niki Lauda, der sagt, ich habe keine wirklichen Freunde und dazu stehe ich auch.

Ich habe ihn deshalb zitiert, weil er die Anforderungen, die er an Freunde stellt, so hoch legt, dass sie eigentlich niemand mehr erfüllen kann. Wenn man sagt, die Freunde müssen 24 Stunden für mich da sein, dürfen mich nie enttäuschen, müssen immer lustig drauf sein, müssen mich immer verstehen und intellektuell überragend sein, dann kann niemand diesen Level erreichen. Das ist aber auch ein bisschen ein Schutzmechanismus.

Was ist Freundschaft?

Schon Aristoteles hat zwischen den drei Formen der Nutzenfreundschaft, der Freizeitfreundschaft und den wahren Freunden unterschieden. Die meisten Menschen nennen folgende Kriterien, die mit meinen übereinstimmen. Erstens Vertrauen und Loyalität. Einem Freund muss man alles sagen können, ohne Angst zu haben, dass das nach außen dringt. Zweitens muss der Freund in Krisensituationen alles liegen und stehen lassen. Deshalb heißt mein Buch auch Ich bin für Dich da. Wenn es einem wirklich schlecht geht, nach einer Scheidung, nach Jobverlust, bei einer lebensbedrohenden Krankheit, dann haben wir Menschen die Tendenz uns zurückzuziehen und nicht mehr die Kraft, den Freund anzurufen. Dann braucht man Freunde, die das spüren und sich von sich aus melden. Der andere Aspekt ist, dass Freunde auch die schönen Dinge miteinander teilen.

Der dritte Aspekt ist die Seelenverwandtschaft. Diese gibt es auch in Liebesbeziehungen. Seelenverwandtschaft sind diese besonderen magischen Augenblicke, wo wir das Gefühl haben, der andere ist ein Teil von mir und ich bin ein Teil von ihm.

Es gibt Menschen, die meinen, Freundschaften sind wichtiger als Liebschaften.

Das ist relativ genau erforscht. Die Grant-Studie der Universität Harvard ist die umfangreichste, die jemals zu Glück und Gesundheit gemacht worden ist. Ergebnis: Für ein gesundes und glückliches Leben sind die sozialen Beziehungen das entscheidende. Da sind die Liebes- und Freundschaftsbeziehungen gleichrangig. Wir brauchen beides. Und wir brauchen gelingende Beziehungen. Eine Ehe, in der dauernd gestritten und gekämpft wird, ist genauso schädlich wie keine Beziehung zu haben. Entscheidender als der Cholesterinwert, den wir mit 50 Jahren haben, ist die Qualität der Beziehungen. Der englische Philosoph Francis Bacon hat das schon Jahrhunderte zuvor mit einem Satz auf den Punkt gebracht: Freundschaft verdoppelt die Freude und halbiert das Leid.

Eines Ihrer Gebote ist die Aufforderung, belastende Freundschaften mit allen Konsequenzen zu beenden. In Ihrem Buch "Erkenne Dich selbst" empfehlen Sie jedoch, Beziehungen nicht abzubrechen, sondern einfach auslaufen zu lassen.

Mit allen Konsequenzen bedeutet, Entscheidungen zu treffen. Warum soll man das tun? Es ist eher ein Problem, speziell von Frauen, sich von belastenden Freundinnen zu trennen. Man hat nur ein bestimmtes Zeit- und Energiebudget. Wenn man sich von den negativen Dingen zu stark belasten lässt, hat man zu wenig Energie für Freunde, die einem helfen und mit denen es mir besser geht. Und zu wenig Energie, um neue Freundschaften beginnen zu können. Die Tatsache, dass man mit einem Menschen die Schulbank gedrückt hat, verpflichtet nicht dazu, sich ein Leben lang an einen Menschen zu binden, der nur negative Energien schafft.

Das Zweite ist, wie man eine Freundschaft beendet. Da empfehlen Aristoteles, Cicero und Baltasar Gracián, nicht einen Bruch herbeizuführen, sondern sie langsam ausklingen zu lassen. Warum ist es gescheit, es so zu machen? Weil man sich möglicherweise in 10 oder 15 Jahren wieder über den Weg läuft. Beide haben sich inzwischen weiterentwickelt. Dann kann eine Freundschaft, die eingeschlafen ist, wieder erweckt werden. Baltasar Gracián sagt außerdem, Freunde können einem gute Dienst erweisen, aber Feinde kennen dich und deine schwachen Seiten gut und können dir wirklich schaden. Hüte dich vor verdorbenen Freunden!

Ihr erstes erfolgreiches Buch war "Der talentierte Schüler und seine Feinde" (2008). Nun haben Österreichs Schüler bei der PISA-Studie schlecht abgeschnitten. Was sind die Ursachen?

Wir waren bei der ersten PISA-Studie im Jahr 2000 schon nicht gut und liegen trotz aller Maßnahmen, trotz der Steigerung des Bildungsbudgets, trotz Neuer Mittelschule etc. nun in allen drei Bereichen schlechter als damals. Die Tendenz, die nach unten geht, ist das Erschreckende. Wir waren nie in der Nähe der Spitze. Am Geld kann es nicht liegen, denn wir haben das zweitteuerste Bildungssystem in der EU. Sonja Hammerschmid hat das Ergebnis als inakzeptabel bezeichnet. Sie ist die erste Bildungsministerin, die das nicht schönredet. Als Land mit 8,7 Millionen Einwohnern kann es sich Österreich nicht leisten, dass ein Viertel des Begabungspotenzials systematisch vernichten, nur weil die Kinder "am falschen Ort in die falsche Familie" hineingeboren wurden. Es klafft eine riesige Lücke zwischen den Bildungsschichten und den bildungsfernen Schichten.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Wir haben die Lehrer nie darauf vorbereitet, mit einer wesentlich heterogeneren Schülermasse umzugehen. Als ich in die Handelsakademie gegangen bin, haben wir an der gesamten Schule einen Ausländer gehabt, das war der Sohn eines Diplomaten. Das hat sich massiv verändert. In Ländern wie Kanada ist es selbstverständlich, dass die Kinder der Migranten vom ersten Tag an von den Lehrern Coaching und zusätzlichen Sprachunterricht bekommt. Außerdem sind das alles Ganztagsschulen. Die Ganztagsschulen sind die einzige Chance für die bildungsfernen Schichten. Nicht zufällig sind die teuersten Privatschulen der Welt ganztägige Schulen.

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