"Die Chancen steigen für alle"

Gerhard Strasser, AMS Oberösterreich
Die ausgezeichnete Konjunktur reduziert die Arbeitslosenzahlen deutlich.

Gerhard Straßer (59) ist Landesgeschäftsführer des AMS Oberösterreich.

KURIER: Die Wirtschaft brummt, das Wachstum in Oberösterreich beträgt drei Prozent plus, die Arbeitslosigkeit müsste deutlich zurückgehen.

Gerhard Straßer: Ja, sie nimmt ab. Im Jänner ging sie in Oberösterreich im Vergleich zum Vorjahr um 13,2 Prozent auf 46.386 Arbeitslose nach unten. Das ist ein Rekordrückgang. Die Arbeitslosenquote liegt nun bei 6,8 Prozent, im Vorjahr betrug sie 7,9 %. Wir glauben, dass sich diese Entwicklung über das gesamte Jahr erstrecken wird. Wir erwarten, dass wir bei einer Gesamtjahresarbeitslosigkeit von 5,5 % landen werden. Die Chancen steigen für alle.

Man darf dabei zwei Aspekte nicht übersehen. Die Probleme der Wirtschaft, entsprechende Fachkräfte zu finden, werden stärker. Und trotz der zu erwartenden guten 5,5 Prozent liegen wir dennoch deutlich über dem, was wir in der Zeit vor der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 gehabt haben.Damals betrug die Arbeitslosenquote 2,9 Prozent.

Woran liegt das?

Zum einen sind die Ansprüche der Wirtschaft an die Qualifikation gestiegen. Die Arbeitsfelder sind alle anspruchsvoller geworden. Zum anderen wurde das Sozialrecht geändert. Die Möglichkeit für Menschen mit gesundheitlichen Problemen, vorzeitig in die Pension zu gehen, wurde reduziert. Zugleich verschob sich das Pensionsalter nach oben.

Es gib t Gruppen, die es am Arbeitsmarkt sehr schwer haben: Menschen im Alter von 50 plus, Menschen mit gesundheitlichen Problemen, Menschen mit schlechter Qualifikation und Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen.

46.000 Arbeitslose sind noch immer relativ viel, obwohl man sagt, dass drei Prozent Arbeitslosigkeit einer Nullarbeitslosigkeit gleich kommt.

Von drei Prozent sind wir mit 5,5 % weit weg. Von den 46.000 muss man aber ein Drittel wegrechnen, denn das sind Saisonarbeitslose. Die Zahl ist de facto niedriger, aber in absoluten Zahlen noch immer sehr hoch.

Es muss uns als AMS gelingen, dass wir die Menschen so qualifizieren, dass sie Arbeit finden. Oder dass wir Betrieben einen Anreiz zur Einstellung geben. Indem der Betrieb zum Beispiel im ersten Monat keine Kosten für den Arbeitnehmer hat. Unsere Erfahrung ist, dass die Betriebe diese Test-Arbeitnehmer dann auch meist behalten.

Wegen des Aufschwungs am Arbeitsmarkt hat die Bundesregierung die Aktion 20.000 für Arbeitslose über 50 Jahren ausgesetzt. Aber für die Menschen über 50 Jahren bleibt der Arbeitsmarkt schwierig.

Wir haben in Oberösterreich durch die Aktion 20.000 rund 800 Menschen in Arbeit gebracht, die es wirklich schwer haben. Wir hätten uns gewünscht, dass die Aktion weiter bestehen bleibt. Und dass sie nicht nur für den gemeinnützigen und öffentlichen Bereich beschränkt bleibt, sondern auch im betrieblichen Bereich gelten soll. Es soll für die Firmen ein Anreiz geschaffen werden, über 50-Jährige aufzunehmen und zu integrieren. Der Vorteil in den Betrieben besteht darin, dass die Aktion nachhaltiger sein würde. Der Vorteil von den Gemeinnützungen und Öffentlichen ist, dass man Menschen, die aufgrund ihrer langen Arbeitslosigkeit ihren Optimismus bereits verloren haben und frustriert sind, dort noch unterbringt, wo die Bereitschaft in Betrieben vielleicht nicht so groß ist.

