Semmering-Basistunnel: Vorarbeiten voll im Gang

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Tunnel werden ab 2014 in Angriff genommen. Ein Anlass für einen Blick zurück.

Ein gutes Jahr nach dem Spatenstich für den Semmering-Basistunnel (SBT) zwischen Niederösterreich und der Steiermark sind die Vorarbeiten voll im Gang. Der erste Tunnelvortrieb ist 2014 im Fröschnitzgraben geplant, 2015 soll damit in Gloggnitz/NÖ und beim Zwischenangriff Göstritz begonnen werden, informierte das Projektteam der ÖBB bei einem Pressegespräch am Dienstag. 2022 soll der komplette Durchbruch des zweiröhrigen Tunnels erfolgen und Ende 2024 das 27,3 Kilometer lange Gesamtbauwerk fertiggestellt sein.

Zu den vorbereitenden Arbeiten gehören u.a. Hochwasserschutzmaßnahmen sowohl durch Rückhaltebecken als auch entlang der Gewässer. In Gloggnitz sind die ersten Ufermauern bereits fertig. Weiters entsteht der Portal-Voreinschnitt. Sämtliche Arbeiten würden gemäß (Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) einem Monitoring unterzogen, auch der Gestaltungsbeirat sei eingebunden, verwies Gerhard Gobiet vom Projektteam auf die sensible Landschaft. Er stellte aber auch klar, dass die zum Weltkulturerbe erklärte Bergstrecke ohne Tunnel die Anforderungen nicht mehr bestehen würde bzw. umgebaut hätte werden müssen, wodurch wiederum der Unesco-Status gefährdet gewesen wäre.

Umfahrung ab 2014

Das Aushubmaterial wird großteils deponiert, wodurch Abtransporte durch die Orte entfallen. Um den Baustellenverkehr in Maria Schutz/NÖ nicht vor dem Ort abwickeln zu müssen, werde auf Wunsch von Land und Gemeinde 2014 eine temporäre Umfahrung errichtet. In Spital am Semmering/Steiermark wurde bereits die Trinkwasserversorgungsanlage adaptiert, was Voraussetzung für die Errichtung der Baustraße Steinhaus gewesen sei.

Semmering-Basistunnel: Vorarbeiten voll im Gang
Grafik, Semmering-Basistunnel

Durchschnittlich 65 Mitarbeiter sind derzeit in Gloggnitz eingesetzt. "Wir bekommen Rückhalt und Unterstützung in der Region", unterstrich Gobiet. In der Vergangenheit hatten sich bekanntlich einige Gegner des Jahrzehnte umstrittenen Projekts formiert. U.a. mit Einsprüchen bekämpft wurde der Tunnelbau von der Organisation "Alliance for Nature". Diese hatten allerdings, wie heute nochmals erklärt wurde, keine aufschiebende Wirkung. Man habe alle erforderlichen positiven Bescheide bis auf einen Wasserrechtsbescheid im teilkonzentrierten UVP-Verfahren, dieser sei im Herbst zu erwarten, verwies Gobiet auf den diesbezüglichen positiven Bescheid erster Instanz durch das Land Steiermark.

Die Südbahn sei das zentrale Verbindungsglied auf der transeuropäischen Route von der Ostsee bis zur Adria - noch sei die Bergstrecke über den Semmering das Nadelöhr. Der Semmeringbasis-Tunnel soll nicht nur erhöhte Kapazitäten im Güterverkehr bringen, sondern auch eine um 30 Minuten kürzere Fahrzeit zwischen Wien und Graz.

Die Verbindung zwischen Wien und Triest war das bedeutendste Eisenbahnprojekt des 19. Jahrhunderts. Vor allem galt es, den Semmering zu überwinden, der mit einer Höhe von 1000 Metern die ungünstigsten Verhältnisse zur Errichtung einer Bahnstrecke bot: Die Landschaft ist stark zerklüftet und außergewöhnlich unwegsam.

Mit 17 Jahren Doktor

Da holten sich die k. k. Staatsbahnen Carl Ghega, der mit nur 17 Jahren sein Doktorat der Technik erworben hatte! Der in Venedig geborene Bahningenieur wurde vorerst in die Vereinigten Staaten von Amerika geschickt, um den dortigen Bahnbau zu studieren, stieß aber in Österreich auf ganz andere landschaftliche Verhältnisse. Mit der Semmeringbahn sollte dann die erste Gebirgsbahn der Welt entstehen.

Man bedenke die damaligen baulichen Möglichkeiten: Die 16 Tunnels, 17 Viadukte und elf Brücken mussten ohne jedes Sprengmittel errichtet, die meisten Arbeitsvorgänge händisch durchgeführt, die Felsen mit einfachen Handbohrern bearbeitet werden. Und die Transporte erfolgten mit Pferdegespannen.

All diese Schwierigkeiten hatte Carl Ghega, der für die Gesamtplanung verantwortlich war, zu bewältigen. Dazu kam, dass es zu dieser Zeit kaum Lokomotiven gab, die für derartige Steigungen wie sie über den Semmering zu überwinden sind, geeignet waren. Auch um die Weiterentwicklung entsprechender Loks kümmerte sich Ghega selbst.

Die Bauarbeiten begannen im Revolutionsjahr 1848, wobei es von Anfang an schwere Angriffe auf Ghega gab, dem Neider aus allen Teilen der Monarchie Unfähigkeit und technisches Unverständnis vorwarfen.

