Angeblicher "Prügelpolizist" freigesprochen

Marco A. kann sich an die Festnahme nur bruchstückhaft erinnern. Er musste im Spital behandelt werden.
Beweise waren für einen Schuldspruch nicht ausreichend. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Was ist in der Nacht zum 25. Juni bei einem Polizeieinsatz auf der B1 in Asten (OÖ) vorgefallen? Eine Frage, die Richter Christoph Mayer am Mittwoch im Landesgericht Steyr zu klären versuchte. Kein einfaches Unterfangen angesichts der Tatsache, dass ihm mehrere, stark voneinander abweichende Versionen aufgetischt wurden. Schlussendlich fällte er Freisprüche.

Als gesichert galt nur, dass der 19-jährige Präsenzdiener Marco A. nach dem Polizeieinsatz im Spital betreut werden musste. Er erlitt Rissquetschwunden, Prellungen und eine Gehirnerschütterung. In den darauffolgenden Wochen war er auch in psychologischer Betreuung. Laut eines Sachverständigen könnten die Verletzungen von Schlägen oder einem Fußtritt herrühren: "Das ist aber nicht eindeutig zu entscheiden."

Observierung

Am Mittwoch hatten sowohl der 19-Jährige als auch ein 46-jähriger Mitarbeiter des Landeskriminalamts OÖ auf der Anklagebank Platz genommen. Der aus St. Valentin (NÖ) stammende junge Mann musste sich wegen des Verdachts der versuchten Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verantworten. Dem Polizisten wurde Körperverletzung und Beweismittelunterdrückung unter Ausnützung einer Amtsstellung vorgeworfen. Beide Männer erklärten sich nicht schuldig.

Der mehrfach ausgezeichnete Beamte war am 25. Juni auf der B1 mit einem Kollegen in einem zivilen Dienstfahrzeug unterwegs. Seit 2006 gehört er der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) an. In der fraglichen Nacht hatten beide den Auftrag, eine Einbrecherbande zu observieren und sollten gegen ein Uhr Früh den Standort wechseln. Der 46-Jährige saß am Steuer, sein Kollege auf dem Beifahrersitz. "Plötzlich hab’ ich einen Fußgänger mitten auf der Straße gehen gesehen, ich musste bremsen und ausweichen", sagte der Angeklagte. Er habe das Seitenfenster geöffnet und geschrien: "Schleich di’, damit sie dich nicht zusammenfahren". Dann sei eine Faust durchs Fenster gekommen, der Fußgänger habe seinen Kollegen am Leiberl gepackt und mit der Hand gegen den Seitenspiegel geschlagen.

Als der 46-Jährige ausstieg, soll er vom 19-Jährigen attackiert worden sein. "Wir haben ihm gesagt, dass wir Polizisten sind und ihn festgenommen." Dass er, wie Zeugen behaupten, den jungen Mann mit der Faust geprügelt und ihm mit dem Fuß gegen den Kopf getreten habe, bestreitet er. Marco A. – er war zu dem Zeitpunkt betrunken – erinnert sich nur bruchstückhaft an seine Festnahme.

Ein Zeuge, der von dem Vorfall mit seinem Handy ein Video gemacht haben will, beschuldigt den Polizisten, dieses konfisziert und die Aufnahme getilgt zu haben. „Er hat unser Dienstauto und das Kennzeichen fotografiert, nur diese zwei Bilder habe ich gelöscht – ein Video war nicht dabei“, betonte der Polizist. Er sei damals der Meinung gewesen, dass ein Observationsfahrzeug nicht einfach fotografiert werden dürfe. „Wussten Sie nicht, dass es einen Erlass aus dem Jahr 2013 gibt, der besagt, dass man sich dagegen nicht wehren kann?“, erkundigte sich Richter Mayer. „Nein“, entgegnete der Polizist.
Mayer sprach A. und den Beamten frei. Der Staatsanwalt erklärte einen Rechtsmittelverzeicht – beide Urteile sind daher rechtskräftig.

Der Jus-Student Jahn B., früher einmal Schulsprecher und Migranten-Betreuer, "kann bei solchen Sachen nicht wegschauen". Mit "solche Sachen" ist die Amtshandlung von WEGA-Beamten am 4. Juni 2014 bei einer Demonstration gegen Burschenschafter gemeint, die der 23-Jährige "unverhältnismäßig" gefunden hatte: Die Polizei habe jemanden aus der Menge gezogen, die Person habe am Kopf geblutet und sei von den Beamten "im Schwitzkasten mitgeschliffen" worden.

Jahn B. mischte sich ein, wurde seinerseits festgenommen und saß am Mittwoch wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung eines Polizisten im Wiener Landesgericht auf der Anklagebank.

Der 23-Jährige hatte sich damals in der U-Bahnstation Schottentor vor die Polizisten gestellt und verlangt, man möge den Verletzten ins Krankenhaus bringen. Keine Reaktion. Daraufhin begleitete er die Gruppe aus Beamten und Festgenommenen (der 44-Jährige soll mit einer Fahnenstange auf eine junge Polizistin eingeschlagen haben) Richtung U-Bahn. Die Polizisten dürften sich dadurch gestört gefühlt haben, einer rief: "Den nehmen wir mit", dann sollen sich sechs Beamte auf den Studenten gestürzt haben.

Invalide

Der Tumult zog sich "über sechs bis acht Stufen", wie ein Zeuge schilderte. Der Angeklagte sei "in die Knie gegangen" und habe sich "ruckartig nach unten gestoßen" bzw. "gezogen". Dabei soll Jahn B. einem Beamten einen Sehnenriss zugefügt haben, dieser ist seither zu 20 Prozent Invalide und fordert zunächst 8900 Euro Schadenersatz.

Der Verletzte erklärte allerdings im Zeugenstand, der Angeklagte habe "nicht nach mir losgeschlagen. Es war ein aggressives Fuchteln der Arme, ein Um-sich-Hauen, aber nicht gegen mich." Das Video aus der U-Bahnstation zeigt eher ein "Hingreifen", so sieht es zumindest der Richter, der die Verhandlung für weitere Zeugenbefragungen vertagte.

Kommentare