Der Grüne Landesrat Rudolf Anschober hat die Aktion "Ausbilden statt abschieben" gestartet. Abgelehnte Asylwerber sollen im Land bleiben dürfen, wenn sie eine Lehrstelle haben. Sie vertreten ebenfalls diese Ansicht bei Asylwerbern, die in Mangelberufen arbeiten.

Ich sehe das pragmatisch. Es gibt Firmen, die Lehrlinge suchen. Sie finden aber keine, weil es in Österreich niemanden gibt, der diesen Berufswunsch hat. Es gibt nun Menschen, die bereits da sind und vom österreichischen Staat versorgt werden müssen. Es ist schlüssig zu sagen, diese Person soll dort arbeiten dürfen. Der andere Weg wäre, vom Ausland jemand herein zu holen.

Die Vernunft und der Pragmatismus legen das nahe. Aber es eine Fortsetzung des Grundproblems, dass alle Migranten versuchen, über die Asylschiene ins Land zu kommen, obwohl sie eigentlich Einwanderer aus wirtschaftlichen Gründen sind. Man muss doch unterscheiden zwischen jenen, die aus religiösen oder politischen Gründen verfolgt werden, also Anspruch auf Asyl haben, und jenen, die ihr Leben verbessern wollen.

Es würde schon genügen, wenn die Asylverfahren schneller durchgeführt werden würden. Denn dann könnte man sagen, wer Asyl bekommt, darf in einem Lehrberuf arbeiten. Wer nur kurz da ist und abgelehnt wird, darf das nicht. Unser Problem ist, dass die Asylwerber bereits so lange da sind und bis dato keine Entscheidung haben. Es wäre natürlich besser, wenn die Menschen auf andere Weise als durch Asyl ins Land kommen. Aber ich vertrete den Pragmatismus des Arbeitsmarktpolitikers. Die Firma braucht jemanden, ich habe jemanden da, deshalb lasse ich ihn arbeiten.

Mit 1. Februar wurde die sozial gestaffelte Gebühr für die Nachmittagsbetreuung in den Kindergärten eingeführt. Die Abmelderate ist beträchtlich, rund 50 Prozent haben sich in Steyr abgemeldet, rund 30 Prozent in Wels. Wie beurteilen Sie die Maßnahme?

Wir stehen vor der Schwierigkeit, dass Frauen, die arbeitslos sind, uns sagen, dass sie nur am Vormittag arbeiten können, weil da die Kinderbetreuung geregelt ist. Von d er Gesetzeslage ist es so, dass wir diesen Frauen sagen, sie müssen die Kinderbetreuung so organisieren, dass sieden ganzen Tag arbeiten können.

Es wird nun in den kleineren Gemeinden spannend, wo ganz e Kindergartengruppen aufgelöst werden. Das macht es für uns schwierig, die Frauen entsprechend zu vermitteln.

Wenn Gruppenaufgelöst werden, ist das für Sie ein Problem.

Das liegt auf der Hand. Wenn wir Frauen haben, die arbeiten wollen und vom Arbeitslosengeld her auch arbeiten müssen, und es gibt am Nachmittag keine Kinderbetreuung, ist das für uns problematisch. Wir glauben, dass diese Gebühr sich in der guten Konjunkturlage nicht positiv auswirken wird, weil am Arbeitsmarkt jetzt jede Person gebraucht wird. Aus unserer Sicht und aus Sicht des Arbeitsmarktes ist es wichtig, dass eine umfangreiche Betreuung zur Verfügung steht. Es mag schon zumutbar sein, dass man eine Gebühr für die Betreuung verlangt. Aber es muss das Kinderbetreuungsangebot geben. In manchen Gemeinden werden Gruppen aufgelöst, deshalb verschlechtert sich die Situation am Arbeitsmarkt für die Frauen, aber auch für die Firmen, dass sie genügend Personal finden. In den ländlichen Regionen haben wir eine sehr niedrige Arbeitslosenquote, dort ist die Kinderbetreuung besonders wichtig. Denn die Mütter mit Kindern sind nicht jene, die auspendeln, sondern sie wollen in der Region arbeiten. Sie brauchen die Kinderbetreuung. Das Land will 13 Millionen Euro einsparen, aber die Nebenwirkungen sind nicht positiv.

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