„Foltergeräte“ und Goldfüllungen
Ziemlich martialisch rückten im 18. Jahrhundert die sogenannten Bader einem schmerzenden Zahn zu Leibe. Mit einem Metallhaken verschafften sie sich im Zahnfleisch Platz, um unter die Wurzel zu gelangen. Mit aller Kraft rissen sie dann das lädierte Kauwerkzeug aus dem Mund. „Das war eine wilde Geschichte. Damals gab es große Hygieneproblem, die Wunde fing dann an zu eitern. Außerdem gab es immer wieder Kieferbrüche“, erklärt Wilfried Wolkerstorfer vom Zahnmuseum Linz die Probleme mit den sogenannten Zahnbrechern. Diese Geräte der für das Gebiss finsteren Zeit können im Alten Rathaus Linz besichtigt werden.
Angst
Kein Wunder, dass die Bader in vergangenen Jahren wenig angesehen waren. Doch auch heute fürchten sich viele Menschen trotz moderner Technik vor dem Gang zum Zahnarzt. „Die Gründe dafür sind in der Tiefenpsychologie zu finden. Der Mensch macht, wie es Sigmund Freud beschrieb, in seiner Entwicklung eine orale Phase durch, die sehr prägend ist. Der Mund ist immer etwas Intimes und Privates“, weiß der Zahnarzt. Deshalb werde der Schmerz beim Bohren auch anders wahrgenommen als eine Gallenkolik oder Knochenbrüche, obwohl diese weit mehr wehtun würden.
Aus diesem Grund sei es auch das Ziel des Museums, die Angst vor Eingriffen am Gebiss abzubauen und über Vorsorge zu informieren. Seit 1998 gibt es die Einrichtung. Angefangen hat alles im Linzer Allgemeinen Krankenhaus mit einer kleinen, zeitlich begrenzten Ausstellung. Danach übersiedelte man ins Alte Rathaus, hatte jedoch nur 60 zur Verfügung. Seit 22. März hat das Museum über die Geschichte der Zahnheilkunde größere Räumlichkeiten bezogen.
Sammler
„Die Idee zum Haus entstand aus der Sammlertätigkeit vieler Kollegen, die alte Geräte gehortet haben.“ Der Grund: Die technische Entwicklung sei sehr rasant. Wolkerstorfer etwa habe seine Praxis in den vergangenen 25 Jahren drei Mal neu eingerichtet. Im Museum laden deshalb eine Fülle an Bohrern, Röntgengeräten und Behandlungsstühlen der vergangenen 150 Jahre zum Besichtigen und Probesitzen ein und geben einen Blick über den Fortschritt in der Zahnheilkunde. „In den 1950er-Jahren hatte der Lichtstrahl der Beleuchtung 300 Lux. Eine neue Lampe leistet mit 50.000 Lux so viel wie ein Gerät im OP-Saal.“
Doch nicht nur Werkzeuge, sondern auch alte Zahnspangen oder -füllungen aus Gold haben Vertreter der Zunft für das Haus, das keine Förderungen erhält, zusammengetragen. Besonders stolz ist Wolkerstorfer auf einen sogenannten Mastikator aus Holz aus der bäuerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts. „Damit haben Menschen ohne Zähne harte Nahrungsmittel wie Brot zerkleinert“, sagt der Experte über das seltene Gerät.
Auch verformte und kuriose Beißer hebt sich die Berufsgruppe der Zahnärzte gerne auf. Eine Sammlung verformter Kauer gibt es in einem Setzkasten im Museum ebenfalls zu sehen. Doch was passiert eigentlich mit jenen Kauwerkzeugen, die nicht ungewöhnlich sind und die sich die Patienten nicht mit nehmen? „Die werden im Sondermüll entsorgt und verbrannt.“
Ausstellung
Das Linzer Zahnmuseum im Alten Rathaus in der Pfarrgasse 9 geht auf 160 der Zahngeschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart nach. Das Sortiment reicht von einem über 300 Jahre alten Behandlungsstuhl fahrender Bader bis hin zu einem Benzin betriebenen Bohrer. Der Eintritt ist frei.
Das Museum hat von Montag bis Freitag zwischen 9 und 13 sowie zwischen 14 und 18 Uhr geöffnet. Besucher sollen sich vor Besuch telefonisch beim Stadtmuseum Genesis anmelden: 0732/7070 1920.
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