Abschied nach einer prägenden, ereignisreichen Kultur-Dekade

Mennickens Pläne für die Zeit „danach“: „Persisch lernen und in der Natur sein.“
Der scheidende Intendant des Landestheaters Mennicken lässt zehn Jahre Theater Revue passieren – und blickt gerne in die Zukunft.

Kommenden Sommer räumt Rainer Mennicken sein Büro im Musiktheater am Volksgarten. Zehn Jahre lange dirigierte der gebürtige Deutsche das Landestheater Linz durch seine wohl aufregendste Zeit, führte neue Sparten ein, setzte Schwerpunkte für Kinder und Jugendliche und verlor dabei nie die Freude am Alltag des Theaterlebens.

Gestern, Samstag, feierte sein letzter großer Coup Premiere. Mit der Oper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck erfüllte sich Mennicken einen lang gehegten Traum, zeichnete er doch selbst für die Inszenierung und das Bühnenbild verantwortlich (mehr dazu unten).

Neues lernen

"Ich muss jetzt nicht mehr das Programm der kommenden drei Jahre vorbereiten, hatte zwischendurch immer mal Luft und hab’ meinen Farbkasten rausgeholt", erzählt der Theaterdirektor. Das will er auch tun, wenn er sich von Linz verabschiedet: "Ich möchte noch etwas Neues lernen. Ich werde 1000 Kilometer entfernt von Linz leben, möchte mich in Kunst und Kunstgeschichte vertiefen, kochen, Persisch, die Sprache meiner Frau, lernen und in der Natur sein." Er sei nicht verwurzelt hier, auch wenn ihm Stadt und Menschen ans Herz gewachsen seien. Das Theater werde ihn auch in Zukunft nicht loslassen, "aber man soll gehen, wenn es am schönsten ist."

Und als schön empfindet der 65-Jährige einiges, wenn er die vergangenen zehn Jahre Revue passieren lässt: "Wenn mir auf der Straße Menschen begegnen und sich über die kulturelle Entwicklung in Linz freuen, ist das wunderbar. Wenn ich mit besonderen Menschen und Künstlern kreativ sein darf, ist das bereichernd. Ich denke da etwa an die Zusammenarbeit mit den Musikern Philip Glass oder Dennis Russell Davies."

Abgesehen von den künstlerischen Erfolgen hat es Rainer Mennicken auch geschafft, das Landestheater wirtschaftlich auf starke Beine zu stellen. Die Ticketverkäufe zeigen auch heuer wieder nach oben, das Interesse aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland ist groß. "Es wurden sogar Kulturfreunde aus Japan eingeflogen, nur um unsere Zauberflöte zu sehen." Der Personalstand wurde um 300 Personen aufgestockt, der Fokus auf das Kinder- und Jugendprogramm ist wirtschaftliches Kalkül: "Wir dürfen unsere eigene Endlichkeit nicht vergessen, wir müssen dafür sorgen, dass interessiertes, junges Publikum nachkommt. Mein Ziel ist es, dass Eltern gemeinsam mit ihren Kindern in Vorstellungen sitzen."

Als die Post abging

Wirtschaftliches Kalkül also, aber lange nicht nur. Wenn es um Kinder und Jugendliche geht, wird Rainer Mennicken emotional: "Das waren meine ersten praktischen Erfahrungen im Theater. Davor war alles sehr analytisch, aber bei meinem ersten Festival für Kinder- und Jugendtheater in Dortmund – ich war damals 24 Jahre alt – hat eine Prägung stattgefunden. Denn da ging die Post ab auf der Bühne!"

Mit der Inszenierung von Hänsel und Gretel hat Mennicken den Bogen zwischen allen Generationen gespannt, sowohl auf der Bühne als auch auf den Zuschauerrängen. "Diese Aufführung ist für alle zwischen sechs und 96 Jahren gedacht, ein Projekt für alle Generationen – und für mich Risiko und letzte Chance zugleich."

Bunte Cupcakes, die schrille Hexe Rosina Leckermaul, 40 Kinder als imposanter Chor und als ständige Begleiter auf der Bühne, ein vielseitig einsetzbares Knusperhäuschen und allseits bekannte Melodien: Die Kinderoper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck kann gut und gerne als Linzer Neuproduktion bezeichnet werden. Gestern, Samstagabend feierte das Stück Premiere.

Regie und Bühnenbild stammen vom Landestheater-Direktor Rainer Mennicken, der damit sein letztes großes Projekt vor Ende seiner Intendanz verwirklicht. "Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und mich einfach getraut. Ich habe in diesem ganzen Prozess so viel Aufmerksamkeit, Zuwendung und Fachwissen von meinen Kollegen bekommen. Es war wunderbar!"

Erzählt wird das Märchen aus der Sicht von Kindern auf die Handlung. Dabei werden auch unangenehme Aspekte thematisiert – die Angst vor dem Alleinsein, vor dem Verlassenwerden, dass sich Kinder oft klein und ohnmächtig fühlen in ihrer Umgebung.

Umgesetzt hat Rainer Mennicken diese Perspektive mit surrealistischen Zugängen: Kinder, die auf überdimensionalen Möbeln sitzen, die Beine reichen gar nicht bis zum Boden. Die selben Möbel tauchen in einer Traumsequenz stark verkleinert wieder auf – eine Welt, in der sich Kinder sicher und groß fühlen. Der Hexe stellt Mennicken zwei Gefährten an die Seite. Rabe und Katze werden von zwei Flüchtlingen aus Damaskus verkörpert, sie stellen sich zum Schluss gegen ihre böse Chefin und verbünden sich mit den befreiten Kindern. "Damit wollten wir zeigen, wie Solidarität praktiziert werden kann."

Hintergründige Details machen die Oper nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene zum Erlebnis, "denn jeder soll für sich selbst etwas mit nach Hause nehmen", wünscht sich Mennicken. Die Inszenierung soll das Märchen aktuell nachvollziehbar machen, also frisch aufbereiten, dabei spielen aber nach wie vor Poesie und Fantasie eine entscheidende Rolle.

www.landestheater-linz.at

Kommentare