Witzigmanns Welt: Die Morchel

Der Spitzenkoch widmet sich in seiner Kolummne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

Obwohl ich ein leidenschaftlicher Pilzsammler bin, war es mir bisher nicht vergönnt, den König der Frühlingspilze, die Morchel, je zu finden. Für eine der Saison verpflichtete Küche ist die Kombination von Morcheln mit Spargeln, und eventuell auch Bries, eine ebenso feine wie ansehnliche Verbindung und ein absolutes Muss. Das hat so gar nichts Konstruiertes, sondern spiegelt die pure Schönheit der Natur wider. Und auch auf einem anderen Gebiet hat dieser Pilz eine Sonderstellung: Gegen Zuchtversuche ist die Morchel weitgehend resistent. Ich bevorzuge meist ein pures Morchelgericht: rasch in Butter gebraten, mit fein gehackten Schalotten, die vorher in Butter ohne Farbe angeschwitzt werden, beträufelt mit etwas Kalbs- oder Geflügelfond. Eine zweite Variante ist die Zubereitung mit Sahne und gekochten Spargelspitzen. Hier gebe ich 2-3 getrocknete Morcheln dazu, dann hat das Gericht noch mehr Aroma.

Klassiker in meinen Restaurants waren die gefüllten Morcheln in Sherry-Sauce. Sherry, Portwein oder Madeira harmonieren sehr gut mit Morcheln, aber auch ein gehaltvoller Weißwein, z. B. der aus dem Jura stammende Vin Jaune, den man für ein "Poulet au vin jaune et aux morilles" hernimmt.

Die Liste der wunderbaren Morchel-Gerichte ist lang. Meine Favoriten sind Morcheln in Verbindung mit Rührei oder Omelette, pochiertem Ei, Spinat, Spargel, Risotto, Morchelessenz unter der Blätterteighaube, oder immer wieder ein Höhepunkt: das legendäre "Leipziger Allerlei". Um den feinen Geschmack der Morcheln hervorzuheben, nehme ich niemals Knoblauch oder Speck, sie würden das sehr zarte Aroma übertönen.

Wichtig ist, die Morcheln gut zu säubern, und zwar immer erst kurz vor der Zubereitung: Die Stiele entfernen, Morcheln halbieren, unter fließendem Wasser den Sand entfernen und sie anschließend trocken tupfen. Die Stiele bitte nicht wegwerfen: sauber putzen, waschen und für die Zubereitung eines Fonds verwenden. Sowohl in getrockneter Form als auch als frische Importware (überwiegend aus der Türkei) hat die Morchel durchaus ganzjährig ihre Berechtigung am Speiseplan. Importpilze müssen ganz besonders sorgfältig gewaschen werden, da die türkischen Morcheln teilweise auf extrem sandigem Untergrund gedeihen. Beim Wässern (Wasser oder mit Milch) sollte man immer darauf achten, sehr viel Flüssigkeit zu verwenden und am besten einen kleinen Teller auf den Boden der Schüssel stellen, damit sie nicht mit dem Sand in
Berührung kommen.

Und zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Warnung mit auf den Weg geben: Morcheln dürfen niemals roh gegessen werden!

Aus: FREIZEIT-Kurier vom 4.4.

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