"So bringen wir unsere Kultur um"

Die zusätzlichen Investitionen konnten sich Inge und Alexander Keller nicht leisten
Auflagen wie die Registrierkassenpflicht lassen viele Winzer ihre Betriebe frühzeitig zusperren.

Mit Jahresende 2015 war für Inge Keller Schluss. Der Reisigstrauß vor ihrer Buschenschank in Gumpoldskirchen, Bezirk Mödling, wurde endgültig abgenommen. "Wir haben den Betrieb vor acht Jahren von unseren Eltern übernommen", erzählt sie. Man hätte ihn modernisieren müssen. "Mit den Vorschriften wie Registrierkassenpflicht, Barrierefreiheit und Nichtraucherschutz sind jetzt aber zusätzliche Investitionen auf uns zugekommen, die wir nicht stemmen können. Wenn ich nicht einmal das Haus erhalten kann, muss ich mir überlegen, was ich tue", sagt die Winzerin.

Keller ist in guter Gesellschaft. Sieben Heurige haben 2015 im Ort geschlossen – drei davon jedoch wegen auslaufender Pachtverträge. In der gesamten Thermenregion könnten es bis zu 40 Heurige weniger werden. "Was wir gerade erleben, wird auf andere Orte auch noch zukommen", glaubt Gumpoldskirchens Weinbauvereins-Obmann Christian Kamper. Der Altersschnitt der Wirte sei hoch, viele würden sich wenige Jahre vor der Pension die Erfüllung der Tausende Euro teuren Auflagen nicht mehr antun wollen. "Die Registrierkasse hat die Entscheidung zu schließen sicher erleichtert." Auch kleine Betriebe im Nebenerwerb sind betroffen.

Ein Jahr Arbeit

Kamper dürfte richtig liegen, auch im Traisental schließen Wirte ihre Heurige – oder denken wie Winzerin Gabriele Sandbichler darüber nach. "Es ist immerhin das Geld aus einem Jahr Arbeit, dass man in die Registrierkasse steckt", erklärt sie. Das Dilemma: Die Heurigen haben nicht durchgehend geöffnet. "Die Technik der Registrierkasse braucht man ja nur an Tagen, an denen ausgesteckt ist. In der Anschaffung wird sie deshalb aber nicht billiger", sagt Leopold Müller vom Weinkomitee Kremstal. "Den Trend, dass die Anzahl der Betriebe weniger wird, gibt es auch bei uns." Die Heurigenkultur sieht er aber dennoch nicht in Gefahr. Immerhin würden neue Heurige aufsperren und bestehende ihre Öffnungszeiten verlängern. "Das Angebot für Kunden wird nicht weniger", beruhigt er.

Das sieht der Gumpoldskirchner Winzer und Vize-Obmann der Bezirksbauernkammer, Christian Schabl, anders. "Die Weinorte laufen Gefahr, ihre Attraktivität zu verlieren, wenn die Betriebe wegbrechen." Klar befürchte man, dass das Kulturgut abhanden komme. Auch unter den Gästen sei die Stimmung nachdenklich. "Ich gehe auch davon aus, dass die Preise steigen werden."

In der Landwirtschaftskammer NÖ sind die Sorgen der Winzer ein großes Thema. "Es stimmt, geplante Betriebsschließungen werden vorgezogen", sagt Johann Grassl, Leiter des Referats Weinbau. Viel Handlungsspielraum gibt es nicht. Man könne nur versuchen, die Heurigenwirte zu beraten und zu unterstützen. Ob das reicht, bezweifelt Gumpoldskirchens Bürgermeister Ferdinand Köck (ÖVP). Die Auflagen seien überzogen. "Mit solchen Maßnahmen bringen wir unsere Kultur um."

Die Registrierkassenpflicht bereitet dieser Tage auch den Winzern im Weinviertel Kopfzerbrechen.

Denn auch jene Betriebe, die nur bei Kellergassenfesten ausschenken, dürften dafür eine Kasse brauchen, erklärt Johann Ebinger vom Weinbauverein Poysdorf. Sofern sie einen Jahresumsatz von mehr als 15.000 Euro erzielen und die Barumsätze mehr als 7500 Euro ausmachen. "Ob ich 50 Wochen aufsperre oder nur eine – über die Kasse komme ich nicht hinweg", sagt er. Gemeinsam mit Kollegen werde derzeit überlegt, wie das Problem zu lösen sei. "Wir haben zum Beispiel Kassagemeinschaften andiskutiert".

Auch für Johann Grassl, Leiter des Referats Weinbau der Landwirtschaftskammer NÖ, sind diesbezüglich noch viele Fragen offen. "Genügt etwa eine Kasse als Verein, oder braucht jeder Veranstalter eine eigene?" Antworten soll es jedoch bald geben, immerhin laufen laut Grassl intensive Verhandlungen zwischen Interessenvertretung und Finanzministerium.

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