"30-Stunden-Woche ist das Gerechteste"

Für Bettina Stadlbauer kommt aktuell eine Koalition mit der FP nicht in Frage
Die neue SPÖ-Landesgeschäftsführerin Bettina Stadlbauer tritt für beschränkte Zuwanderung ein.

Bettina Stadlbauer (49) ist seit September Landesgeschäftsführerin der SPÖ. Die Mutter einer Tochter war von 2002 bis 2008 Abgeordnete zum Nationalrat und von 2000 bis 2009 Geschäftsführerin der SPÖ Bundesfrauenorganisation.

KURIER: Wie haben Sie bei der parteiinternen Abstimmung über das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada abgestimmt?

Bettina Stadlbauer: Ich bin dagegen. Weil das einen völligen Umbruch des politischen Systems hin zu Konzernen bedeutet. Weil zum Beispiel arbeitsrechtliche und Umweltstandards nicht gewährleistet sind.

Die SPD in Deutschland steht CETA positiv gegenüber.Steht die SPÖ weiter links als die SPD?

Es gibt sicher linke Teile in der SPD und weniger linke Teile. Genau so wie es sie in der SPÖ gibt. Bezüglich CETA bin ich Pragmatikerin genug, dass ich weiß, es reicht nicht, einfach nur Nein zu sagen ohne nachzuverhandeln.

Sie schließen nicht aus, dass die SPÖ noch zustimmt?

Das schließe ich nicht aus, allerdings nicht zu den vorhandenen Bedingungen. Da muss konkret noch nachverhandelt werden.

In der Diskussion um die Ablehnung von TTIP und CETA geht es auch darum, Alternativen zu entwickeln, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Das Jahoda-Bauer Institut schlägt die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden vor.

Alles, was dazu beiträgt, die Arbeitszeit gerechter aufzuteilen, ist eine gute Sache. Zur Zeit ist es so, dass in erster Linie die Männer die Vollzeitbeschäftigen sind. Sie müssen viele Überstunden leisten. Es wird die Erweiterung auf einen 12-Stunden-Tag gefordert. Frauen haben hingegen die Teilzeit gepachtet. Die Hälfte aller berufstätigen Frauen in Oberösterreich arbeiten Teilzeit. Es wäre gut, wenn man hier eine Balance herstellen könnte. À la longue gesehen ist eine 30-Stunden-Woche das Gerechteste überhaupt. Teilzeit wirkt sich gerade bei Frauen ein Leben lang finanziell negativ aus, das wird letztlich auch bei den Pension sichtbar. Am besten wäre es, wenn man die Arbeitszeit aufteilt, denn auch die Männer sollten eine gute Work-Life-Balance haben und nicht nur im Hamsterrad stecken.

Bei vollem Lohnausgleich?

Bei manchen Löhnen und Einkommen noch einmal zu reduzieren wird einfach nicht funktionieren.

Die Landes-SPÖ liegt bei rund 18 Prozent. Wie wollen Sie die Partei wieder in die Höhe bringen?

Als Birgit Gerstorfer zur Landesparteivorsitzenden gewählt wurde, sind wir in Umfragen bei 16 Prozent gelegen. Wir wollen Politik für die Menschen machen. Das klingt jetzt zwar nach Überschrift, aber wir setzen uns dafür ein, was die Menschen berührt. Für eine Arbeit, von der man leben kann, für soziale Sicherheit, das inkludiert auch die Bildung, und für die Wahrnehmung der Bedürfnisse der Frauen.

Sie haben einen Punkt nicht angesprochen, der für viele Wähler ein entscheidendes Motiv ist: die Asyl- und Migrationsfrage.

Wir müssten es doch schaffen, das Zusammenleben zu organisieren. Die bestmögliche Integration jener Menschen, die da sind, hat absoluten Vorrang.

Das betrifft die Integration. Wie sieht es mit der Zuwanderung aus?

Die Wirtschaft sagt, wir brauchen Zuwanderung.

Die Positionen der Wirtschaft vertreten Sie eher selten.

Wir werden sicher in einem gewissen Ausmaß Zuwanderung brauchen. Das heißt nicht, dass wir alle Grenzen öffnen. Tatsache ist aber auch, dass wir Menschen, die schutzsuchend vor Krieg und Verfolgung zu uns kommen, helfen müssen.

Sind die von der Bundesregierung festgelegten Obergrenzen für Sie in Ordnung?

