"Erhöhung muss den Leuten bleiben"

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl
Der Wirtschaftskammer-Präsident über die Erhöhung des Mindestlohns und die Kammerreform.

Christoph Leitl ist seit dem Jahr 2000 Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Am 29. März feiert er seinen 68. Geburtstag.

KURIER: Was bedeutet die Reform der Wirtschaftskammer in Oberösterreich?Christoph Leitl: Es geht uns ganz wesentlich um Innovation. Für Oberösterreich ist Innovation das Zauberwort für die Zukunft. Thomas Stelzer und Michael Strugl sind Garanten dafür, dass das Land Richtung Spitze marschiert. Die Aussage Strugls, dass uns Durchschnitt nicht reichen kann, ist zu hundert Prozent zu unterstützen. Nur wer Spitze ist zählt. Wir müssen in Europa Mitgestalter werden. Das können wir aber nur aus einer Position der Stärke.

Personell ist Oberösterreich stark und zukunftsfähig aufgestellt. Zwei Rösser sind jetzt vor den Wagen Oberösterreich gespannt, die ihn gut ziehen werden, weil sie in die gemeinsame Richtung gehen. Daneben gibt es Begleiter wie Doris Hummer in der Wirtschaftskammer oder Meinhard Lukas in der Universität oder Gerhard Straßer im AMS.

Es geht bei der Reform ganz wesentlich um Einsparungen.

Wir sparen in der Wirtschaftskammer 20 Prozent der Mitgliedsbeiträge ein. Das sind 134 Millionen. Die Digitalisierung gibt uns dazu die Möglichkeit. Es machen zukünftig nicht mehr die Bundeskammer und die neuen Landeskammern dasselbe. In den verschiedenen Bereichen soll da jeweils eine Kammer die Lead-Kammer sein. Wir gehen da an Grenzen. Wir zeigen das, was wir vom Bundesstaat immer wieder fordern, selbst vor. Vor zehn Jahren habe ich die Kammerbeiträge um 30 Prozent gesenkt, und jetzt um 20 Prozent. Das sind 50 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts. Bei gleichzeitiger Steigerung der Mitgliedszahl um zwei Drittel und einer Steigerung der Kammerumlagen zwölf Prozent. Würde der Staat nicht 50 Prozent einsparen wie wir es machen, sondern nur zehn Prozent, dann hätten wir kein Budgetdefizit und genug Geld für Forschung und Bildung. Wir könnten dann so erfolgreich sein, dass die nächste Generation ein Leben nach ihren Vorstellungen führen könnte. Dazu gehören Qualifikation, Innovation und die Vernetzung der Kleinbetriebe untereinander.

Wir müssen die zunehmende Diskrepanz Stadt-Land sehr genau verfolgen. Die Strukturen am Land werden dünner. Unsere Bezirksstellen müssen weiter entwickelt werden. Sie müssen regionale Impulsgeber, Entwicklungspromotoren werden. Mit dem AMS, mit den Sozialpartnern und für soziale Einrichtungen. Die Breitbandtechnologie ist für die Ansiedlung von Betrieben am Land enorm wichtig. Die Milliarde, die der Bund hier einsetzt, ist viel zu wenig. Wir brauchen das Siebenfache, damit wir in drei bis fünf Jahren damit fertig sind.

Sie machen zwar die Reform, Sie werden aber die Kritiker der Pflichtmitgliedschaft, die vor allem aus der Industrie kommen, damit letztlich trotzdem nicht zufrieden stellen können.

Ich habe vor der Reform mit Experten wie dem Präsidenten des Rechnungshofes geredet. Mit Claus Raidl....

...er ist ein Gegner der Pflichtmitgliedschaft...

Er hat mir gute Ideen gegeben. Ich habe mit Hans Peter Haselsteiner geredet,mit Nationalbankpräsident Nowotny. Alle sagten, ihr bringt sehr gute Leistungen. Vor allem die Außenwirtschaft. Ohne gesetzliche Mitgliedschaft, die eine solidarische ist und bei der alle mitzahlen, können wir die Außenwirtschaftsorganisation, die in der ganzen Welt vertreten ist, nicht finanzieren. Dann ist diese Organisation, die weltweit die beste ist, weg. Alle sagen, die WIFI und die Gründerzentren sind toll. Aber überall dort, wo es keine Pflichtmitgliedschaft gibt, werden die Wirtschaftsvertretungen zu Lobbying-Vereinen, die für Geld Aufträge erfüllen. Wollen wir das?

Die Sozialpartner sind von der Regierung beauftragt, die Arbeitszeit zu flexibilisieren. Bis zu zwölf Stunden am Tag sollen möglich sein. Arbeiterkammer und Gewerkschaft befürchten, dass die Arbeitnehmer um die Überstundenzuschläge umfallen. Ist das ein berechtigter Einwand?

Nein. Das Ziel ist dann zu arbeiten, wenn Arbeit da ist. Wenn über einen gewissen Durchrechnungszeitraum die Mehrarbeit da ist, muss sie voll und ganz als Überstunden abgegolten werden.

Können Sie garantieren, dass die Arbeitnehmer nach der Reform dasselbe verdienen?

