Witzigmanns Welt: Erdbeere

Der Spitzenkoch widmet sich in seiner Kolummne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

Für Ovid, Vergil und Plinius war sie vor 2000 Jahren die "Königin", für Ernest Hemingway die "Verführung in Rot". Gemeint ist aber nicht eine antike Schönheit oder Rita Hayworth, die Herren meinten die Walderdbeere bzw. ihren Abkömmling, die Erdbeere.

Dieser Sorte Beerenobst wird seit jeher erotische Wirkung zugesprochen, obwohl ich immer noch am Rätseln bin, ob das an der assoziativen Form und Farbe liegt oder an bis heute noch nicht entdeckten Inhaltsstoffen...

Aber vielleicht kommt es ja nicht von ungefähr, dass die Erdbeere der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin Freya geweiht war und auch der französische Schriftsteller François Villon schmachtete: "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund".

In unserer globalisierten Welt sind Erdbeeren eigentlich ganzjährig im Angebot, ich bevorzuge jedoch unsere heimischen Produkte innerhalb der Saison. Vollreif schmecken sie einzigartig und sind wunderbar saftig. Und denken Sie bitte immer daran: Größe ist nicht alles. Vor allem sollten sie weder am Stielansatz noch an der Spitze grün sein, denn einmal gepflückt reifen sie nicht mehr nach.

Wie immer Sie auch die Früchte verarbeiten wollen, als Regel gilt: Rasch im kalten Wasser waschen oder vorsichtig in einem Sieb abbrausen, auf Saugpapier legen, vorsichtig abtupfen. Erst jetzt den Stiel entfernen, denn sonst wird Wasser aufgesaugt und ein Teil des Aromas geht verloren.

Das Aroma der Erdbeere verstärkt sich noch zusätzlich, wenn man sie mit ein wenig Weinessig mariniert oder mit Zitronensaft beträufelt. Die Erdbeere ist aber auch ein idealer Begleiter zu Minze, Waldmeister, frischem grünen Pfeffer, Mandeln, Vanille, Rhabarber oder Kirschen und harmonisiert besonders gut mit Ananas, Mango und Avocado.

Konkrete Zubereitungsarten wären etwa: karamellisierte Filo-Teigblätter, geschichtet mit Walderdbeeren und Vanillecreme, eine frisch gebackene Mandel-Tarte mit etwas Erdbeerkonfitüre ausgepinselt, mit Monatserdbeeren belegt und mit Staubzucker bestäubt, Erdbeeren mit Pfeffer und etwas altem Balsamico, Erdbeerrosette auf Rhabarber-Schaum, Erdbeeren in vin rouge (Banyuls) mit Zimt, Erdbeer-Bowle mit Moselwein und Sekt und und und...

Und wenn Sie mich nach meinem ganz persönlichen Lieblingsrezept fragen? Das ist ganz einfach: frisch gepflückte Walderdbeeren mit etwas Grand Marnier beträufeln - das ergibt zusammen mit Vanille- oder Erdbeereis ein unnachahmliches Geschmackserlebnis.

Aus: FREIZEIT-Kurier vom 9.5.

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