Es geht darum zu erheben, wie viele wir integrieren können. Wie viele Jobs können geschaffen, wie viele Wohnungen können gebaut werden? Die Obergrenze lenkt ab von dem, was man konkret tut. Man soll die Energie besser für die Integration aufwenden als über Zahlen zu diskutieren.

Wenn man sich die vergangenen Wahlgänge näher ansieht, wie zum Beispiel den am vergangenen Sonntag in Berlin, ist unübersehbar, dass die meisten Themen von der Flüchtlingsfrage überlagert werden.Was tun Sie als Parteimanagerin, um den Zulauf zur FPÖ zu stoppen?

Ich appelliere an die Vernunft, dass man das Zusammenleben koordiniert und organisiert. Es sollte gelingen, wieder eine positive Emotion in die Höhe zu bringen. Ich verstehe die Ängste der Menschen. Ich glaube, dass der Großteil der Menschen ein vernünftiges Zusammenleben will. Vernünftig miteinander leben kann man dann, wenn man eine Perspektive hat. Perspektive hat man, wenn man Sicherheit hat, einen Job hat, ausreichend Geld hat.

Der Arbeiter haben Ihre Perspektive in der SPÖ verloren. Die SPÖ war bei der vergangenen Landtagswahl bei den Arbeitern nur mehr drittstärkste Kraft. Nach der FPÖ und der ÖVP. Die Arbeiter fühlen sich von der SPÖ im Stich gelassen. Warum?Es ist uns nicht gelungen, genau die vorhin angesprochenen Ängste mit sichtbarer sozialdemokratischer Politik zu entkräften. Gleichzeitig gelingt es der FPÖ mit viel Propaganda, vorhandene Stimmungen zu verstärken. Diese werden offenbar immer wahlentscheidender.

Die Arbeiter spüren die Konkurrenz durch die Migration am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche sehr unmittelbar.

Warum hat die AfD in Mecklenburg-Vorpommern so einen hohen Zuspruch, obwohl dort nur 6000 Zuwanderer sind? Es gibt das Phänomen, dass dort, wo die wenigsten Zuwanderer sind, die ausländerfeindliche Stimmung überaus groß ist.

Aber diese Stimmung hält schon relativ lang an.

Das macht mir auch ein bisschen Angst. Weil man dagegen nicht rational argumentieren kann. Wir versuchen in der SPÖ schon immer mit Daten, Fakten und Zahlen zu argumentieren. Irgendwann ist aber der Punkt erreicht, wo das nicht mehr funktioniert. Weil eine Stimmung da ist, in der Argumente nicht mehr zählen. Was tut man dann? Reihe ich mich in den Chor jener ein, die sagen, man soll alle Migranten heimschicken oder sollte man eine andere, positive, mutige Stimmung aufbauen? Ohne negative Phänomene wie Kriminalität gut heißen zu wollen.

Wie definieren Sie sich in der Breite der SPÖ selbst? Sehen Sie sich als Linke?

Ich versuche in der SPÖ Oberösterreich dafür zu stehen, das wir als Bewegung wieder eins werden. Ich lehne diese Einordnungen von links und rechts ab.

Kommt für Sie eine Koalition mit der FPÖ in Frage?

Unter den jetzigen Voraussetzungen, wie zum Beispiel die FPÖ Oberösterreich oder die FPÖ in Wels agieren, sicher nicht. Solange dieser Menschenhass im Vordergrund steht, nicht.

Wie geht es Ihnen bei der Umsetzung der Reform der Parteiorganisation?

Es ist derzeit sehr viel im Laufen. Es sind schon viele Vorarbeiten geleistet worden. Es geht etwas weiter. Man merkt, dass es den Menschen, die für die Sozialdemokratie arbeiten, ein Anliegen ist wieder durchstarten zu können.

Was hat Sie motiviert, die Position der Landesgeschäftsführerin zu übernehmen?

Ich bin von Birgit Gerstorfer sehr überzeugt. Sie hat mich mitgerissen.

Aber auch die Stimmung, die vom Bund gekommen ist, war sehr positiv. Ich halte sehr viel von Bundeskanzler Christian Kern. Dazu kam mein Wunsch, wieder mehr in der Sozialdemokratie mitarbeiten zu wollen. Unser gemeinsames Ziel ist es, als Sozialdemokratie in Oberösterreich alles daran zu setzen, dass es den Menschen jeden Tag ein Stückchen besser geht. Dafür will ich mich mit mit ganzer Kraft engagieren.

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