"Bin menschlich von Pilz enttäuscht"

Maria Buchmayr
Trotz schlechter Umfragewerte ist die Landessprecherin der Grünen für die Wahl optimistisch.

Die Linzerin Maria Buchmayr (47) ist Landesprecherin der Grünen und gehört seit 2009 dem Landtag an.

KURIER: Das Antreten von Peter Pilz mit einer eigenen Liste erschüttert die Grünen.Maria Buchmayr: Ich verstehe es persönlich überhaupt nicht, warum er das tut. Immerhin ist er 31 Jahre auf einem Ticket der Grünen im Nationalrat gesessen und er hat die Grünen mitbegründet. Ich bin menschlich enttäuscht. Wir werden Wahlkampf ohne ihn führen und Wahlkampf machen können wir sehr gut.

Die Chefredakteurin einer Tageszeitung hat ihren Leitartikel mit "Die grüne Selbstzerfleischung" betitelt. Sie bezeichnet die Demontage von Pilz als "politisch dumm". Mit demselben Urteil versieht sie die Wahl von Gabriele Moser auf dem dritten Listenplatz in Oberösterreich.

Der Vorwurf der Demontage stimmt überhaupt nicht. Pilz hat für Platz vier kandidiert. Das Ergebnis war sehr knapp, er selbst hat beschlossen, nicht weiter zu kandidieren. Er wäre mit Sicherheit auf dem sechsten Listenplatz gewählt worden und damit hätte er ein fixes Mandat gehabt.

Gabriele Moser ist eine exzellente Wahlkämpferin, sie ist auf Platz drei. Ich bin überzeugt, dass sie wieder in den Nationalrat einziehen wird.

Eines der Themen, das Pilz von den Grünen unterscheidet, ist die Migrationsfrage. Er übt scharfe Kritik am politischen Islam. Eine ähnliche Position hat Gabriele Moser, die in einem Interview sagte, dass sie bei den Grünen mit diesem Thema intern nicht durchgekommen.Landesrat Rudolf Anschober kritisierte im KURIER-Interview die von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz durchgeführte Schließen der Balkanroute als auch die geforderte Schließung der Mittelmeerroute. Welche Position vertreten Sie?

Migrations- und Integrationspolitik ist etwas sehr Komplexes. Wir haben die Dinge immer gesehen und angesprochen.

Würden Sie das bitte konkretisieren? Soll es eine Begrenzung des Flüchtlingsstroms geben?

Wir haben gemeinsam mi t unserer Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, die hier viel Erfahrung hat, einen Masterplan mit sechs Schritten erarbeitet. Wenn man die Migrationsbewegung stoppen will, muss man die Fluchtursachen bekämpfen. Zum Beispiel die Kriege verhindern und den fairen Handel unterstützen. Man muss legale Zugänge nach Europa schaffen, damit sich die Flüchtlinge nicht in Lebensgefahr begeben müssen. Man muss Botschaften an den EU-Außengrenzen schaffen, damit die Flüchtlinge legal einreisen können.

Sollen die Botschaften in Afrika sein?

Man muss sich das im Detail ansehen, was am vernünftigsten ist. Man muss die illegalen Fluchtwege minimieren und die Menschenleben retten. Die Asylverfahren müssen verkürzt werden. Es muss die europäische Solidarität eingefordert werden. Es kann nicht sein, dass nur einige wenige Länder die Migration bewältigen. Jene, die einen positiven Asylbescheid erhalten, sollen gut integriert werden.

Das heißt, dass die EU-Länder gezwungen werden, gegen ihren Willen Flüchtlinge aufzunehmen. Derzeit werden die Flüchtlinge von der EU aus den Booten der Schlepper geholt und nach Italien gebracht. Die meisten EU-Länder wollen sie aber nicht aufnehmen.

Die Staatengemeinschaft soll so stark werden, dass alle Länder ihre Pflichtaufgabe aus menschenrechtlicher Hinsicht erfüllen. Es müssen die Quoten erfüllt werden.

Kurz will die Flüchtlinge nach Afrika zurückbringen, damit sie dort ihre Asylanträge stellen.

Ich halte es für sehr schwierig sie wieder zurückschicken. Es ist diesen Menschen nicht zuzumuten, diese Tortur nochmals zu machen. Es muss zuerst einmal Realität werden, dass die Flüchtlinge von Afrika aus den Asylantrag stellen können. Es müssen legale Zugangswege nach Europa geschaffen werden. Derzeit kann man auf legalem Weg nicht nach Europa kommen.

Eine Diskussion, die in Deutschland sehr intensiv, aber in Österreich kaum geführt wird, ist die über die Abgase der Autos. Speziell über den Diesel. In Linz werden bei der Messstelle beim Römerbergtunnel die zulässigen Grenzwerte überschritten. Warum thematisieren die Grünen in Oberösterreich die Abgasdiskussion nicht stärker?

