Semmering-Basistunnel: Baustart trotz offener Verfahren

Semmering-Basistunnel: Baustart trotz offener Verfahren
Unzählige Einwände hindern die ÖBB nicht am Bau des Tunnels. Der Spatenstich erfolgt demnächst.

Das grüne Licht muss von politischer Seite gekommen sein, denn von den Behördenwegen her ist noch lange nicht alles auf Schiene. Während bereits 23 Häuser für das Portal des neuen Semmering-Basistunnel in Gloggnitz im südlichen Niederösterreich dem Erdboden gleich gemacht werden, scheinen die Tunnelgegner wie Don Quijote gegen Windmühlen zu kämpfen. Obwohl ein Genehmigungsbescheid nach dem anderen mit Einsprüchen torpediert wird, wollen die ÖBB dem Vernehmen nach bereits Anfang April zum großen Spatenstechen für das 3,1-Milliarden-Euro-Projekt laden – mit tatkräftiger Unterstützung, von der Ministerin bis hin zum Landeshauptmann.

Weltkulturerbe

"Mit dem Abriss der Häuser möchten die Tunnelbetreiber nur vollendete Tatsachen schaffen und den Druck vergrößern", wettert Christian Schuhböck von der "Alliance for Nature" (AFN) gegen die Vorgangsweise. Die Naturschutzorganisation, die das UNESCO-Weltkulturerbe Semmeringbahn hütet, gilt als der erbittertste Tunnelgegner. Die AFN-Beschwerde gegen die positive Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) liegt bereits bei den Höchstgerichten.

Während eine aufschiebende Wirkung nicht zu erkannt wurde, gilt diese zumindest für die Berufungen gegen das NÖ-Großverfahren (Luftfahrt, Denkmalschutz, Wasserrecht). Insidern zufolge werden sich die zuständigen Ministerien mit den Entscheidungen aber nicht lange Zeit lassen. Das Verkehrsministerium war besonders flink und hat den Einwand der AFN bereits abgeschmettert. Die gebetsmühlenartigen Proteste haben bisher nichts an der Tatsache geändert, dass die Bagger bereits am Fuße des Semmering stehen, um bald die 51.000 große Baustelle für den Tunnelbau zu planieren.

Roter Faden

"Die begründeten Sorgen und Ängste der Naturschützer und Bewohner werden mit Füßen getreten", prangert Horst Reingruber von der Gloggnitzer Bürgerinitiative BISS an. Schon bei der UVP seien an die 900 Einwendungen als unbegründet einfach ignoriert worden. "Das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Verfahren", sagt Reingruber.

Besonders drastisch sei das Beispiel mit dem Wasser. Bekanntlich hat das alte Projekt ein negativer Naturschutzbescheid des Landes NÖ zu Fall gebracht. Ausschlaggebend war damals vor allem der gewaltige Wasseraustritt aus dem Berg von 100 Liter pro Sekunde.

Vier Mal so viel

Semmering-Basistunnel: Baustart trotz offener Verfahren

Obwohl jetzt mehr als vier Mal so viel prognostiziert wird, nämlich 38 Millionen Liter/Tag, hat die Beurteilung des Wasserhaushaltes dieses Mal keinen Niederschlag im Naturschutzgutachten gefunden. "Es gab seit dem alten Tunnelprojekt eine Gesetzesänderung. Das Thema Wasser wurde daher im Zuge des UVP-Verfahrens behandelt", erklärt die Neunkirchner Bezirkshauptfrau, Alexandra Grabner-Fritz.

Reingruber zitiert unzählige Punkte aus den Behördenbescheiden, bei denen "man den Glauben an die Rechtsstaatlichkeit verliert". Unter anderem heißt es in einer Stellungnahme, dass die Lebensqualität der Anrainer nicht Thema des Naturschutzgutachtens sei . "Auch die Belastung durch Lärm und Verkehr im Zuge der Bauzeit wird immer wieder heruntergespielt. Wir sprechen aber hier von 14 Jahren", sagt Reingruber erzürnt.

Justiz

Mittlerweile beschäftigt der Semmering-Basistunnel sogar die Justiz. Nach einer anonymen Sachverhaltsdarstellung hat die Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren gegen einen der eingesetzten Gutachter eingeleitet. Der Vorwurf: Alfred C. soll nicht zu den zugelassenen beeideten Sachverständigen gehören und durch seine Nähe zu den ÖBB als befangen gelten. Die Bahn hat dies bereits im Zuge der UVP zurückgewiesen.

Projekt: Kosten von 3,1 Milliarden Euro

Südbahn Der 27,3 Kilometer lange "Semmering-Basistunnel neu", der rund 3,1 Milliarden Euro kostet, soll Ende 2024 in Betrieb gehen. Durch die Fertigstellung der mindestens 5,2 Milliarden teuren Koralmbahn von Graz nach Klagenfurt soll die Fahrzeit von Wien nach Klagenfurt von derzeit vier Stunden auf zwei Stunden und 40 Minuten, in fernerer Zukunft sogar auf zwei Stunden, verkürzt werden.

Nord-Süd-Transversale Die Südbahn mit den beiden Tunneln ist das südliche Teilstück des sogenannten Baltisch-Adriatischen Korridors von Danzig (Polen) an der Ostsee über Tschechien, die Slowakei und Österreich nach Bologna in Italien. Mit dem Hauptbahnhof Wien, dem neuen Hauptbahnhof Graz und der Koralmbahn soll der Tunnel gewährleisten, dass die Südbahn im Güter- und Reiseverkehr an Attraktivität gewinnt.

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