So läuft das Schießtraining bei der Cobra

Einsatz in Wiener Neustadt: Beamte sollen ihre Sinne schärfen.
Lokalaugenschein in Wiener Neustadt: "Spielzeugpistole nicht übersehen."

Mit Zehn-Kilo-Schutzweste und Kevlar-Helm geht es die Treppen rauf und runter. Dann verlangt der Scharfschützen-Ausbilder der Cobra noch zehn Kniebeugen. Der Schweiß läuft mir in die Augen, der Puls ist auf 180, als ich die Waffe ziehen und aus zehn Metern Entfernung mit der Glock die Handtellergroßen Ziele treffen soll. Nur einer von vier Schüssen trifft.

Welche Gratwanderung der Waffengebrauch für Polizeibeamte darstellt, zeigt das Einsatztraining in der Cobra-Zentrale in Wiener Neustadt. Der KURIER absolvierte mit dem führenden Schieß- und Scharfschützen-Ausbilder ein Training für Polizeibeamte.

Das Wichtigste vorweg: Trotz Erfahrung mit Schusswaffen habe ich kaum eine der simulierten Gefahrensituationen ohne Blutvergießen und Opfer gemeistert. "Ein Schusswaffengebrauch entwickelt sich immer aus einer hochdynamischen Situation – im Kampf, aus der Bewegung, auf der Flucht. Durch Wahrnehmungstraining lernen die Beamten, ihre Sinne zu schärfen. Man sollte in Bruchteilen erkennen, was der Täter in der Hand hat. Allerdings ereignen sich zwei Drittel aller Schusswaffeneinsätze bei Dunkelheit", erklärt der Ausbilder.

Im Schießsaal darf ich selbst versuchen, eine Amok-Lage zu bewältigen. "Wenn geht, ohne Opfer", so der Nachsatz. Während ich mit geladener Waffe in der Mitte des Raumes stehe, läuft auf der Leinwand ein Szenario ab. Ich befinde mich im Vorraum einer Wohnung, als aus dem Nebenzimmer ein laut schreiender Mann stürmt und eine (vermeintliche) Waffe hinter seinem Rücken hervorzieht. Instinktiv drücke ich zwei Mal ab. Ein Schuss trifft den Mann; er geht zu Boden.

Es gab keinerlei Chance, zu erkennen, ob die Waffe des Angreifers echt, geladen, oder gar nur ein harmloses Spielzeug war. "Genau das ist das Problem. Der Polizist muss in Sekundenbruchteilen entscheiden, ob er einen Schuss abgibt, oder nur zum Taser greift. Wenn sich später herausstellt, dass es eine täuschend echt aussehende Spielzeugpistole war und der Täter liegt tot am Boden, dann bricht die übliche Kritik herein", sagt Cobra-Sprecher, Detlef Polay.

Während ein Cobra-Beamter bereits während seiner sechsmonatigen Grundausbildung etwa 10.000 Schuss zu Trainingszwecken abgibt, hat ein Streifenpolizist weit weniger Möglichkeiten. Pro Jahr sind zwanzig Stunden Einsatztraining mit der Waffe verpflichtend.

Munitionsfrage

Jeder Schusswaffengebrauch heizt auch die Debatte um die Zweckmäßigkeit der Polizei-Munition an. 2013 hat das Innenministerium eine entsprechende Untersuchung in Auftrag gegeben; im September soll das Ergebnis vorliegen. Die Polizei erwartet sich Aufschluss darüber, ob sie im Streifendienst weiterhin ihre "Soft-Munition" (Teilmantel-Flachkopf-Geschoß, die vergleichsweise wenig Schaden anrichten) verwendet, oder auf "mannstoppende" Deformationsgeschoße umsteigt, mit denen meist ein Treffer reicht, um Täter außer Gefecht zu setzen. Die Spezialeinheiten verfügen über beide Typen.

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