„Schönheit wird die Welt retten“

"Die stockkonservativen Bischöfe sind momentan ganz still“, sagt Anselm Grün.
Der Bestsellerautor über Papst Franziskus, das Böse und die Schönheit

Anselm Grün ist Mönch der bayerischen Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Der 69-Jährige ist mit rund 20 Millionen verkauften Büchern der meistgelesenste christliche Autor der Gegenwart. Rund 50 seiner bisher 250 Titeln wurden beispielsweise in Koreanische übersetzt, 22 ins Chinesische. Dieses Jahr ist er zu Vorträgen unterwegs nach Argentinien, Chile, Brasilien, Malaysia, Hongkong, Korea, Tansania und Polen. Am Freitag, 14.3., spricht er um 10 Uhr in Rohrbach zum Thema Was will ich? Mut zur Entscheidung, am Samstag 15.3., im Bildungshaus Puchberg. Um 9 Uhr zum Thema Jesus als Therapeut und um 15 Uhr zu Heilende Kraft der Bilder.
Kürzlich erschienen seine Titel Dem Bösen begegnen – Wege zu einem versöhnten Miteinander und Schönheit – Eine neue Spiritualität der Lebensfreude.

KURIER: Gibt es das Böse überhaupt?
Anselm Grün:
Natürlich gibt es das. Man braucht nur in die Welt zu schauen.Die, die Böses tun, empfinden das gar nicht so. Sie sagen, das ist gut für mich, das sind meine Interessen.
Schon Thomas von Aquin sagt, jeder, der Böses tut, meint, das Gute zu tun. Das Böse ist eine Verneinung. Es gibt schon Menschen, die Lust am Bösen haben, weil sie sich sonst selbst nichts zutrauen. Oft sind es Menschen, die wenig Selbstvertrauen haben, die selbst verletzt worden sind und die diese Verletzung einfach weitergeben. Das ist das psychologisch Böse. Albert Görres, der Berliner Psychiater, sagt einmal, das Böse ist oft das Begleichen alter Rechnungen bei den falschen Schuldner. Eigentlich will ich es den Eltern heimzahlen, aber weil Sie gerade da sind, zahle ich es Ihnen heim.

Wie stellt sich heute das Böse dar?
Es gibt Verirrungen wie den Terrorismus. Aber auch diese Leute glauben Gutes zu tun. Das sind Verblendungen. Das Böse in Form von Kriminalität, indem man bewußt Gesetze übertritt. Die Lust an der Anarchie, sich an keine Maßstäbe zu halten, Geld zu gewinnen und reich zu werden. Die Buddhisten sagen, die Gier ist die eigentliche Ursache des Bösen. Man will immer mehr auf Kosten der anderen. Weil Gott nicht interessant ist, will man etwas anderes Transzendentes und verherrlicht dann den Satan.


Im Katholischen wird das Böse Teufel genannt und auch so dargestellt. Das ist doch überholt.
Klar. Hier hilft die nüchterne Theologie. Die Dogmatik sagt, Teufel und Dämonen sind geistige Wesen und Mächte, die mein Person-Sein zerstören wollen. Der Teufel ist ein Bild für eine Realität. Wenn man sagen würde, das Böse ist nichts anderes als schlechte Gedanken, würde man es verharmlosen.


Wie kann man damit umgehen, wenn man vom Bösen getroffen wird, wenn man Opfer wird?
Man muss versuchen sich zu schützen. Wenn man aber Opfer geworden ist, ist es wichtig, nicht Opfer zu bleiben. Man soll die bösen Menschen, die mich verleumden und verletzen, aus sich her auswerfen, dass man die Wut und Aggression findet, sich von ihnen zu distanzieren und zu sagen, das ist deren Problem.

Sie waren als Cellerar viele Jahre für die wirtschaftlichen Belange des Klosters zuständig. Sie haben sich öffentlich dazu bekannt, Aktien und Anleihen zu kaufen.
Geld soll den Menschen dienen. Man soll das nicht machen, um reich zu werden. Es geht uns darum ,den Arbeitnehmern einen sicheren Arbeitsplatz zu garantieren. Es gilt die Existenz unserer Schule zu sichern. Der Staat zahlt nur 80 Prozent der Lehrergehälter. Das Kloster zahlt jedes Jahr 200.000 Euro drauf.
Man kann auch bei den Aktienanlagen ethische Grundsätze verfolgen. Die Geldanleger haben auch ethischen Einfluss, zum Beispiel dass es keine Kinderarbeit geben darf.