Ich kann zwei Dinge garantieren. Wenn über einen Durchrechnungszeitraum Mehrleistung überbleibt, wird sie als Überstunde abgerechnet. Das wollen ein Drittel der Leute. Ein zweites Drittel will Freizeit. Hier braucht es ein Umdenken in der Wirtschaft selbst. Es kann nicht der Betrieb allein entscheiden, wann Freizeit ist, sondern der Arbeitnehmer ist hier mindestens gleichberechtigt der Souverän der von ihm angesammelten Zeit.

Die Gewerkschaft wirft Ihnen und den Unternehmern vor, dass Sie den Standort Österreich schlechtreden, dass Sie gesagt haben, Österreich ist abgesandelt.

Es ist besser, kritisch zu sein, als die Dinge schönzureden. In den vergangenen Jahren sind wir europaweit vom ersten Platz in der Beschäftigung auf Platz acht oder neun abgerutscht. Das sollte doch gerade einem Gewerkschafter zu denken geben, was man besser machen soll. Deutschland hat Reformen durchgeführt und liegt sensationell gut.

Früher lag Österreich vor Deutschland, nun haben sich die Verhältnisse umgekehrt.

So ist es. Ich sage auch kritisch, dass wir in den Kollektivvertragsverhandlungen den Beschäftigten immer mehr Geld geben, dass aber durch staatliche Abzocke immer weniger Geld in den Taschen der Arbeitnehmer bleibt. Die Steuern und Abgaben sind zu hoch, weil der Staat nicht vernünftig wirtschaftet. Deutschland erwirtschaftet Budgetüberschüsse, wir machen weiter Schulden. Das müssen die Gewerkschafter auch einmal zur Kenntnis nehmen und sie sollen sich überlegen, ob das Geld nicht in den Taschen der Beschäftigten tatsächlich ankommen soll. Wenn wir von 1300 auf 1500 Euro Mindestlohn in Etappen gehen, was die Gewerkschaft will, dann bleiben den Betroffenen von den 200 Euro brutto nur 100 Euro netto. Die anderen 100 kassiert der Staat. Ich frage warum?

Hingegen bekommen die Bezieher der Mindestsicherung die Transferzahlungen netto. Da darf man sich nicht wundern, wenn es Menschen gibt, die sagen, ich würde ja gern arbeiten, aber anders schneide ich besser ab.

Ein Fehler im System.

Man kann darauf zweierlei reagieren. Entweder man kürzt die Versorgungsleistungen, dann kommt der Aufschrei Sozialabbau. Oder man erhöht die Löhne und Gehälter, was die Gewerkschaft will. Ich kann damit leben. Dann soll aber das Geld bei jenen bleiben, die leistungswillig sind. Der Staat soll hier nicht mit 50 Prozent mitschneiden.

Sie wollen eine Reduzierung der Steuern und Abgaben.

Der Wirtschaftsforscher Karl Aiginger hat das ebenso gefordert wie sein Kollege Christoph Badelt. Runter mit den Lohnnebenkosten und den Lohnsteuern bei den Klein einkommen! Lasst den Leuten das Geld, das sie verdienen! Lasst ihnen die Kaufkraft, die sie für ihr Leben benötigen! Ansonsten ist wieder der besser dran, der mit staatlichen Transferleistungen versorgt wird.

Die Gewerkschaft hat das Ergebnis einer Umfrage vorgelegt, wonach für die Jungen die Work-Life-Balance ganz wichtig ist und sie deshalb eine Ausweitung der Arbeitszeit ablehnen.

Ich unterstreiche, dass die Work-Life-Balance ganz wichtig ist. Das sagen auch unsere Studien. Man muss sich aber die Fragestellung ansehen. Die längere Arbeitszeit wird als Regelfall dargestellt, obwohl die 12 Stunden ein Ausnahmefall sind. Wir haben auch Umfragen. Da sagen 70 Prozent, das ist in Ordnung. Sie tun gern mit, aber sie wollen einen fairen Ausgleich. Entweder Überstunden oder Zeitsouveränität und eine Absicherung gegen Wirtschaftseinbrüche, damit sie nicht um ihren Job zittern müssen.

Sie sind um ein paar Monate älter als Josef Pühringer, der nun mit 67 in den Ruhestand geht. Was ist mit Ihnen?

Ich bin bis 2020 gewählt. Ich definiere mich nicht nach Zeit, sondern nach Aufgaben. Wir haben nun eine Megareform eingeleitet, in der katholischen Kirche würde man von einem Konzil sprechen. Ich habe die nächste Generation eingebunden. Ich habe sie gefördert bei der Umsetzung ihrer Vorstellungen. Ich habe noch zwei weitere Vorhaben. Österreich hat heuer den Vorsitz in der OSZE. Da begleite ich Sebastian Kurz in wirtschaftlichen Fragen. Nächstes Jahr haben wir im zweiten Halbjahr den Vorsitz in der EU. Wir müssen Europa neu gestalten, es geht um die Positionierung Europas im globalen Wettbewerb. Dieses Projekt möchte ich noch begleiten.

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