Das kann ich so nicht stehen lassen. Wir haben mit Rudi Anschober den Umweltlandesrat, der diese Werte immer im Auge hat. Und in Linz die Umweltstadträtin Eva Schobesberger, die sehr wohl sehr aktiv ist.

Wenn man die Abgase reduzieren will, muss man den öffentlichen Verkehr ausbauen. Das predigen wir rund um die Uhr.

Einfahrverbote für alte Diesel-Motoren sind kein Thema?

Das sind berechtigte Maßnahmen, die man aber im Detail durchdenken muss. Denn Menschen mit alten Autos würden dadurch Nachteile erleiden. Das Grundinstrument, die Abgase zu reduzieren, ist der öffentliche Verkehr.

Verbote von Dieselautos sind lediglich reparierende Maßnahmen, in Wirklichkeit muss man schauen, dass der Autoverkehr langfristig reduziert wird.

Ist das nicht eine Illusion? Die Realität ist doch, dass der Autoverkehr deutlich zunimmt.

Weil die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs vernachlässig wird. Man muss ihm entsprechend den Vorrang geben und attraktiv machen. Wenn er einfach zu nutzen ist, werden das die Menschen machen. Es werden dann viele gern und freiwillig auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, weil es stressfreier und angenehmer ist.

Die Projekte für den öffentlichen Verkehr wie die zweite Linzer Straßenbahnachse sind frühesten in zehn bis 15 Jahren realisiert.

Aus meiner Sicht dauert das zu lange. In der Verkehrspolitik ist in der Vergangenheit viel vernachlässigt worden.

Die Grünen liegen laut Umfragen in Oberösterreich bei sieben bis neun Prozent, was unter den zehn Prozent des Landtagswahlergebnisses 2015 ist.

Das ist natürlich alles andere als erfreulich. Das trifft einen, wenn man Verantwortung hat. Wer uns kennt, weiß, dass wir unsere Politik und unsere Ideen mit voller Kraft und Power unter die Menschen bringen. Ich bin für die nächsten Jahre optimistisch, weil wir für die zukünftigen Fragen einfach die besten Antworten haben. In der Bildungs-, Umwelt- und Verkehrspolitik. Das müssen wir noch viel pointierter und klarer an die Menschen bringen.

Stehen sich die Grünen nicht selbst im Weg, wenn solche Dinge wie bei der Erstellung der Kandidatenlisten passieren? Nicht nur beim Bundeskongress, sondern auch in Kärnten. Das ist ja alles wenig erfreulich.

Das kann ich nur zu hundert Prozent unterstreichen. Gerade wir Grüne sind auch eine lernende Organisation. Wenn wir der Krise etwas Positives abgewinnen wollen, dann das, dass wir mit einem großen Lerneffekt daraus hervorgehen.

Was ist der Lerneffekt aus der Listenerstellung?

Ich stehe dazu, dass bei uns basisdemokratisch gewählt wird. Jedes Mitglied kann die Landesliste mitbestimmen. Dadurch ist immer ein Reflexionsprozess eingeleitet. Dadurch können sich die Strukturen nicht so verkrusten.

Dieser Abstimmungsmodus durch die Mitglieder eröffnet Überraschungen Tür und Tor.

Das ist klar. Überraschungen können immer passieren. Es ist eine Sache der Interpretation, ob Überraschungen positiv oder negativ gesehen werden. Statt Pilz ist nun Julian Schmid im Parlament. Das ist schlicht und einfach ein Generationenwechsel. Das gilt auch für Oberösterreich.

Da folgt der 43-jährige Biobauer Clemens Stammler dem 56-jährigen Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber.

Julian Schmid ist der jugendliche Kandidat, der die Jungen anspricht ...

... dann war aus Sicht des Generationenwechsels bei der Kandidatenaufstellung ja eh alles richtig. Pilz soll in Pension gehen ...

... nein, überhaupt nicht. Mir tut es um Peter Pilz leid, auch wenn ich davon enttäuscht bin, was er daraus macht. Wenn er für Platz sechs kandidiert hätte, wäre er sicher gewählt worden und er wäre wieder im Nationalrat gewesen. Und er wäre ein extrem wichtiger Teil des Teams, da sind sich alle einig.

Was würde es bedeuten, sollte Pilz tatsächlich den Sprung in den Nationalrat schaffen?

Es gäbe eine weitere Parlamentsfraktion. Man muss nun einmal schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Es sind noch zweieinhalb Monate bis zur Wahl am 15.Oktober. Ich bin sicher, dass sich das Blatt zugunsten der Grünen noch drehen wird und wir die entsprechende Stärke entwickeln. Ich bin viel unterwegs. Die Menschen bewegen andere Dinge als das, was wir hier diskutieren. Wenn wir das ansprechen, was den Menschen wichtig ist, werden wir die Kraft finden. Die Motivation bei uns Grünen steigt von Tag zu Tag.

Kommentare