Viele Menschen empfinden die Welt als unsicher. Der Arbeitsplatz ist unsicher, die Ehe ist unsicher. Wie kann der Mensch darauf reagieren?
Der Mensch braucht in sich gute Wurzeln. Wurzeln im Glauben, aber auch in der Biographie. Rituale sind zum Beispiel ein wichtiger Weg, um an der Lebens- und Glaubenskraft meiner Vorfahren teilzuhaben.

Rituale in welcher Form?
Eine ältere Dame hat mir erzählt, dass ihre Söhne, die alle in der Wirtschaft tätig sind, die alten Rituale wiederhaben wollen, wenn sie zu Weihnachten nach Hause kommen. Sie haben das Bedürfnis, an der Lebenskraft der Familie teilzuhaben. Die Familie hat die Kriegszeiten durchgestanden, Hunger, Armut und Krankheit. Die Menschen brauchen einen Halt. Die Rituale vermitteln Halt.
Man darf nicht nur auf Halt des Geldes setzen, sondern man sollte sich fragen, was trägt und hält mich?

Wie sehen Sie die Entwicklung der Kirche aufgrund des neuen Papstes Franziskus?
Bis jetzt hat er noch nicht viel gemacht. Aber allein die andere Sprache hat ein anderes Klima in der Kirche geschaffen. Die stockkonservativen Bischöfe sind momentan ganz still. Die typischen Moralisten tönen nicht mehr so laut. Das ist ganz gut. Jetzt kommt es darauf an, wie das in Reformen umgesetzt werden kann. Ich denke, es war klug, nicht alles auf einmal zu machen, sondern ein anderes Klima zu streuen.

Wieviel wird in Bewegung kommen?
Das Priestertum für die Frau ist für ihn weit weg. Das kann man nicht von ihm erwarten.Ich g laube, dass er für die Abschaffung des Zölibats offen ist, weil er die Not in der Kirche spürt. Der Zölibat ist für mich keine moralische Frage, sondern eine Frage der Klugheit. Es sollte beide Formen geben, den zölibatären wie den verheirateten Priester. Das würde vieles an ungesunder Spannung rausnehmen.

Es könnte wieder aufwärts gehen?
Ich hoffe schon. Ich freue mich, dass das Klima in der Kirche einfach wieder weiter geworden ist. Es gab in unserem Recollectio-Haus, einem Erholungshaus für Priester, immer wieder welche, die nicht zur Kommunion gegangen sind, weil ihnen das zu liberal war. Ihre Antwort war, der Papst will das nicht so. Das kann heute keiner mehr sagen.

Sie haben nun auch ein Buch über die Schönheit herausgebracht.
Gott hat nach der Vollendung seiner Schöpfung gesagt Es war alles sehr schön. Meist wird es aus dem Hebräischen mit Es war alles sehr gut übersetzt, es kann aber auch sehr schön bedeuten. Das ist für mich eine positivere, mehr empfangende alsmoralisierende spirituelle Sicht. Heute gibt es die Schönheitsindustrie, die eine Perversion ist. Nicht jeder Mensch ist schön. Schön kommt von Schauen. Wer sich liebevoll anschaut, der ist schön. Wer den anderen liebevoll anschaut, macht ihn schön. Wer sich selbst hasst, ist hässlich.
Dostojewski hat das Wort geprägt, Schönheit wird die Welt retten. Die Schönheit tut den Menschen gut. Die Schönheit der Natur, von Gebäuden. Dostojewski sagte, er muss wenigstens einmal im Jahr die Sixtinische Madonna anschauen, um mit dem Glanz ihrer Schönheit sein Leben bewältigen zu können.

Manche Menschen haben ein Problem damit, nicht dem Schönheitsideal der Barbie-Puppe zu entsprechen.
Dann lassen sie sich operieren. Das ist etwas Aggressives. Jeder Mensch hat seine Schönheit, auch alte Menschen. Wenn einer etwas ausstrahlt, ist er schön. Da verbiegen sich heute viele Menschen. Sie können sich selbst nicht annehmen, weil sie einIdealbild haben. Das ist nicht mein Anliegen. Man sollte die Schönheit der Natur annehmen und die eigene Schönheit zulassen.

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