"Zu Hause reden wir Türkisch"
Eine härtere Gangart gegen Integrationsunwillige und das Verbot von türkischen Flaggen im Stadtbild hat Wiener Neustadt auf die Titelseiten vieler türkischer Medien gebracht. Der KURIER hat mit der türkisch stämmigen SPÖ-Gemeinderätin Meral Karatas über Parallelgesellschaften und Gettoisierung gesprochen. Die zweifache Mutter und Lehrerin glaubt, dass die Stadt mit Druck und Zwang in Sachen Integration scheitern wird.
KURIER: Frau Karatas, welche Sprache sprechen sie mit Ihren Kindern zu Hause?Karatas: Türkisch. Mein Sohn hat nur Türkisch gesprochen bevor er in den Kindergarten gekommen ist. Nach einem Jahr hat er bereits für die anderen Kinder gedolmetscht, jetzt spricht er perfekt Deutsch und Türkisch. Ich bin mir sicher, dass die Sprachwissenschaft Recht hat, wenn sie sagt, dass man zuerst seine Muttersprache beherrschen muss, um eine zweite Sprache lernen zu können.
Sie sind also der Meinung, dass Migranten mit ihren Kindern zu Hause ruhig weiter in ihrer Muttersprache sprechen sollen?
Ja, das können sie. Das Problem ist eher, dass viele Eltern das System nicht verstehen, wie sie ihre Kinder sprachlich fördern. Aus meiner Erfahrung ist vor allem der Kontakt zu österreichischen Kindern wichtig. Nur denkt niemand daran, dass ein Fußball- oder Schwimmverein oder Musikunterricht auch bei der sprachlichen Entwicklung der Kinder hilft. Hier kann nur Elternbildung helfen.
Sie selbst sind Lehrerin von Beruf. Was muss die Schule tun, um die Kinder besser zu integrieren?
Es sind bereits so viele Kinder mit Migrationshintergrund in Österreich – das kann man nicht mehr ändern. Was wir allerdings ändern können ist das System. Die Bildung ist das Um und Auf. Wir brauchen zusätzliche Lehrkräfte und Deutschstunden, außerschulische Betreuung und gezielte Förderprogramme. Uns wird das sonst als Bevölkerung auf den Kopf fallen. Es ist eine so große Masse, die in die Arbeitswelt drängt. Wenn wir als Politiker und als Gesellschaft diese Chance verbocken, dann werden wir uns das nicht leisten können.
Stichwort Parallelgesellschaft. Es wird bekrittelt, dass gerade Türken nur in Geschäften von ihren Landsleuten verkehren und sie daher mit den klassischen Österreichern nicht in Berührung kommen.
Diese Parallelwelt gibt es nicht, das ist eine völlig übertriebe Ausdrucksweise. Was es gibt ist sicher eine große Möglichkeit für türkischstämmige Menschen, ihr Leben in einer gewissen Nische zu verbringen. Die Menschen gehen in diese Geschäfte, weil sie ihre Bedürfnisse nur dort stillen können. Wenn ich Moslem bin und ich brauche bestimmte Lebensmittel, dann gehe ich dort hin, wo ich diese auch bekomme. Schlimm ist es für die Österreicher, die diese Multi-Kulti-Gesellschaft völlig ablehnen.
Aber es gibt natürlich Siedlungen in denen die Zuwanderer dominieren. Ist das für Sie nicht etwas, was man ändern sollte?
Diese Gettoisierung, die immer wieder angesprochen wird, gibt es. Menschen ziehen dort hin, wo sie Freunde, Artgenossen und Verwandte haben. Deshalb gibt es in Wiener Neustadt Ballungszentren mit sehr vielen Migranten. Als ein Problem sehe ich eher, dass sich diese Situation in den jeweiligen Schulen widerspiegelt und die Klassen nur noch mit nicht-deutschsprachigen Kindern gefüllt sind. Hier hätte man früher eingreifen
müssen.
Die Stadtregierung in Wiener Neustadt hat angekündigt, ihre Gangart in Sachen Integration zu verschärfen und mehr einzufordern?
Härter durchgreifen? Ich kann ihnen versichern, dass Zwang und Druck nichts bringt. Extremes führt nur zu Extremen. Sonst werden sich Jugendliche ihrer Herkunft besinnen und sich noch viel stärker als Türken, Kosovaren oder Albaner identifizieren. Man muss ihnen die Möglichkeit geben beides zu sein, dann gibt es auch eine Annäherung.
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