"Ich war gefangen in Traiskirchen"
Als sich Hagi (21) aus Syrien nach seinem Einzug in ein Haus in Zwettl im Waldviertel am Gartentor von Regina Mayer-Uitz verabschiedete, blieb er am Zaun stehen. "Er hat mich gefragt, ob er sich auch außerhalb des Zaunes aufhalten darf", erzählt die Religionslehrerin, die Hagi und seine Familie betreut. Hagi dachte, er sei eingesperrt. So wie zuletzt im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.
Das war vor zwei Wochen. Da kam der syrische Kurde mit seiner Frau Ahlam (22) aus Traiskirchen nach Zwettl. Seitdem kümmert sich der Verein "Willkommen Mensch in Zwettl", ein Ableger der Initiative der Diözese St. Pölten, um die Flüchtlinge.
Christlich geprägt
Regina Mayer-Uitz ist Vorstandsmitglied des Vereins, der Anfang Juli von Andreas Cermak und seiner Frau Christine ins Leben gerufen wurde. "Wir hatten das Gefühl, etwas tun zu müssen", sagt Christine Cermak. Sie war es, die ihren Mann überredete, das gemeinsame Anliegen im Pfarr- und Gemeinderat vorzutragen. "Wir sind überparteilich und überkonfessionell", sagt Regina Mayer-Uitz. Auch wenn die Vorstandsmitglieder vor allem aus christlicher Überzeugung handeln. Die meisten von ihnen sind Religionslehrer oder in der Pfarre engagiert.
Mittlerweile wohnen vier Flüchtlingsfamilien (aus Syrien, dem Irak und Russland) in Zwettl, eine Familie aus Syrien ein paar Kilometer entfernt in Sprögnitz und ein Ehepaar aus Somalia noch ein paar Kilometer weiter entfernt in Sallingberg.
Lebenshilfe
Die Vereinsmitglieder lehren den Flüchtlingen Deutsch, erledigen Behördengänge. Sie organisieren Windeln, Kinderwägen, Fahrräder und schenken Zeit. Außerdem bieten sie Beratung für jene an, die ebenso Flüchtlingen helfen wollen: "Unsere Hilfe ist ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Mayer-Uitz.
Doch die Familien sind dankbar für alles, was "Willkommen Mensch" für sie tut: "In Zwettl probiert ein Mensch, dem anderen zu helfen. Im Irak versucht ein Mensch, den anderen zu erschießen", sagt Jaafar. Er wohnt mit seiner Frau Nisrin und Sohn Ihsen (14) im selben Haus wie Hagi.
Die Geschichte seiner Flucht ist dramatisch. Jaafar, der Sunnit, wurde im Irak von Schiiten gefoltert. Seine erwachsene Tochter, eine Onkologin, musste er zurücklassen. Sieben Tage vor der Flucht heiratete sie. Die Familie hatte für sie einen geeigneten Mann gesucht, um ihr die Versklavung durch die Terrormilizen im Irak zu ersparen.
Die Geschichte von Hagi, Ahlam und der sieben Monate alten Delda klingt nicht besser. Zuerst aus Syrien in den Irak geflüchtet, dann vom Irak nach Österreich – den Großteil zu Fuß, mit der kleinen Delda auf dem Arm. Sie war erst vier Wochen alt, als die Familie floh.
"Es war schlimm", erzählt Hagi. Aber Traiskirchen sei die Hölle gewesen: "Ich habe das Lager gesehen, und wusste, wenn wir das überstehen, können wir es überall schaffen."
Und Hagi weiß mittlerweile, dass er sich auch außerhalb des Gartenzauns bewegen darf. "Ich war gefangen in Traiskirchen, jetzt habe ich ein Zuhause."
Spendenkonto: IBAN: AT98 2027 2000 0050 1122
Weiterführender Link:
Einen Monat lang stellt der KURIER Menschen vor, die sich in Österreich für Flüchtlinge engagieren. Sie möchten von Ihrer Aktion erzählen? Dann schreiben Sie per eMail an integration@kurier.at. Einige Initiativen werden im KURIER vorgestellt.
Hilfreiche Plattformen:
www.fluechtlinge-willkommen.at
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