Doch die größten Probleme entstanden erst während der Bauarbeiten. Da die Arbeiter in primitiven Holzhütten und unter katastrophalen sanitären Verhältnissen untergebracht waren, brachen Cholera und Typhus aus. Mehr als 700 Männer fielen diesen Seuchen während der Bauzeit zum Opfer. Für sie wurde am Fuße des Semmering ein eigener Friedhof errichtet.

Die Eröffnung

Doch allen Problemen zum Trotz konnten nach dreijähriger Bauzeit mit der Lokomotive „Save“ die ersten Versuchsfahrten unternommen werden, und am 17. Juli 1854 fand die feierliche Eröffnung des Personenverkehrs statt.

Auch der unverheiratet gebliebene Carl Ritter von Ghega, den Kaiser Franz Joseph für seine Verdienste in den Adelsstand erhob, war während der Bauarbeiten an Tuberkulose erkrankt. Er starb nur sechs Jahre nach der Eröffnung seines Lebenswerks im Alter von 58 Jahren in Wien.

Die alte „Ghega-Strecke“, die schon in der Ersten Republik unter Denkmalschutz gestellt und 1998 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, wird laut ÖBB auch nach Fertigstellung des neuen Basistunnels erhalten bleiben.

1980 - 1989

Vorplanungen der ÖBB für einen Semmering-Basistunnel Semmeringstrecke

März 1989

Südbahnstrecke zwischen Wien und Spielfeld wird zur Hochleistungsstrecke erklärt. Planung und Bau des Semmeringtunnels wird an Hochleistungs AG (HL-AG) vergeben.

1991

Niederösterreich, Steiermark und Kärnten beziehen Tunnel in ihre Verkehrskonzepte ein. Übereinkommen über Weiterbestand der Ghega-Strecke auch nach Bau des Tunnels.

1992

Bewilligung der Vorarbeiten inklusive Sondierstollen. Verkehrsminister Viktor Klima (S) verfügt befristete Unterbrechung der Vorarbeiten bis zum Abschluss von weiteren Untersuchungen.

1993

Baustopp wird aufgehoben.

1994

Baubeginn am Sondierstollen.

1995

Öffentliche Ausschreibung für Bau und Betrieb der Hochleistungsstrecke Gloggnitz-Mürzzuschlag.

1997

Drei private Bieterkonsortien geben Angebote für Finanzierung und Bau ab.

April 1998

Widerruf der Konzessionsausschreibung durch Minister Caspar Einem (S), neue Variantenuntersuchung bestätigt Tunnel als optimales Projekt.

Juni 1998

Das Land Niederösterreich erlässt einen negativen Naturschutzbescheid. Das Projekt wird gestoppt.

Juli 1998

Die HL-AG legt beim VfGH Beschwerde gegen den Bescheid ein.

1999

Der VfGH setzt ein früheres NÖ-Naturschutzgesetz wieder in Kraft, grünes Licht für Bau des Tunnels. Niederösterreich verhängt neuen Naturschutzbescheid. Der Bau des Semmering-Basistunnels wird neuerlich gestoppt.

2000

Der Verwaltungsgerichtshof hebt den NÖ-Bescheid auf. Niederösterreich ändert das Landesgesetz und erlässt einen neuen Bescheid.

2001

HL-AG klagt auch gegen den NÖ-Bescheid. Der VwGH muss neuerlich entscheiden. Die Gelder für den Semmering-Tunnel werden zum Ausbau der Koralmbahn umgeleitet.

2002

Die Regierung legt einen Generalverkehrsplan vor. Demnach wird der Baubeginn für den Semmering-Tunnel 2007 angepeilt, die Kosten werden auf 800 Mio. Euro geschätzt. Die Fertigstellung ist für 2011 geplant.

April 2004

Der VwGH hebt den NÖ-Bescheid nach fast drei Jahren wieder auf. Niederösterreich muss einen neuen Bescheid erlassen. Eine Einigung scheint nicht in Sicht.

März 2005

Das Projekt wird endgültig zurückgezogen. An seine Stelle soll ein neueres und modernes Vorhaben für den Semmering treten. Der Ministerrat segnet die Neuplanung ab.

April 2005

Entschließungsantrag des Nationalrates für das Projekt neu, Vereinbarung Bund - ÖBB-Holding über Realisierung und Finanzierung

31. Jänner 2006

Die ÖBB präsentieren - auf dem Semmering - den "Beginn der Planungen für den Semmering-Basistunnel neu".

9. Februar 2007

Kanzler Alfred Gusenbauer (S) erklärt bei einem Treffen mit dem steirischen LH Franz Voves und Infrastrukturminister Werner Faymann in Graz Koralm- und Semmeringtunnel zur "Priorität Eins". Einen Monat später wird aus ÖBB-Kreisen Widerstand gegen das Projekt laut. Faymann bekräftigt, dass die erste Bautranche trotz Neuplanung bereits 2012 starten werde.

26. April 2008

Faymann teilt Voves mit, dass eine neue zweiröhrige Tunneltrasse südöstlich der Passhöhe geführt werden soll, mit einer Bauzeit von 2012 bis 2020. NÖ-LH Erwin Pröll (V) reagiert vorsichtig-zustimmend.

25. April 2012

Am künftigen Nordportal in Gloggnitz, NÖ, erfolgt der Spatenstich für zwei Tunnelröhren von 27,3 Kilometern Länge. Die Bauzeit soll zwölf Jahre betragen (bis 2024), die Kosten 3,1 Mrd. Euro betragen. Die neue Südbahn, Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes, wird die Fahrzeit Wien - Graz um ein Drittel verkürzen und den Zuwachs im Güterverkehr bedienen, gleichzeitig bleibt das Unesco-Weltkulturerbe Ghega-Bahn über den Semmering erhalten.

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