Sechs Tote in NÖ: Krebserkrankung der Großmutter hat sich bestätigt
35-Jährige hat alle Opfer erschossen. Der Tatzeitpunkt liege "um den 20. November".
05.12.16, 11:30
Bei der Obduktion der Opfer der Bluttat von Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten-Land) hat sich eine Krebserkrankung der Mutter (59) der mutmaßlichen Täterin (35) bestätigt. Michaela Obenaus, Sprecherin der StaatsanwaltschaftSt. Pölten, hat dies am Montag mitgeteilt.
Der Tatzeitpunkt liege "um den 20. November". Mehr könne man noch nicht sagen, fügte Obenaus hinzu. "Alle sechs Personen sind durch Schüsse getötet worden." Das Motiv für die Bluttat könnte in der Krebserkrankung der 59-Jährigen liegen und ist der Staatsanwältin zufolge weiterhin Gegenstand der Ermittlungen. Nachsatz: "Sofern man es überhaupt klären kann."
Nach der am Donnerstag entdeckten Bluttat mit sechs Toten in Böheimkirchen herrscht weiterhin Betroffenheit und Bestürzung in der Marktgemeinde im Bezirk St. Pölten-Land. Böheimkirchens Bürgermeister Abg. Johann Hell (SPÖ) und die Direktorin der Volksschule, Silvia Riedler, haben sich indes am Freitag in einem Pressegespräch "tief betroffen" gezeigt. Die Kinder in der Volksschule wurden psychologisch betreut.
"Wir trauern um die Familie", sagte Hell, die Marktgemeinde sei "tief bestürzt". Die sechs Personen waren laut dem Bürgermeister im April 2015 von der Nachbargemeinde Kirchstetten in den Ortsteil Schildberg in ein ehemaliges Gasthaus gezogen, das sie gekauft hatten. "Die Familie hat sehr ruhig gelebt." Kontakt mit der Gemeinde habe es nur bei der Anmeldung nach dem Umzug gegeben, später nicht mehr. "Sie haben sich nicht in das gesellschaftliche Leben eingebracht", berichtete Hell, deshalb seien sie "nach außen nicht aufgefallen".
Vor der Volksschule im Zentrum von Böheimkirchen wehte am Freitag die schwarze Fahne, im Inneren des Gebäudes wurde psychologische Betreuung angeboten. "Wir sind alle zutiefst bestürzt und betroffen. Viele Kinder haben geweint", teilte die Direktorin mit. Auch in dieser Woche ist das Team "immer wieder vor Ort", sagte Andrea Richter, Leiterin der Abteilung Schulpsychologie in NÖ.
Die mutmaßliche Täterin hatte ihre drei Kinder am Montag vergangener Woche mit der Begründung, dass die Großmutter verstorben sei, in der Schule für einige Tage entschuldigt, sagte die Direktorin. Die 35-Jährige habe von einem großen Schock für die Familie gesprochen. "Deshalb haben wir uns gar nichts dabei gedacht", betonte Riedler.
"Guter Kontakt zwischen Mutter und Lehrerinnen"
Das getötete Mädchen besuchte die erste, ihre beiden Brüder gingen in die dritte und vierte Klasse. Die Kinder waren laut Direktorin "gut integriert", es handelte sich um eine "ganz normale Familie". Es habe ein "guter Kontakt zwischen der Mutter und den Lehrerinnen geherrscht", erzählte Riedler. "Die Kinder waren sehr behütet". Die 35-Jährige habe das Mädchen und die Buben manchmal bis zur Tür begleitet.
Dass eine Frau ihre Familie und dann sich selbst erschießt, bewertete Gerichtspsychiater Reinhard Haller als außergewöhnlich. Demnach liege bei Frauen bei derartigen Bluttaten meist ein "erweiterter Selbstmord" vor. "Sie sind oft depressiv und wollen ihre Liebsten in eine vermeintlich bessere Welt mitnehmen." Es sei sehr selten, dass eine Frau ihre Opfer erschieße. Es sei daher auch möglich, dass eine psychiatrische Erkrankung vorgelegen ist und die Frau unter Wahnvorstellungen gelitten hat.
Beim wesentlich öfter vorkommenden "erweiterten Mord", der in der Regel von Männern begangen wird, ist die Motivlage eine vollkommen andere: Hier wird etwa bei einem Rosenkrieg ein gezielt gewaltsamer finaler Schlusspunkt gezogen. Beim "erweiterten Selbstmord" ist das Motiv hingegen ganz anders. "Die Motivlage ist altruistisch", sagte Haller. Täter empfinden eine Situation als vollkommen aussichtslos und möchten auch nicht, dass ihre Liebsten sich diesem Umstand noch länger aussetzen müssen.
Böheimkirchen ist eine Marktgemeinde im Mostviertel im Bezirk St. Pölten in Niederösterreich. Laut Statistik Austria gab es mit Stichtag 1. Jänner 2016 insgesamt 5.043 Einwohner. Das Gemeindegebiet umfasst 27 Ortschaften, darunter auch Schildberg.
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