Rechtsstreit um ein giftiges Erbe

1924 brannte die Fabrik ab, später wurde Erde aufgeschüttet und eine Siedlung gebaut.
Eine Teerfabrik hat in Angern Boden und Wasser verseucht. Ex-Bewohner kämpfen um ihr Geld.

Mineralöl, Kohlenwasserstoffe, Arsen oder Quecksilber: Allesamt Stoffe, die man nicht im eigenen Garten haben will. Die Bewohner der Feldsiedlung in Angern/March, Bezirk Gänserndorf, haben sich das nicht ausgesucht. Sowohl im Grundwasser als auch in den Böden wurden die Stoffe festgestellt. Seit vier Jahren ist rund um das giftige Vermächtnis der Teerfabrik ein Rechtsstreit im Gange. Niemand will etwas über die Geschichte des Areals gewusst haben.

Die zehn Reihenhäuser der kleinen Siedlung sind alle im gleichen rosa Ton gestrichen. Zwei Katzen streunen durch die kleine Einbahnstraße. Verkehr gibt es hier nur wenig. Es ist die Ruhe, die die Bewohner hier gesucht und gefunden haben.

50 Häuser

Im 19. Jahrhundert war das ganz anders. Damals stand hier eine Teerfabrik. 1924 brannte sie ab, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Erde aufgeschüttet und Häuser wurden errichtet. Rund 50 sind es insgesamt. Die in der Feldsiedlung kamen erst im Jahr 2001 dazu.

Rechtsstreit um ein giftiges Erbe
Anwalt Franz-Karl Juraczka, Saeed Vazirnia, Eveline Schodl, Karl Hermann, Teerfabrik, Angern an der March
Karl Hermann und Saeed Vazirnia erfuhren zufällig von der Belastung. Beide sind mittlerweile aus Angern weggezogen. Doch die Sache ist für sie noch nicht vorbei: Sie fühlen sich betrogen. Von der Siedlungsgenossenschaft Neunkirchen (SGN). Diese hatte sie nämlich nicht über die Vorgeschichte des Areals informiert. Sie wollen gemeinsam mit ihrem Anwalt Franz Karl Juraczka nachträglich zumindest 30 Prozent Mietzinsreduktion erkämpfen. In Summe macht das mehr als 50.000 Euro. Das lehnt die SGN ab. Es bestehe schließlich kein bezifferbarer Schaden. "Es liegen uns hinsichtlich eventuell rückwirkender Mietzinsminderungsansprüche keine Informationen vor, welche einen Rückschluss auf derartige Ansprüche zulassen – welche darüber hinaus auch rechtlich mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen sind", heißt es von Seiten der Genossenschaft.

Muskelkrämpfe

Dass es dadurch gesundheitliche Auswirkungen gab, können die Betroffenen nicht beweisen. Bei Hermann diagnostizierten Ärzte ALS – eine Erkrankung des Nervensystems. "Ich konnte nicht mehr gehen, hatte Muskelkrämpfe." Seit er weggezogen ist, sagt er, habe er keine Symptome mehr. "Auch mein Sohn hatte ständig Nasenbluten." Vazirinias Sohn wiederum litt an ständigem Husten. "Ärzte vermuteten eine Allergie, aber sie fanden nichts."

Beide Familien sind weggezogen. Obwohl sie in Angern ihren Traum vom Haus leben wollten. "Wir wollten mit den Kindern raus aus der Stadt und hier alt werden. Wir haben viel Geld in das Haus gesteckt", sagt Eveline Schodl, die Lebensgefährtin Hermanns. Und auch Vazirnia hatte ähnliche Pläne. "Die ganzen Ersparnisse stecken in diesem Haus."

Vor wenigen Jahren wurden 50 Zentimeter des Bodens auf dem Areal abgegraben und ersetzt, nachdem das Umweltbundesamt eine Gesundheitsgefährdung feststellte. Das Grundwasser ist noch immer verseucht.

Ein Umweltmediziner stellte zuletzt zwar keine unmittelbare Gefährdung für die Bewohner fest, sehr wohl aber Nutzungsbeeinträchtigungen der Innenräume. Zudem sei der Garten für spielende Kinder und für den Gemüseanbau nur eingeschränkt nutzbar.

Leopold Haas weiß das. Er lebt seit zehn Jahren mit seiner Familie hier. Gemüse baut er in seinem Garten keines an. "Unsere Kräuter haben wir im Hochbeet, da kann nichts sein. Und unseren Fischen im Teich macht das alles nichts aus." Auch er hat viel Geld in das Haus gesteckt. Deshalb bleibt er. "Ich habe keine Beschwerden. Und sogar der Bürgermeister wohnt nebenan", sagt er.

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